Weitergabe privater Nachrichten rechtfertigt außerordentliche Kündigung – Urteil des LAG Köln

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Mit Urteil vom 02.11.2021 hat sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln (siehe folgenden Link) mit der Frage befasst, ob das Lesen und Weitergeben von Privatnachrichten von Kollegen eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann. 

Das LAG Köln kommt zu folgendem Ergebnis: „Das Lesen einer offensichtlich an einen anderen Adressaten gerichtete Email sowie das Kopieren und die Weitergabe des Emailanhangs (privater Chatverlauf) an Dritte kann im Einzelfall eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen, auch wenn eine Zugriffsberechtigung auf das Emailkonto für dienstliche Tätigkeiten vorliegt.“ (amtlicher Leitsatz).


Worum geht es in dem Fall?

Die Arbeitnehmerin war als Künstlerin in der Verwaltung der des kirchlichen Betriebes der Klägerin tätig. Die beklagte Arbeitgeberin gewährte einer geflüchteten Frau im Jahr 2019 Kirchenasyl.

Nachdem die asylsuchende Frau, die an psychischen Problemen litt, im Oktober 2019 einen Suizidversuch unternahm, verschaffte sich die Arbeitnehmerin Mitte November 2019 Zugriff auf das E-Mailkonto der Beklagten. Aus einer der E-Mails von November 2019, die der Superintendent der Beklagten an einen Pfarrer sandte, wies der Superintendent den Pfarrer auf das gegen ihn laufende Ermittlungsverfahren wegen eines möglicherweise strafrechtlich relevanten Fehlverhaltens in Umgang mit der asylsuchenden Frau hin. Die Arbeitnehmerin speicherte diese E-Mail und die weiteren privaten Chatverläufe zwischen dem Pfarrer und der asylsuchenden Frau auf einem USB-Stick. Sodann übergab die Arbeitnehmerin den USB-Stick an die Staatsanwaltschaft und einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin der Arbeitgeberin.

Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Pfarrer wurde im August 2020 eingestellt. Im September 2020 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund. Zur Begründung führte sie u.a. aus, die Arbeitnehmerin habe schwerwiegend gegen ihre Verschwiegenheitspflicht bezüglich dienstlicher Vorgänge verstoßen und die privaten Chatverläufe Schädigungsabsicht an Dritte weitergegeben.


Was hat das LAG Köln entschieden?

Das LAG Köln hält die außerordentliche Kündigung für wirksam. Nach Ansicht des LAG Köln liegt ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei der Arbeitgeberin nicht unzumutbar. Zunächst bestätigt das LAG Köln – wie auch schon das Arbeitsgericht Aachen –, dass rechtswidrige Datenverarbeitungen durch den Arbeitnehmer, die mit Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts z.B. anderer Arbeitnehmer einhergehen, bei entsprechender Schwere des Verstoßes an sich geeignet sind, einen wichtigen Kündigungsgrund zu begründen. Bereits das Öffnen und Lesen der E-Mails begründeten einen Pflichtenverstoß, und zwar unabhängig davon, ob diese gezielt gesucht oder von der Arbeitnehmerin zufällig entdeckt wurden. Durch die erfolgte Weitergabe der E-Mails und der Chatverläufe habe die Arbeitnehmerin den vorherigen Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Schutz- und Rücksichtnahmepflicht vertieft, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Pfarrers und der asylsuchenden Frau verletzt sowie einen weiteren Datenschutzverstoß durch rechtswidriges Verbreiten begangen.

Das LAG kommt nach einer entsprechenden Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass der vorherige Ausspruch einer Abmahnung nicht angezeigt war. Dabei zeige der Umstand, dass die Arbeitnehmerin den E-Mail- und Chatverkehr nicht gegenüber der asylsuchenden Frau offengelegt hatte. Auf den konkreten Inhalt der offengelegten Kommunikation komme es ferner nicht an. Erheblich sei, dass die vertrauliche Kommunikation des Pfarrers und der asylsuchenden Frau die Privatsphäre und damit die grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechte beider Personen betrifft. Hinzu komme, dass die Arbeitnehmerin mit der Weitergabe des USB-Sticks die Kontrolle über die Verbreitung der rechtswidrig erlangten Daten abgegeben habe.


Was folgt darauf für die Praxis?

Das Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes ist in der Praxis häufiger Streitpunkt. Insoweit ist das vorliegende obergerichtliche Urteil des LAG Köln hilfreich für die grds. Bewertung von Pflichtverletzungen und darauf gegründeter außerordentlicher – aber auch ordentlicher – Kündigungen. Besonders hervorzuheben ist, dass das LAG Köln schon die Verletzung des Datenschutzrechts durch Arbeitnehmer als relevanten Pflichtverstoß erachtet und die Pflichtverletzung nicht von dem konkreten Inhalt der Kommunikation abhängig macht. Zudem zeigt der vorliegende Fall, dass die Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls und der vorzunehmenden Interessenabwägung durchaus schwierig sein kann, vor allem mit Blick auf die Notwendigkeit des Ausspruchs einer vorherigen Abmahnung. Für Arbeitgeber dürfte das LAG-Urteil Ansporn dafür sein, in ihren Unternehmen die besondere Wichtigkeit der Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen durch Arbeitnehmer hervorzuheben.


Foto(s): Bild von StockSnap auf Pixabay

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