Vorwurf Wachverfehlung für Soldaten bei Vorladung, Anklage, Disziplinarverfahren

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Der Wachdienst gehört zu den militärischen Pflichten von Soldaten, wenn sie für diesen Dienst eingeteilt sind. In der Regel sollen besonders militärische Bereiche und militärische Sicherheitsbereiche vor unberechtigtem Zutritt, Straftaten gegen die Bundeswehr oder auch Spionage- und Sabotage-Akten geschützt werden. Es handelt sich entsprechend um eine besonders bedeutsame Aufgabe, deren Verletzung nicht allein durch Disziplinarmaßnahmen geahndet werden kann. 

Die Strafbarkeit der Wachverfehlung von Soldaten ist in § 44 Wehrstrafgesetz (WStG) geregelt und stellt einen Sonderfall des Ungehorsams (§ 19 WStG), beziehungsweise Leichtfertigen Nichtbefolgens eines Befehls (§ 21 WStG) dar. 

Es handelt sich um eine Straftat, die nur von Soldaten der Bundeswehr begangen werden kann. 


Welche Strafe droht Soldaten der Bundeswehr wegen Wachverfehlung?

Als Soldat der Bundeswehr droht für Wachverfehlung eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. 

In sogenannten besonders schweren Fällen der Wachverfehlung wird eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren verhängt. 

Bei nur fahrlässiger Wachverfehlung sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren vor.  


Wann macht man sich wegen Wachverfehlung strafbar?


Es wird grundsätzlich zwischen vier verschiedenen Arten der Wachverfehlung unterschieden. 

  1. Vorsätzliche Wachverfehlung ohne Eintritt einer schwerwiegenden Folge
  2. Vorsätzliche Wachverfehlung mit Eintritt einer schwerwiegenden Folge
  3. Besonders schwerer Fall der Wachverfehlung
  4. Fahrlässige Wachverfehlung mit Eintritt einer schwerwiegenden Folge 


Was ist der Wachdienst bei Soldaten? 

Der Wachdienst ist in den militärischen Wachvorschriften geregelt. 

Es handelt sich um den Dienst als militärische Wache über einen bestimmten Wachbereich. Er bringt eine erhöhte Verantwortung mit sich, auf welche der Vorgesetzte ausdrücklich hinweisen muss. 

Militärische Wachen setzen sich zusammen aus dem Offizier des Wachdiensts und dessen Stellvertreter, dem Wachhabenden und dessen Stellvertreter sowie den Wachmannschaften. 

Die im Wachdienst eingesetzten Soldaten sind sogenannte „Wachvorgesetzte“ und dazu befugt, anderen Soldaten Befehle zu erteilen (§ 3 VorgV). 

Zu den Aufgaben gehört der Dienst als Posten, Streife, Eingreifkraft, Soldaten einer Wachverstärkung oder als Soldat in Wachbereitschaft. 

Die konkrete Aufgabe, inklusive der Pflichten und Befugnisse ergibt sich aus der „besonderen Wachanweisung“. 


Welchen Zeitraum erfasst „im Wachdienst“? 

Eine Wachverfehlung nach § 44 WStG kann nur in einem bestimmten Zeitraum begangen werden. Dieser bemisst sich nach dem Antritt des Wachdienstes bis zu dessen Beendigung

Vor Antritt des Wachdienstes werden die Soldaten „vergattert“. Bei der Vergatterung handelt es sich um ein Kommando des Offiziers vom Wachdienst, durch welches die Wachsoldaten den Wachvorgesetzten unterstellt werden. 

Die Erklärung „Wachdienst übernommen“ begründet den Beginn und „Wachdienst beendet“ bestimmt das Ende des Wachdienstes. 


Wodurch macht man sich wegen Wachverfehlung als Soldat der Bundeswehr strafbar?

Wie bereits erwähnt gibt es verschiedene Varianten der Wachverfehlung.


Vorsätzliche Wachverfehlung ohne Eintritt einer schwerwiegenden Folge 

Für die vorsätzliche Wachverfehlung ohne Eintritt einer schwerwiegenden Folge (§ 44 Abs. 1 WStG) sind drei Handlungen strafbar.

