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Krankschreibung per WhatsApp – muss das der Arbeitgeber akzeptieren?

  • 4 Minuten Lesezeit
Katharina Kästel anwalt.de-Redaktion
  • Ein Hamburger Unternehmen bietet neuerdings Arbeitnehmern Krankschreibungen via WhatsApp an.
  • Um die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – kurz AU-Bescheinigung – zu erhalten, muss der Arbeitnehmer ein Onlineformular ausfüllen.
  • Eine Untersuchung des Patienten durch einen Arzt findet nicht mehr statt.
  • Im Oktober 2019 erhob die Wettbewerbszentrale Klage gegen das Start-up-Unternehmen. Ihrer Ansicht nach verstößt die digitale AU-Bescheinigung gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG).

Krankschreibung via WhatsApp – wie funktioniert das?

Ein Hamburger Start-up-Unternehmen bietet seit Kurzem Krankschreibungen über den Messenger-Dienst WhatsApp an. Dieser Service ist für Arbeitnehmer vorgesehen, die ausschließlich an einer Erkältung erkrankt sind. Die Diagnose erfolgt durch reines Abfragen. Auf einer Webseite muss der Arbeitnehmer einige Fragen bezüglich seiner Symptome beantworten, wie beispielsweise „Wann ist das erste Symptom aufgetreten?“, und kann darüber hinaus zwischen verschiedenen Erkältungssymptomen wie z. B. „Kopfweh“ oder „Heiserkeit“ wählen. 

Nachdem der Arbeitnehmer seine persönlichen Daten angegeben und per PayPal bezahlt hat, schickt er die Informationen mitsamt einem Foto der Versichertenkarte via WhatsApp an einen Arzt. Gibt es folglich Andeutungen für eine Erkältung, erhält der Erkrankte eine Krankschreibung in Form eines Fotos per WhatsApp zugesandt. Zudem bekommt er die Krankschreibung im Original ein paar Tage später mit der Post zugesandt. Die Kosten für den digitalen Service belaufen sich auf 9 Euro.
 
Digitale Krankschreibung wirft Fragen auf

Diese neue Form der AU-Bescheinigung, die von Arbeitnehmern nur zweimal im Jahr für maximal drei Tage in Anspruch genommen werden kann, lässt jedoch Zweifel aufkommen. Aufgrund der digitalen Krankschreibung findet ein Gespräch zwischen Arzt und Patient bzw. eine Untersuchung nicht statt. Folglich zweifeln die Ärztekammern in Hamburg und Schleswig-Holstein, ob ein Arzt das Recht hat, die Arbeitsunfähigkeit eines erkrankten Beschäftigten zu bescheinigen, ohne diesen persönlich untersucht zu haben.

Des Weiteren stellt sich die Frage, ob die Diagnose überhaupt vom Arzt oder eher vom Patienten vorgenommen wird. Durch das Ausfüllen des Onlineformulars gibt der erkrankte Arbeitnehmer selbst eine Einschätzung seiner Symptome ab – und nicht der Mediziner. Kann also noch von einer Diagnose gesprochen werden? Diese ist jedoch zwingend notwendig, um eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten.
 
Zweifel vonseiten des Arbeitgebers möglich

Doch nicht nur einige Ärztekammern hegen Zweifel, sondern auch Arbeitgeber können die Krankschreibung via WhatsApp kritisch sehen und gegebenenfalls ablehnen. Aus gesetzlicher Sicht muss die AU-Bescheinigung „vorgelegt“ werden, was die Schriftform erfordert. Eine Krankschreibung via Messenger-Dienst erfolgt hingegen in einer digitalen Version, die der gesetzlichen Nachweispflicht des Arbeitnehmers erst einmal nicht nachkommt. Da der erkrankte Beschäftigte die Krankschreibung auch als Original per Post zugesendet bekommt, kann er seinem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit auch in dieser Form vorlegen – jedoch muss mit einer zeitlichen Verzögerung von ein bis zwei Tagen gerechnet werden.

Darüber hinaus muss der Arbeitnehmer stets damit rechnen, dass eine digitale Krankschreibung beim Arbeitgeber nicht unbedingt positiv ankommt, Misstrauen erwecken und somit auch das Vertrauensverhältnis belasten kann. Vor allem kann der Arbeitgeber anzweifeln, dass der Arbeitnehmer tatsächlich krank war, wenn er nicht persönlich von einem Arzt untersucht wurde.

Durch die AU-Bescheinigung besteht zwar die Vermutung, dass der Arbeitnehmer tatsächlich wegen Krankheit arbeitsunfähig war und nicht einfach freimachen wollte. Der Arbeitgeber kann aber den sogenannten Beweiswert der AU-Bescheinigung erschüttern, indem er Tatsachen vorbringt, die einen anderen Schluss nahelegen. Die Gerichte könnten das Ausfüllen eines digitalen Fragebogens ohne Untersuchung durch einen Arzt als eine solche Tatsache ansehen.
 
Aus gesetzlicher Sicht: Wann muss die AU-Bescheinigung beim Arbeitgeber vorliegen?

Grundsätzlich muss der Mitarbeiter bei Arbeitsunfähigkeit unverzüglich seinen Arbeitgeber darüber in Kenntnis setzen – spätestens zu Beginn der Arbeitszeit am ersten Tag der Krankheit. Entweder kann die Krankmeldung per Telefon oder E-Mail erfolgen. Gleichzeitig sollte der Beschäftigte mitteilen, wann wieder mit seiner Genesung gerechnet werden kann.

Erstreckt sich die Arbeitsunfähigkeit über einen längeren Zeitraum als drei Tage, ist der Angestellte dazu verpflichtet, seinem Arbeitgeber eine ärztliche AU-Bescheinigung vorzulegen. Dies kann entweder persönlich oder auf dem Postweg erfolgen. Diese sogenannten Anzeige- und Nachweispflichten bei Erkrankung sind gesetzlich geregelt und in § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) niedergeschrieben. 

Von der üblichen Vier-Tage-Frist kann aber abgewichen werden. Arbeitgeber können gemäß § 5 Abs. 1 EntgFG von ihren erkrankten Angestellten verlangen, dass sie bereits am ersten Krankentag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen. 

Klage gegen das Start-up-Unternehmen eingereicht

Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs hat im Oktober 2019 vor dem Landgericht (LG) Hamburg Klage gegen das Start-up-Unternehmen eingereicht. Diese sieht in der digitalen Krankschreibung insbesondere einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz – kurz HWG.

Das Angebot der Hamburger Firma stellt gemäß der Wettbewerbszentrale eine Werbung zur Fernbehandlung dar, die jedoch durch § 9 HWG untersagt ist. Darüber hinaus müssen noch einige offene Fragen geklärt werden, wie beispielsweise, ob die digitale Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung rechtliche Gültigkeit aufweist.

(LG Hamburg, Az.: 406 HKO 165/19)


(KKA)

Foto(s): ©Shutterstock.com

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