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Grenzenlos befristet beschäftigt

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Christian Günther anwalt.de-Redaktion

[image]In 11 Jahren erhielt eine Beschäftigte des Landes Nordrhein-Westfalen 13-mal befristete Arbeitsverträge. Laut Europäischem Gerichtshof ist das zulässig, solange ein sachlicher Grund vorliege. Frau Kücük war von 1996 bis 2007 als Justizangestellte beim Amtsgericht Köln beschäftigt. In dieser Zeit hatte sie 13-mal mit der Ungewissheit zu leben, ob ihre immer wieder befristeten Arbeitsverträge verlängert würden. 2007 trat dieser Fall ein, die Verlängerung blieb aus. Die nun arbeitslose Frau kämpfte sich durch die Instanzen bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG). Sie klagte gegen die Praxis ihrer dauerhaften Arbeitsvertragsbefristung. Der Grund dafür war stets der Gleiche gewesen: Vertretung für eine unbefristet angestellte, aber häufig vorübergehend beurlaubte Kollegin. Das BAG hatte Zweifel an der Vereinbarkeit der deutschen Regelungen zur Befristung von Arbeitsverträgen mit denen der europäischen Rahmenvereinbarung über befristete Verträge. Nun urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH), der über die einheitliche Auslegung europäischen Rechts zu entscheiden hat.

EU-Recht verlangt Maßnahmen gegen Missbrauch

Die Rahmenvereinbarung fordert die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen gegen den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Beschäftigung zu ergreifen. Dazu schreibt sie vor, sofern keine gleichwertigen Vorkehrungen getroffen wurden, mindestens einen der folgenden Ansätze zu ergreifen: Normierung sachlicher Gründe zur Befristung, Beschränkungen ihrer zulässigen Höchstdauer beziehungsweise der maximalen Anzahl ihrer Verlängerungen. In Deutschland ist die Befristung bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig. Insbesondere ist der Fall genannt, dass ein Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Nach Ansicht des beklagten Landes rechtfertige das auch Befristungen anlässlich immer wieder auftretender Vertretungen, sonst müsse eine Personalreserve gebildet werden. Der Anwalt von Frau Kücük sah darin dagegen eine rechtswidrige Kettenbefristung. Bei 13-maliger Vertragsverlängerung könne nicht mehr von einem vorübergehenden Vertretungsbedarf geredet werden.

Behörden haben dauerhaften Befristungsbedarf zu überwachen

Der EuGH konkretisierte die Anforderungen der Rahmenvereinbarung. Die deutsche Regelung verstoße nicht gegen das europäische Recht. Allerdings sei es Aufgabe der mitgliedstaatlichen Behörden, ständig darauf zu achten, dass es zu keinem Ausnutzen der Befristungsmöglichkeit komme. Insofern sei grundsätzlich ein wiederholter oder gar dauerhafter Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zulässig. Komme es aber im Falle eines dauerhaften Mehrbedarfs an Arbeitskräften weiterhin nur zur Befristungen, sei Missbrauch gegeben. Der Fall ist mit dem Urteil des EuGH noch nicht zu Ende. Das BAG hat nun zu klären, ob hier die Voraussetzungen der dauerhaften Befristung im konkreten Einzelfall wirklich vorlagen.

(EuGH, Urteil v. 26.01.2012, Az.: C-586/10)

(GUE)
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