  1. Wachvorgesetzter unterlässt es, die Wache pflichtgemäß zu beaufsichtigen (Nr. 1) 
  2. Pflichtwidriges Verlassen des Postenbereiches oder Streifenwegs (Nr. 2)
  3. Außerstande setzen den Dienst zu versehen (Nr. 3) 


Die nicht pflichtgemäß erfolgte Beaufsichtigung der Wache kann ausschließlich durch Wachvorgesetzte begangen werden. Darunter fallen der Offizier und der stellvertretende Offizier vom Wachdienst, der Wachhabende und sein Stellvertreter, der Kasernenkommandant und dessen truppendienstliche Vorgesetzte. 

Die Pflicht zur Dienstaufsicht kann beispielsweise dadurch verletzt werden, wenn die untergebenen Soldaten nicht zur Erfüllung ihrer Pflichten des Wachdienstes angehalten werden oder keine Vorsorge getroffen wird, ob sie zur Ableistung des Dienstes geeignet sind. 


Das Verlassen des Postenbereiches oder Streifenweges kann nur durch die Wachmannschaft begangen werden. Sie kommen allein als Täter in Betracht, da nur für die Wachmannschaft ein Postenbereich und Streifenweg festgelegt sind. 

Entfernt sich ein Soldat der Wachmannschaft vorübergehend oder dauerhaft von dem Ort oder Weg, welcher ihm für die Erfüllung seiner Wachdienstpflicht zugewiesen wurde, so droht eine Strafe wegen Wachverfehlung.

Dies gilt jedoch nur, wenn der Täter zuvor seinen Posten bezogen hat oder den Streifenweg angetreten hat und erst nachträglich verlässt


Soldaten setzen sich außerstande ihren Dienst zu versehen, wenn ihre physische oder psychische Leistungsfähigkeit in einen Zustand versetzt wird, dass der Wachdienst nicht mehr pflichtgemäß erfüllt werden kann. 

Beispielhaft ist der Konsum von Alkohol oder anderen Betäubungsmitteln, Schlafen oder das Hören von Musik über Kopfhörer. 


Vorsätzliche Wachverfehlung mit Eintritt einer schwerwiegenden Folge (§ 44 Abs. 2 WStG)

Befolgen die Soldaten andere als die explizit aufgelisteten Wachdienstbefehle nicht und wird dadurch zumindest fahrlässig eine schwerwiegende Folge verursacht, liegt ebenfalls eine Wachverfehlung vor. 

Eine solche Handlung ist beispielsweise gegeben, wenn Befehle über die Personen- und Fahrzeugkontrolle missachtet werden. 

Der Eintritt einer schwerwiegenden Folge muss mindestens fahrlässig verursacht worden sein. 


Fahrlässige Wachverfehlung mit Eintritt einer schwerwiegenden Folge (§ 44 Abs. 5 WStG)

Die Wachverfehlung im Sinne des § 44 Abs. 1 oder 2 WStG kann auch strafbar sein, wenn sie nur fahrlässig begangen wurde. Fahrlässige Wachverfehlung ist aber nur dann strafbar, wenn dadurch zumindest fahrlässig eine schwerwiegende Folge verursacht wurde (§ 44 Abs. 5 WStG). 

Darunter kann beispielsweise das vorzeitige Verlassen des Wachpostens fallen, weil die Uhr vorgeht oder das Überschreiten des zugewiesenen Streifenweges, weil der Soldat sich verläuft. Wichtig ist aber, dass dem Soldaten ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden kann, er also eine ihm zumutbare und mögliche Sorgfaltspflicht verletzte und die Wachverfehlung vermeidbar war. Näheres zum Fahrlässigkeitsvorwurf erfahren Sie weiter unten.

Was ist eine „schwerwiegende Folge“ der Wachverfehlung?

Gemäß § 2 Wehrstrafgesetz ist eine „schwerwiegende Folge“ in diesem Sinne „eine Gefahr für

  • die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland
  • die Schlagkraft der Truppe
  • Leib oder Leben eines Menschen oder
  • Sachen von bedeutendem Wert, die dem Täter nicht gehören.“

Eine Gefahr liegt vor, wenn eine Schädigung der genannten Rechtsgüter wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit ist nicht ausreichend, dagegen muss noch kein Schaden eingetreten sein. 

