Zwangsvollstreckung in Italien nach Inkrafttreten der Verordnungen Nr. 1215/2012 und Nr. 655/2014

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Sicherungsbeschlagnahme und Zwangsvollstreckung in Italien nach Inkrafttreten der Verordnungen Nr. 1215/2012 und Nr. 655/2014

Mit den europäischen Verordnungen Nr. 1215/2012 und Nr. 655/2014 soll die Schuldeneintreibung im europäischem Raum weiterhin erleichtert werden.

Was können Sie tun, wenn Sie einen italienischen oder einen deutschen Vollstreckungstitel (z. B. Urteil oder Mahnbescheid) haben und in einem anderen europäischen Land vollstrecken möchten?

Welche Möglichkeiten gibt es, um zu verhindern, dass der Schuldner Vermögenswerte beiseiteschafft?

Der folgende Artikel soll einige grundlegende Fragen beantworten.

Ist ein deutscher Vollstreckungstitel in Italien vollstreckbar?

Ja, wenn das Verfahren nach dem 10. Januar 2015 eingeleitet worden ist, kann der Gläubiger von dem deutschen Gericht das durch Verordnung Nr. 1215/2012 vorgesehene Formular beantragen, das die Vollstreckbarkeit des Titels bestätigt. Mit diesem Formular kann der deutsche Titel zu denselben Bedingungen vollstreckt werden, wie ein italienischer Titel.

Wenn die Forderung nicht bestritten ist, kann die Vollstreckbarkeit auch unter Anwendung der Verordnung Nr. 805/2004 ausgestellt werden.

Umgekehrt gilt das Gleiche: Wenn der Titel vor einem italienischen Gericht erwirkt wurde kann er in Deutschland, ohne vorheriges Anerkennungsverfahren, vollstreckt werden.

Welche Möglichkeiten gibt es, wenn unbekannt ist, ob der Schuldner in Italien über vollstreckbares Vermögen verfügt?

Wenn ein Vollstreckungstitel vorhanden ist, kann gem. Art. 492 italienisches Zivilprozessbuch mittels Gerichtsvollzieher oder direkt Auskunft von Banken und öffentlichen Datenbanken über vollstreckbare Vermögensgegenstände verlangt werden.

Die Verordnung Nr. 655/2014 sieht ebenfalls einen Anspruch auf Auskunftserteilung über Vermögenswerte vor. Voraussetzung ist das Vorhandensein eines Titels, der aber noch nicht vollstreckbar sein muss.

Falls noch kein Titel vorhanden ist, besteht die Möglichkeit, diese Informationen gegen Bezahlung von spezialisierten Detekteien zu erlangen.

Wie ist vorzugehen, wenn noch kein Titel vorhanden ist und die Gefahr besteht, dass der Schuldner Wertgegenstände verschwinden lässt?

Wenn die Wertgegenstände in Italien liegen, kann nach italienischem Recht eine Sicherungsbeschlagnahme erfolgen. Gem. Art. 35 der Verordnung Nr. 1215/2012 kann ein Gericht die Sicherungsbeschlagnahme bewilligen, auch wenn das Gericht in der Hauptsache nicht zuständig ist. Außerdem sieht der Art. 669 der italienischen Zivilprozessordnung vor, dass das italienische Gericht immer zuständig ist, wenn die Sicherungsbeschlagnahme am Gerichtsort vollstreckt werden soll.

Wenn das deutsche Gericht in der Hauptsache zuständig ist, kann alternativ gemäß der Verordnung 1215/2012 die Sicherungsbeschlagnahme in Deutschland beantragt und in Italien ausgeführt werden.

Die Verordnung Nr. 655/2014 bietet ab dem 18. Januar 2017 noch eine zusätzliche Möglichkeit: Der Gläubiger kann eine vorläufige Kontopfändung in Deutschland oder Italien (je nach Zuständigkeit) beantragen.

Was sind die Vor- und Nachteile einer vorläufigen Kontopfändung im Sinne der Verordnung Nr. 655/2014?

Das italienische Vollstreckungsrecht sieht vor, dass die Vollstreckung erst eingeleitet werden kann, nachdem dem Schuldner eine Zahlungsaufforderung („precetto“) zugestellt wurde. Dies bringt das Risiko mit sich, dass der Schuldner Vermögen beiseiteschafft, bevor vollstreckt werden kann.

Die Zustellung eines „precettos“ entfällt bei der vorläufigen Kontopfändung. Der „Überraschungseffekt“ ist als Vorteil zu werten.

Im Gegenzug kann der Richter von dem Gläubiger, der die vorläufige Kontopfändung beantragt, falls noch kein vollstreckbarer Titel vorhanden ist, eine Garantie verlangen. Ist der Wert der zu vollstreckenden Forderung sehr hoch, kann es für den Gläubiger schwierig sein, diese aufzubringen.

Vor welchem Gericht muss die vorläufige Kontopfändung beantragt werden?

Wenn die vorläufige Kontopfändung erfolgen soll, bevor ein Vollstreckungstitel vorliegt, ist grundsätzlich das Gericht zuständig, das in der Hauptsache zuständig wäre. Die Zuständigkeit bestimmt sich nach der Verordnung Nr. 1215/2012.

Liegt bereits ein Titel vor, ist das Gericht zuständig, das den Vollstreckungstitel erlassen hat.

Welche Möglichkeiten der Zwangsvollstreckung gibt es?

Das italienische Zivilprozessrecht sieht folgende Möglichkeiten der Zwangsvollstreckung vor:

  • Mobiliarvollstreckung
  • Immobiliarzwangsvollstreckung
  • Zwangsvollstreckung bei Dritten (insbesondere Kontopfändung oder Pfändung von Gehältern)
  • Naturalexekution

Auf die nächsten Schritte der europäischen Union darf man gespannt sein. Es ist zu erwarten, dass weitere Gesetze, die Einfluss auf die Gesetzgebung der einzelnen Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Zwangsvollstreckung haben, verabschiedet werden.



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