Was sagten die Gerichte zum Mobbing am Arbeitsplatz im Jahr 2019?

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Für 19 Mitarbeiter der France Télecom kam das im Dezember 2019 verkündete Urteil des Pariser Strafgerichts leider zu spät. Infolge einer institutionalisierten Mobbing-Kampagne des Unternehmens nahmen sich diese Mitarbeiter im Laufe Ihrer Beschäftigung in den Jahren 2008 bis 2010 das Leben. Das Terror-Management des Unternehmens war darauf ausgerichtet Mitarbeiter loszuwerden und wies Führungskräfte an, Mitarbeiter unter einen enormen Leistungsdruck zu setzen, ihnen minderwertige Tätigkeiten zuzuweisen, sowie diese weit weg von ihrem Wohnort und ihrer Familie zu versetzen. Ihre Anschuldigungen hielten einige der Opfer in Abschiedsbriefen fest und sorgten für ein in die Rechtsgeschichte eingehendes Urteil, welches die Täter nicht nur zu Haft- und Geldstrafen bis zu 75.000,00 € verurteilte, sondern auch Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe nach sich zog.

Mobbingvorwürfe sorgten auch in Deutschland im Jahr 2019 wieder für aktuelle Rechtsprechung der Arbeits- und Verwaltungsgerichte. Einige relevante Urteile werden im Rahmen der folgenden Ausführungen vorgestellt:

Landesarbeitsgericht Berlin – Brandenburg Urteil v. 24.10.2019 – 10 Sa 704/19

In diesem Fall wehrte sich eine Arbeitnehmerin mit Erfolg gegen Mobbinghandlungen ihres Arbeitgebers und erstritt aufgrund der systematischen Persönlichkeitsrechtsverletzungen eine Schmerzensgeldsumme von 7.000,00 €. Nach positivem Ausgang eines Kündigungsschutzverfahrens Jahr 2014 wurde die Arbeitnehmerin von ihrem Arbeitgeber weiterbeschäftigt wurde jedoch immer wieder gedemütigt indem

  • ihre Rückkehr trotz ihrer herausgehobenen Stelle nicht offiziell im Betrieb angekündigt wurde
  • sie nicht im Organigramm des Unternehmens aufgenommen wurde,
  • sie monatelang kein Namensschild an ihrer Tür erhielt,
  • sie trotz kontinuierlicher Nachfragen kein Feedback zu ihrer Arbeitsleistung bekam,
  • ihr die Kommunikation mit anderen Mitarbeitern grundlos untersagt wurde,
  • indem auch anderen Mitarbeitern untersagt wurde mit der Klägerin zu kommunizieren,
  • indem ihr suggeriert wurde, die von ihr zu erledigenden Aufträge hätten keinen Mehrwert und
  • indem sie mit minderwertigen Aufgaben beschäftigt wurde (Ablage und Erfassung von mehr als 1000 Bewertungsbögen von Kunden).

Im Ergebnis sah das Landesarbeitsgericht im Vergleich zur Vorinstanz eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts als gegeben an, lehnte es aber ab, die von der Klägerin 20.000,00 € zuzusprechen. Die Reduzierung des Schmerzensgeldes begründete das Gericht damit, die Klägerin habe die nachhaltigen Folgen und die Nachwirkungen der Mobbinghandlungen über das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten hinaus im erstinstanzlichen Verfahren nicht ausreichend dargelegt.

Verwaltungsgerichtshof München Beschluss v. 29.03.2019 – 3 ZB 16.1749

Weniger Erfolg hatte ein Beamter, der gegen seinen Dienstherren wegen eines durch Mobbinghandlungen erlittenen gesundheitlichen Schaden vorging, weil er den ihm zur Verfügung stehenden Primärrechtsschutz nicht ausreichend ausgeschöpft habe. Dem Beamten stehe es frei, im Wegen der Dienstaufsichtsbeschwerde und der Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes gem. § 839 III BGB analog seinen Dienstherren zur Einhaltung seiner Fürsorgepflicht anzuhalten bzw. Unterlassung der Mobbinghandlungen zu fordern. Der von Mobbing betroffene Beamte sei in diesem Fall seiner Schadensminderungspflicht nicht ausreichend nachgekommen, da er die Dienstaufsichtsbeschwerde erst knapp 3 Jahre nach Beginn der Mobbinghandlungen eingereicht habe. Der Einwand der Unzumutbarkeit einer solchen Beschwerde zu einem früheren Zeitpunkt griff nicht durch. Der VGH führte aus, die Gefahr, dass der Beamte seinem Vorgesetzten weiterhin ausgesetzt wäre, darf nicht dazu führen, dass er sehenden Auges alles „schluckt“, sich im Nachhinein auf Mobbing beruft und Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend macht.

