VW-Abgasskandal – Beschluss des BGH vom 08.01.2019 – VIII ZR 225/17

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Die Taktik des VW-Konzerns in den sogenannten „Abgasmanipulationsfällen“ war es, eine Rechtstreitigkeit über Instanzen zu treiben und letztendlich doch durch Abschluss eines Vergleiches eine höchstrichterliche Entscheidung durch den BGH zu vermeiden. Mehrere Verhandlungstermine vor dem BGH wurden bisher auf diese Weise „in letzter Minute“ aufgehoben. Der BGH hat allerdings aktuell seinen Beschluss vom 08.01.2019 – VIII ZR 225/17 veröffentlicht. Dort führt der BGH seine vorläufige Rechtsauffassung zu einigen relevanten Fragen aus. Kurz gefasst kann diesbezüglich folgendes hervorgehoben werden: 

I.

Der BGH bejaht, dass bei dem Motortyp der Baureihe EA 189 die unzulässige Abschalteinrichtung einen Mangel im Sinne des Kaufrechts darstellt, da, sofern ein vom Kraftfahrzeugbundesamt genehmigtes Softwareupdate nicht durchgeführt wurde, die Beschränkung oder die Untersagung der Erlaubnis zum Betrieb des Fahrzeuges auf öffentlichen Straßen droht / besteht. Der BGH führt unter Rz. 21 und 22 dieser Entscheidung wie folgt aus:

„3) Die im Falle einer (noch) nicht erfolgten Nachrüstung – zumindest latent bestehende Gefahr einer Betriebsuntersagung oder -beschränkung durch die Zulassungsbehörde hätte demnach aus kaufrechtlicher Sicht zur Folge, dass bei den betroffenen Fahrzeugen die Eignung für die gewöhnliche Verwendung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB fehlt. Eine entsprechende Eignung ist einer Kaufsache nicht erst dann abzusprechen, wenn ihre Tauglichkeit ganz aufgehoben, sondern bereits dann, wenn ihre Eignung herabgesetzt ist (vgl. Senatsurteile vom 26. April 2017 – VIII ZR 80/16, NJW 2017, 2817 Rn. 18 mwN; vom 26. Oktober 2016 – VIII ZR 240/15, aaO Rn. 15 f.). 

Von einer solch verminderten Eignung dürfte bei Fahrzeugen, die mit (noch) nicht nachgerüsteten Motoren des Typs EA 189 ausgestattet sind, aus-zugehen sein. Denn der Käufer eines solchen Fahrzeugs muss jederzeit damit rechnen, es aufgrund behördlicher Anordnung – unter Umständen sogar unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (vgl. etwa OVG Münster, Beschluss vom 17. August 2018 – 8 B 548/18, aaO Rn. 1) – nicht mehr im öffentlichen Straßenverkehr nutzen zu dürfen. Dies dürfte unabhängig davon gelten, ob die im jeweiligen Einzelfall zuständige Zulassungsbehörde bereits eine entsprechende Betriebsuntersagung nach § 5 Abs. 1 FZV ausgesprochen hat oder eine solche zunächst unterblieben ist. Die den Käufer an der gewöhnlichen Verwendung hindernde Beschaffenheit läge nämlich nicht erst in der behördlich verfügten Untersagung des Betriebs, sondern bereits in der durch die unzulässige Abschalteinrichtung hervorgerufenen Möglichkeit eines entsprechenden behördlichen Eingreifens (vgl. BGH, Urteile vom 18. Januar 2017 – VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666 Rn. 21 f., 28; vom 11. Dezember 1992 – V ZR 204/91, NJW-RR 1993, 396 unter II 2 [jeweils zum Rechtsmangel]).“

II.

An anderer Stelle führt der BGH aus, dass im Rahmen der Nacherfüllung die Änderung der Modellpalette und die Einführung des Nachfolgermodells grundsätzlich nicht hinderlich ist. In diesem Zusammenhang sei nicht auf die Fragestellung „Gattungsschuld“ oder „Stückschuld“, sondern vielmehr auf die vom Verkäufer vertraglich übernommenen Beschaffenheitspflicht abzustellen. Demnach ist grundsätzlich eine Nachlieferung auch bei einem Modellwechsel möglich, jedoch hebt der BGH unter Rz. 32 dieser Entscheidung folgendes hervor: 

