VW-Abgasskandal: Verjährung erst 2022 oder 2023, bzw. 10-jährige Verjährungsfrist gem. § 852 BGB

  • 4 Minuten Lesezeit

VW-Abgasskandal: Verjährungseintritt auch beim EA 189-Dieselmotor erst 2022 oder 2023, bzw. 10-jährige Verjährungsfrist aufgrund § 852 BGB

Nach dem Amtsgericht Marburg (Az. 9 C 891/19) sowie den Landgerichten in Kiel (Az. 17 O 124/20), Magdeburg (Az.: 10 O 1856/19) und Trier (Az. 5 O 173/20) hat nun auch das Landgericht Bayreuth in einem vom Autor dieses Artikels erstrittenen Urteil (Az. 41 O 416/20) festgestellt, dass im Diesel-Abgasskandal auch nach Ablauf der regulären dreijährigen Verjährungsfrist ein Anspruch auf Restschadensersatz nach § 852 BGB gegen die Volkswagen AG besteht, der erst zehn Jahre nach Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs verjährt.

Nach wie vor ist umstritten und höchstrichterlich nicht geklärt, wann im Dieselskandal um den EA 189 Motor der Volkswagen AG, welcher bis 2015 in vielen kleineren und Mittelklassemodellen von Volkswagen, Audi, Seat und Skoda verbaut worden ist, die Verjährungsfrist begonnen hat und abläuft.

Zwar ist der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 14.12.2020 (Az.: VI ZR 739/20) von Verjährung der Schadensersatzansprüche des Besitzers eines VW-Fahrzeugs mit EA 189 Dieselmotor ausgegangen. Allerdings lag insoweit eine außergewöhnliche Fallkonstellation zu Grunde, denn der Kläger hatte hier selbst eingeräumt, dass er bereits im Herbst 2015 Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom VW-Dieselskandal und seinen Schadensersatzansprüchen hatte. Dies ist aber absolut untypisch und eine seltene Ausnahme im Abgasskandal und lässt sich daher auf die meisten anderen Fälle nicht übertragen.

Die überwiegende Zahl der Amts-, Land- und Oberlandesgerichte in Deutschland geht hingegen bislang von einer Kenntnis der Klagepartei von der Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs vom Dieselskandal frühestens mit Erhalt des Rückrufschreibens des Kraftfahrtbundesamtes oder des Fahrzeugherstellers zum Software-Update aus. Da dies bei Fahrzeugen mit EA 189 Motoren erst im Jahr 2016 oder 2017 der Fall gewesen ist, wären dann Ansprüche erst Ende 2019 oder 2020 verjährt, bei anderen Motoren der Volkswagen AG und Audi AG und/oder anderer Hersteller sogar noch später.

Eine zunehmende Anzahl von Gerichten, auch darunter das Landgericht Bayreuth, sieht aber allein die bloße Kenntnis der Klagepartei von der Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs vom Dieselskandal nicht als maßgeblich an für den Verjährungsbeginn. Nach dieser Auffassung ist eine Klageerhebung überhaupt erst seit dem Beschluss des BGH vom 08.01.2019 (Az. VIII ZR 225/17) bzw. gar dem ersten BGH-Urteil im Dieselskandal vom 25.05.2020 (Az. VI ZR 252/19) zumutbar gewesen, aufgrund der bis dahin bestehenden Rechtsunsicherheit resultierend aus bundesweit zum Teil diametral auseinandergehenden Urteilen verschiedener Land- und Oberlandesgerichte, so dass somit Schadensersatzansprüche auch beim EA 189 sogar erst Ende 2022 oder 2023 verjähren würden.

Selbst aber, wenn sich diese im Vordringen befindliche klägerfreundliche Sichtweise der oben genannten Gerichte zum Beginn der Verjährungsfrist nicht beim Bundesgerichtshof durchsetzen sollte, bietet sich betroffenen Besitzern von Fahrzeugen mit dem VW Dieselmotor EA 189 mit dem Anspruch aus § 852 BGB eine weitere Möglichkeit, deliktischen Schadensersatz von VW zu beanspruchen.

