Wann kann es steuerunschädlich sein, das Familienheim zu verlassen, § 13 I Nr. 4b Satz5 ErbStG

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In der erbschaftsteuerlichen Praxis spielen Steuerbefreiungen eine bedeutende Rolle. Dies gilt sowohl für das Privat-als auch für das Betriebsvermögen.

Einer der häufigsten Anwendungsfälle der Steuerbefreiung betrifft das sogenannte Familienheim. Dies ist das Haus oder die Wohnung, die ein Erblasser im Zeitpunkt des Todes bewohnt hat und die in seinem Eigentum stand. So auch in dem Fall, von dem hier zu berichten ist.

Ein Ehepaar bewohnte ein Einfamilienhaus, das in gemeinschaftlichem Eigentum stand. Der Ehemann verstarb im Jahre 2017, er wurde von der Ehefrau beerbt. Diese bewohnte weiter das Einfamilienhaus und machte die Steuerbefreiung für das Familienheim gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 b Erbschaftssteuergesetz geltend. Im Jahre 2019 veräußerte sie das Familienheim, erwarb eine Eigentumswohnung und bezog diese. Das Finanzamt, das zunächst die Steuerbefreiung gewährt hatte, widerrief diese, da die Behaltefrist von zehn Jahren, die in der Vorschrift vorgesehen ist, nicht eingehalten. Die Steuerpflichtige berief sich darauf, dass es ihr psychisch nicht möglich sei, weiter das eheliche Anwesen zu bewohnen und dies Depressionen hervorgerufen hätte. Hierzu legte sie ein ärztliches Attest vor. Die gegen den Widerruf gerichtete Klage wurde in der ersten Instanz abgewiesen, da aus Sicht des Gerichts keine zwingenden Gründe vorlagen, die die Klägerin an der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert hätten.

In der zweiten Instanz war der Klägerin mehr Erfolg beschieden. Der Bundesfinanzhof hob das erstinstanzliche Urteil auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurück.

Der Bundesfinanzhof , Urteil vom 01.12.2021, Az. II R 1/21, nimmt zwingende Gründe im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4b  Satz 5 Erbschaftssteuergesetz dann an, wenn die Selbstnutzung objektiv unmöglich oder aus objektiven Gründen unzumutbar ist. Derartige Gründe können auch dann vorliegen, wenn die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Steuerpflichtigen so gravierend sind, dass ihm eine selbstständige Haushaltsführung in dem Familienheim unzumutbar gemacht wird. Es ist nicht zu fordern, dass dem Steuerpflichtigen jegliche Haushaltsführung – auch andernorts – unmöglich ist. Insoweit wird das Finanzgericht nun zu ermitteln haben, ob die von der Steuerpflichtigen behauptete Erkrankung eine derartige Qualität hatte, dass unter Anlegung eines strengen Maßstabs die Selbstnutzung des Familienheims unzumutbar war.

Das BFH-Urteil ist ein erfreulicher Hinweis, der in vergleichbaren Fällen die Finanzverwaltung doch intensiver prüfen lassen sollte, ob eine Selbstnutzung unzumutbar ist. Dieses Merkmal wird in der Praxis häufig nur dann als erfüllt angesehen, wenn eine eigenständige Selbstnutzung einer Immobilie generell nicht mehr möglich war. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn der überlebende Ehegatte vom Familienheim ins Pflegeheim umzog.

Es bleibt abzuwarten, ob der vorliegende Fall noch einmal zum Bundesfinanzhof gelangt. Hier dürfte entscheidend sein, ob durch die vorgetragene Beeinträchtigung der Begriff der zwingenden Gründe vor dem Hintergrund der bestehenden Gutachten erfüllt wird oder nicht. Insoweit ist eine weitere Konkretisierung wünschenswert.


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