Der Beschuldigte muss sie verursacht haben, indem er eine gegen die Dienstpflicht (z.B. Wachdienst) verstoßende Handlung vorgenommen hat. 


Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ist beispielsweise gefährdet, wenn geheime Informationen an ausländische Nachrichtendienste weitergegeben werden oder Fotoaufnahmen militärisch genutzter Teile eines Sondermunitionslagers. 

Es geht um die äußere und innere Sicherheit. 

Die Schlagkraft der Truppe setzt sich zusammen aus ihrer personellen und materiellen Einsatzfähigkeit, um die Aufgaben rechtzeitig erfüllen zu können.

Der Ausfall besonders qualifizierter Spezialisten oder die Beschädigung von Geräten oder Fahrzeugen ohne verfügbaren, gleichwertigen Ersatz, kann sich nachteilig auf die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte auswirken. 

Leib oder Leben eines Menschen sind gefährdet, wenn der Eintritt des Todes oder einer Körperverletzung wahrscheinlich ist. Diese Gefahr kann auch für den Täter selbst bestehen. 

Eine Sache von bedeutendem Wert liegt bei mindestens 750 € vor.  


Wann droht eine höhere Strafe für Wachverfehlung? Besonders schwerer Fall

Ein besonders schwerer Fall nach §§ 44 Abs. 4, 19 Abs. 3 WStG wird in der Regel angenommen, wenn durch die Wachverfehlung zumindest fahrlässig 

  • die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschlands oder 
  • die Schlagkraft der Truppe 

in die Gefahr eines schweren Nachteils gebracht wird oder 

  • eine andere Person dadurch getötet wird oder 
  • eine schwere Körperverletzung (z.B. durch den Verlust des Sehvermögens oder dauerhafte Unbrauchbarkeit wichtiger Körperglieder) erleidet. 

Die schwerewiegende Folge ist dabei auf die genannten Fälle begrenzt. 

Die Gefahr eines schweren Nachteils für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die Schlagkraft der Truppe setzt voraus, dass ein Nachteil von großem Gewicht droht. Beispielsweise bei der Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen, wodurch sich die Machtpositionen verschieben und dadurch die Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland geschwächt ist. 


Was bedeutet „fahrlässig handeln“ und „wenigstens fahrlässige Verursachung einer schwerwiegenden Folge“ bei der Wachverfehlung?

Der beschuldigte Soldat handelt fahrlässig, wenn er die Verwirklichung des Tatbestandes zwar nicht gewollt, jedoch die ihm mögliche und zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen hat.  

Dass durch sein Handeln eine Wachverfehlung verwirklicht wird, hätte er zudem voraussehen müssen

Die wenigstens fahrlässige Verursachung einer schwerwiegenden Folge setzt ebenso voraus, dass der Beschuldigte den Eintritt der schwerwiegenden Folge zwar nicht gewollt hat, jedoch die ihm mögliche und zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen hat und den Erfolg, d.h. in diesem Fall den Eintritt der schwerwiegenden Folge, hätte voraussehen können. 

Darüber hinaus muss die Gefahr, die in der Wachverfehlung bereits konkret angelegt ist, sich in der eingetretenen schwerwiegenden Folge verwirklicht haben. 


Vorwurf Wachverfehlung als Soldat der Bundeswehr – was soll ich tun?

Sollten Sie als Soldat der Bundeswehr mit dem Vorwurf der Wachverfehlung konfrontiert sein; eine Vorladung oder möglicherweise sogar schon eine Anklage erhalten haben, so sollten Sie zunächst Ruhe bewahren, zum Tatvorwurf schweigen und sich dann so bald wie möglich an einen erfahrenen und auf das Soldatenstrafrecht spezialisierten Anwalt für Strafrecht wenden. 

Dieser kann Sie umfassend über den Vorwurf und das weitere Vorgehen beraten und wird eine gerade für Ihren konkreten Fall passende Verteidigungsstrategie beraten. Auch kann er Sie hinsichtlich des nun oftmals drohenden Disziplinarverfahrens beraten. In unserer Kanzlei arbeitet dann der Anwalt für Strafrecht bei Bedarf mit den Anwälten im Verwaltungsrecht eng zusammen.

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