In § 852 BGB heißt es: „Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an […].“

Demnach muss der von VW erschlichene finanzielle Vorteil an die Geschädigten zurückgegeben werden. Die Verjährung tritt dann frühestens nach zehn Jahren ab Kauf ein.

Allerdings kann auf der Grundlage dieser Vorschrift nur das verlangt werden, was der Schädiger tatsächlich erlangt hat. Die Vorschrift des § 852 BGB hilft Käufern gebrauchter Fahrzeuge daher nicht. Denn beim Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs fließt der Kaufpreis dem jeweiligen Verkäufer zu.

Anders ist das aber bei Kauf eines Neuwagens. Soweit das Fahrzeug unmittelbar vom Hersteller erworben wurde, dürfte die Herausgabepflicht nach § 852 BGB den gezahlten Kaufpreis umfassen. Erfolgte der Erwerb über einen Händler, so ist die Herausgabepflicht auf den Kaufpreis abzüglich der Händlermarge beschränkt.

Fazit: Die verbraucherfreundliche Sichtweise und entsprechenden Urteile verschiedener Gerichte zeigen, dass geschädigte Fahrzeugbesitzer auch 2021 noch erfolgreich klagen können.

Wer sich sittenwidrig auf Kosten eines anderen bereichert, muss noch bis zu zehn Jahre danach den daraus gezogenen finanziellen Vorteil zurückzahlen. Nachdem der Bundesgerichtshof bereits deliktische Ansprüche zugesprochen hat, steht geschädigten Dieselkäufern grundsätzlich Schadensersatz zu. § 852 BGB eröffnet VW, Audi, Seat und Skoda-Kunden einen weiteren Weg, selbst bei verjährten Schadensersatzansprüchen noch gemäß Restschadensersatzanspruch finanziell entschädigt zu werden.

Wichtiger Hinweis: Die vorgenannten Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf Euro 5- Dieselfahrzeuge von Volkswagen, Audi, Seat und Skoda der Baujahre 2008-2015 mit einem 4-Zylindermotor der internen Typbezeichnung EA189. Schadensersatzklagen betreffend Fahrzeuge mit anderen Motorentypen (etwa dem EA 288, EA 896 Gen. I oder Gen. II, EA 876 u. a.) sowie gegen andere Autohersteller wie Daimler. Opel oder Fiat sind hiervon nicht betroffen, da die entsprechenden Manipulationen und Schadensersatzansprüche erst deutlich später bekannt wurden, so dass sich hier aktuell noch keine Verjährungsproblematik stellt.

Lassen auch Sie sich jetzt kostenfrei zu Ihren rechtlichen Möglichkeiten im Abgasskandal beraten!

Der Autor dieser Information, Rechtsanwalt Dr. Dr. Christian Lorbach, MSc., ist seit über 15 Jahren sehr engagiert mit eigener Kanzlei in Bayreuth mit dem Schwerpunkt „Verbraucherrecht“ tätig und hat schon weit über 2000 Abgasskandalfälle kompetent und gewissenhaft bearbeitet und vor Gericht vertreten.

Er verfügt daher über fundierte Erfahrung und profundes Fachwissen in diesem Bereich, sowie hervorragende Kenntnisse der einschlägigen Rechtsprechung bundesweit, insbesondere aber auch der Landgerichte in Bayreuth, Hof, Bamberg, Schweinfurt, Coburg, Nürnberg-Fürth, Amberg, Weiden u. a.

Rechtsanwalt Dr. Dr. Lorbach bietet Ihnen eine kostenlose Ersteinschätzung zu Ihren rechtlichen Möglichkeiten und Erfolgsaussichten, kümmert sich ggf. um die Einholung einer Kostenübernahme durch Ihre Rechtsschutzversicherung und vertritt Sie kompetent außergerichtlich, sowie erforderlichenfalls auch bei der gerichtlichen Durchsetzung Ihrer Ansprüche. Wir freuen uns über Ihre baldige Kontaktaufnahme.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Dr. Christian Lorbach

Beiträge zum Thema