 „(2) Bei der Bestimmung des Inhalts und der Reichweite der vertraglichen Beschaffungspflicht des Verkäufers dürfte zunächst dem aus den Gesetzesmaterialien hervorgehenden Vorrang des Anspruchs auf Nacherfüllung Rechnung zu tragen sein, der den §§ 437 ff. BGB zugrunde liegt und der einerseits dem Käufer das gewähren will, was dieser vertraglich zu beanspruchen hat, und andererseits dem Verkäufer eine letzte Chance einräumen will, den mit der Rückabwicklung des Vertrags verbundenen wirtschaftlichen Nachteil abzuwenden (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 93 ff., 220 f., 230; Senatsurteile vom 23. Februar 2005 – VIII ZR 100/04, BGHZ 162, 219, 226 f.; vom 7. Juni 2006 VIII ZR 209/05, aaO Rn. 19). Diese gesetzliche Wertung könnte das Berufungsgericht hinsichtlich des hier in Rede stehenden Nachlieferungsverlangens nicht hinreichend berücksichtigt und auf diese Weise vorschnell auf § 275 Abs. 1 BGB zurückgegriffen haben.“

 [Fettschreibung und Unterstreichung erfolgte durch den Verfasser des vorliegenden Vermerks!]

Der BGH stellt somit fest, dass im Rahmen einer Nachlieferung die Lieferung einer identischen Sache nicht erforderlich ist. Vielmehr ist insoweit darauf abzustellen, ob die Vertragsparteien nach ihrem erkennbaren Willen und dem Vertragszweck die konkrete Leistung als austauschbar angesehen haben. Demnach ist die Lieferung eines aktuellen Modells aus Sicht des BGH durchaus möglich und durch den Modelwechsel nicht ausgeschlossen. Dies ist eine für Käufer positive Feststellung des BGH:

Zu beachten ist, dass nach § 439 Abs.1 BGB, der Käufer die Wahl zwischen zwei Varianten der Nacherfüllung hat. In dieser Norm heißt es:

 (1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.

Allerdings hat der Verkäufer nach § 439 Abs.4 BGB die Möglichkeit die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unter bestimmten Voraussetzungen zu verweigern:

 (4) Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. Der Anspruch des Käufers beschränkt sich in diesem Fall auf die andere Art der Nacherfüllung; das Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern, bleibt unberührt.

 [Fettschreibung erfolgte durch den Verfasser des vorliegenden Vermerks!]

III.

Im Ergebnis klärt dieser BGH-Beschluss punktuell einige im Zusammenhang mit dem sogenannten „Diesel-Abgasfällen“ relevanten Fragen, beantwortet allerdings weitere für eine Masse von Betroffenen relevanten Fragen nicht. So wir nicht geklärt, wie der Sachverhalt zu bewerten ist, sollte der Käufer bereits ein Softwareupdate aufgespielt haben.

Auch die für Käufer mitunter sehr relevante Frage, inwieweit er verpflichtet ist, den Versuch einer Mängelbeseitigung durch ein Softwareupdate zu unterstützen und dieses aufspielen zu lassen bzw. ab wann er den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären und Schadensersatz verlangen kann, wird hier nicht geklärt. Wir bitten zu beachten, dass gemäß § 440 BGB eine Fristsetzung im Hinblick auf eine Nacherfüllung (§ 439 BGB) auch dann für entbehrlich gehalten wird, 

wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung gemäß § 439 Absatz 4 verweigert oder wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist.

 [Fettschreibung erfolgte durch den Verfasser des vorliegenden Vermerks!]

Es fragt sich, ob der Mangel, sofern in Folge des Softwareupdates der Entzug der Betriebserlaubnisses des Kfz nicht mehr droht, noch evtl. anderweitig gegeben ist. Evtl. müsste der Käufer hier z. B. darlegen, dass das Softwareupdate letztlich nicht ausreicht und evtl. die Leistungsfähigkeit des Motors und/oder seine Lebensdauer gemindert wird. Wobei diesbzüglich sich auch die Frage der Relevanz, z. B. des Abfalls der Leistungsfähigkeit des Motors um z. B. 2 bis 3 KW stellt.

Somit verbleiben noch einige offene Fragen im Zusammenhang mit den einschlägigen Sachverhaltskonstellationen, sodass die weitere Entwicklung der BGH-Rechtsprechung in diesem Zusammenhang abzuwarten bleibt. Es bleibt auch zu wünschen, dass Käufer, welche in einem vor dem BGH anhängigen Verfahren involviert sind, sich in diesem Stadium nicht mehr durch Vergleichsangebote des VW-Konzerns „locken lassen“, damit der BGH in diesem Sachverhalts- und Rechtskomplex durch seine Entscheidungen für Klarheit und Rechtssicherheit sorgt.

Zwecks Beratung sowie Durchsetzung Ihrer Rechte stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.


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