Wirecard - Ernst & Young im Focus

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Den Skandal verfolgen wir bereits seit länngerer Zeit (vgl. Wirecard - Untersuchungsausschuss, Insolvenzverfahren, Untersuchungshaft, Fahndung)


In dem Kapitalanleger-Musterverfahren (KapMuG-Verfahren) in Sachen Wirecard AG (Az.: 101 Kap 1/22) hat der unter anderem für Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) zuständige 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) inzwischen den Musterkläger bestimmt.

Über folgende Sachverhalte (sog. Feststellungsziele) soll das Musterverfahren – grob zusammengefasst - entscheiden:

  • Unrichtigkeit der Geschäftsberichte der WIRECARD AG
  • WIRECARD AG war spätestens 2015 bewusst, dass die Treuhandkonten nicht die veröffentlichten Bankguthaben aufwiesen
  • Markus Braun hat als Vorstandsmitglied die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft unrichtig wiedergegeben oder verschleiert
  • Durch die Veröffentlichung falscher Geschäftsberichte haben sowohl die WIRECARD AG als auch Markus Braun sittenwidrig gehandelt
  • grds. Schadensersatzpflicht von Ernst & Young, insb. Klärung des Vorsatzes im Hinblick auf die Beihilfe zum Verstoß gegen die Publizitätspflichten der WIRECARD AG
  • Der Kursdifferenzschaden ist ohne konkreten Kausalitätsnachweis ersatzfähig


1. Zum Verfahren

Nach der öffentlichen Bekanntmachung des Musterklägers, der Musterbeklagten und des Aktenzeichens des Musterverfahrens im Klageregister konnten innerhalb einer Frist bis spätestens

16.09.2023 Ansprüche schriftlich gegenüber dem BayObLG zum Musterverfahren angemeldet werden.

Dabei müssen sich die Anmelder durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen.


Eine individuelle Klageerhebung ist auch trotz des Musterverfahrens für jeden Geschädigten  notwendig, da das BayObLG im KapMuG-Verfahren nicht prüft, ob der jeweilige Anleger einen Anspruch hat, sondern lediglich bestimmte allgemeine Aspekte, die jedes Verfahren betreffen, prüft und feststellt (s.o.).

Im KapMuG-Verfahren wären Sie (bei eigener Klageerhebung) als sog. Beigeladener beteiligt, was sich insbesondere im Falle eines Vergleiches positiv auswirken dürfte.

Die Anmeldung eines Anspruches begründet demgegenüber keine Beteiligung am Musterverfahren. Ebenso wenig werden die Anmelder in einen möglichen Vergleich mit einbezogen.


Doch die Erhebung einer individuellen Klage ist dennoch (spätestens) nach Abschluss des Musterverfahrens erforderlich, um den Schadensersatzanspruch geltend zu machen.

Vor dem Hintergrund der Regelverjährung von drei Jahren ist von einem Verjährungseintritt mit Ablauf des 31.12.2023 zu rechnen.


2. Zum Anspruch

Die Beschlusskammer „Berufsaufsicht“ der Abschlussprüferaufsicht hat am 31. März 2023 entschieden. Sie sieht bei der Prüfung der Abschlüsse der Wirecard AG und der Wirecard Bank AG in den Jahren 2016 bis 2018 Berufspflichtverletzungen als erwiesen an und hat erhebliche Sanktionen gegen Ernst & Young selbst und fünf Wirtschaftsprüfer verhängt.

Damit ist zwar eine Schadensersatzpflicht von Ernst & Young (noch) nicht festgestellt, auch kann die wirtschaftliche Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen nicht abschließend vorhergesagt werden.

Die Entscheidung ist jedoch ein Beleg für die Schwere der Verfehlungen von Ernst & Young bei der Prüfung von Wirecard.


Auf dieser Grundlage dürfen geschädigte Aktionäre der Wirecard durchaus die berechtigte Erwartung hegen, dass Ernst & Young auf Grundlage der Feststellungen des Musterverfahrens im jeweiligen individuellen Klageverfahren zum Schadensersatz verpflichtet wird.

Geltend gemacht werden können Investitionen in alle Aktien, Derivate und Anleihen, die zwischen dem 01.01.2010 und dem 22.06.2020 getätigt wurden, wobei Verkaufserlöse mindernd zu berücksichtigen sind.


3. Zum Vorgehen

Im Falle einer unmittelbaren Klageerhebung würde das Verfahren beim Landgericht ausgesetzt und erst nach Abschluss des KapMuG-Verfahrens des BayObLG wieder aufgenommen. Die Verjährung wäre gehemmt.


Fazit

Anleger und Investoren sehen sich in derartigen Fällen nicht selten dem möglichen Verlust ihres eingebrachten Kapitals gegenüber.

Doch sie sollten sich nicht grundsätzlich abhalten lassen, ihre Ansprüche zu verfolgen

Mit derartigen Fällen beschäftigt sich Rechtsanwalt Rainer Lenzen von der Kanzlei für Wirtschaftsrecht Bank- und Kapitalmarktrecht – Rechtsanwalt Rainer Lenzen bereits seit Jahren, er vertritt geschädigte Anleger, außergerichtlich wie auch in gerichtlichen Verfahren.

Nicht selten kommt es auch zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, regelmäßig sind die Verfahren jedoch nicht vor Eintritt der zivilrechtlichen Anspruchsverjährung abgeschlossen.

Ansprüche der Anleger in solchen Zusammenhängen sind differenziert zu prüfen und können sich beispielsweise gegen die Gesellschaft (Emittentin) selbst, aber auch gegen Berater bzw. Beratungsunternehmen, Vermittler oder andere Personen wie Gründer oder auch Gesellschafter, Hintermänner, die Geschäftsführung, ggf. Treuhänder oder auch Wirtschaftsprüfer richten.

Die Vertragsbedingungen und Darstellungen der Anbieter, aber auch Meldungen und Geschäftsberichte sollte ein mit den Themen vertrauter Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht prüfen, nicht selten sind dort Anhaltspunkte zu finden, auf deren Grundlage die Investitionen rückabzuwickeln oder anderweitige Schadensersatzansprüche gegeben sein können.

Gerne stehen wir Ihnen zur Seite!



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