Wird eine Abfindung auf das Arbeitslosengeld (ALG I) angerechnet?

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Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge zur einvernehmlichen Beendigung von Arbeitsverhältnissen sehen in der Regel die Zahlung einer Abfindung an den Arbeitnehmer vor. Entsprechendes gilt für gerichtliche Vergleiche, die zur einvernehmlichen Beilegung von Kündigungsschutzprozessen geschlossen werden.

Für Arbeitnehmer stellt sich in beiden Fällen die Frage, ob die Abfindung auf das Arbeitslosengeld angerechnet wird. Dies ist nicht der Fall; eine Anrechnung der Abfindung findet also nicht statt.

Allerdings kann die Zahlung einer Abfindung dazu führen, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf ALG I für eine gewisse Zeit ruht. Dies ist dann der Fall, wenn durch den Aufhebungsvertrag (bzw. den gerichtlichen Vergleich) die für den Arbeitgeber maßgebliche ordentliche Kündigungsfrist abgekürzt wird (vgl. § 158 SGB III).

Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, Gestaltungen zum Nachteil der Arbeitslosenversicherung zu verhindern. Denn ohne § 158 SGB III könnten Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die Idee kommen, das Arbeitsverhältnis zu einem früheren als dem regulären Kündigungstermin zu beenden und die dadurch vom Arbeitgeber ersparten Gehaltszahlungen als Abfindung zu deklarieren bzw. zur Erhöhung einer bereits angebotenen Abfindung zu nutzen. Der Arbeitnehmer würde auf diese Weise früher arbeitslos, was zu Lasten der Solidargemeinschaft ginge.

Während des von § 158 SGB III angeordneten Ruhens kann der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf ALG I nicht geltend machen. Im Ergebnis verzögert sich durch das Ruhen aber nur der Beginn der Arbeitslosengeldzahlung. Die Anspruchsdauer selbst wird - anders als bei einer Sperrzeit (!) - nicht verkürzt. Die zeitliche Verschiebung des ALG I-Bezugs führt zu einer Liquiditätslücke, die vom Arbeitnehmer überbrückt werden muss.

Der Anspruch auf ALG I ruht bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der geltenden ordentlichen Kündigungsfrist hätte kündigen können.

Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber - z.B. aufgrund tarifvertraglicher Regelungen - ausgeschlossen, sieht das Gesetz in § 158 Abs. 1 Nr. 1 SGB III eine fiktive Kündigungsfrist von 18 Monaten vor. Kann das Arbeitsverhältnis nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden, so gilt eine fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr.

Tatsächlich ist der Ruhenszeitraum aber auch in den vorgenannten Fällen kürzer. Denn zum einen beträgt die Höchstgrenze für das Ruhen des Anspruchs ein Jahr, § 158 Abs. 2 S. 1 SGB III. Zum anderen ist der Ruhenszeitraum gemäß § 158 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB III durch dasjenige Datum begrenzt, bis zu dem der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während des letzten Beschäftigungsverhältnisses kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von 60 Prozent der nach § 158 Abs. 1 SGB III zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung als Arbeitsentgelt verdient hätte. Zudem vermindert sich der Anteil der Abfindung, der für die Berechnung des Ruhenszeitraums zu berücksichtigen ist, prozentual sowohl für je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses als auch für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres um je 5 Prozent. Der zu berücksichtigende Teil der Abfindung darf aber 25 Prozent nicht unterschreiten.

Die Berechnung des Ruhenszeitraums ist häufig recht komplex. Es ist daher empfehlenswert, eine qualifizierte fachanwaltliche Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen, um unschöne Überraschungen zu vermeiden, die auch weitere sozialversicherungsrechtliche Aspekte mit einbezieht. So besteht beispielsweise während des Ruhenszeitraums kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine begrenzte Absicherung wird aber dadurch erreicht, dass § 19 Abs. 2 SGB V den Krankenversicherungsschutz Versicherungspflichtiger auf einen Monat nach dem Ende der Pflichtmitgliedschaft erstreckt.


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