Arbeitsgericht Berlin Urteil v. 15.08.2019 – 44 Ca 8580/18

In diesem Fall wurde der Arbeitgeber von seinen Vorgesetzten kontinuierlich wegen seiner ostdeutschen Herkunft stigmatisiert und gedemütigt. Daraufhin verklagte er seinen Arbeitgeber auf 800.000,00 € Schadensersatz. Das Arbeitsgericht ging jedoch auch in diesem Fall davon aus, der Mitarbeiter habe seinen Arbeitgeber nicht rechtzeitig auf die Gefahr eines Schadenseintritts aufmerksam gesagt und wies die Klage wegen seines Mitverschuldens als unbegründet ab.

Verwaltungsgericht Halle Urteil v. 27.03.2019 – 5 A 519/16

Den Primärrechtsschutz hat die klagende Beamtin hier vor der gerichtlichen Schmerzensgeldforderung ausgeschöpft und erstritt eine stolze Summe von 23.000,00 €. Die Stadtverwaltungsoberrätin wurde von dem Oberbürgermeister kontinuierlich in ihrer Würde herabgesetzt und erniedrigt. Der VG stellte fest, dass der Klägerin

  • eine geringwertigere und nutzlose Tätigkeit zugewiesen wurde,
  • die Zuweisung der Tätigkeit auf eine diskriminierende Art und Weise erfolge, da sie dazu nicht vorher angehört worden ist und
  • ihr ein unwürdiges Büro zugeteilt wurde (Dachgeschoss, wenig Tageslicht, Arbeitsschutzmaßnahmen nicht eingehalten).

Bemerkenswert sind die Ausführungen des VG im Zusammenhang mit der Zuweisung des anderen Büros. Das Gericht stellte sich nach Durchsicht der von der Klägerin vorgelegten Lichtbilder der Räumlichkeiten auf den Standpunkt, diese ließen sich aufgrund ihres heruntergekommenen Eindrucks allenfalls als ein Lagerraum bezeichnen. Als Stadtverwaltungsrätin habe die Klägerin außerdem das Anrecht auf eine bessere Unterbringung als normale Sachbearbeiter. Die Zuweisung eines solchen abgelegenen und unansehnlichen Büros sei zugleich mit einem nach außen dargestellten Abstieg der Klägerin aus der Führungsebene verbunden. Dies sei – neben der nicht angemessenen Beschäftigung – sinnfälliger Ausdruck einer Degradierung ohne Beachtung des ihr verliehenen Amtes.

Die vorgestellten Fälle zeugen davon, dass von Mobbing betroffene Arbeitgeber sich durchaus mit Erfolg gegen die unangemessenen Behandlungen ihrer Vorgesetzten oder Kollegen wehren können. Hierzu bedarf es jedoch eines strukturierten und planvollen Vorgehens, welches mit einer kontinuierlichen Dokumentation der vorgefallenen Ereignisse und der rechtzeitigen Einleitung rechtlicher Schritte verbunden ist.

Hierzu halten mich meine von Mobbing betroffenen Mandanten über ihre Erlebnisse auf der Arbeit mithilfe von kurzen Wochenberichten auf dem Laufenden in denen sie festhalten wann sie mit dem und wo über welches Thema gesprochen haben, wer gegebenenfalls dabei war und den Vorfall bestätigen kann usw.

Fragen zu diesem sehr anspruchsvollen und sensiblen arbeitsrechtlichen Thema beantworte ich Ihnen gerne im Rahmen einer Beratung über E-Mail oder einer Videokonferenz mithilfe von Zoom.

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