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130-Prozent-Regel – BGH verlangt fachgerechte Reparatur gemäß Gutachten

  • 3 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Nach einem Verkehrsunfall dürfen die Reparaturkosten bis zu 30 Prozent über dem Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeugs liegen. Dazu muss die Reparatur aber gemäß des zugrunde liegenden Sachverständigengutachtens hin erfolgen und nicht nur zum Teil. Das stellt der Bundesgerichtshof (BGH) in einem nun veröffentlichten Urteil klar.

Interesse am Erhalt des vertrauten Fahrzeugs

Zunächst fragen sicher einige nach dem Grund dieser sogenannten 130-Prozent-Regel: Warum dürfen die Reparaturkosten bis zu 30 Prozent über den Kosten für ein vergleichbares Ersatzfahrzeug liegen? Schließlich ist bei über dem Wiederbeschaffungswert liegenden  Reparaturkosten doch von einem wirtschaftlichen Totalschaden des Fahrzeugs die Rede.

Grund für den dennoch gewährten Zuschlag, den ein Unfallgegner bzw. dessen Versicherung zahlen muss, ist Folgender: Jemand, der plötzlich in einen Verkehrsunfall verwickelt wird, war mit seinem Fahrzeug oft vertraut. Betroffene sollen sich daher nicht gleich von diesem trennen müssen, nur weil die Reparatur teurer als der für ein Ersatzfahrzeug anfallende Wiederbeschaffungswert kommt. Die Grenze ist dabei erst bei Reparaturkosten von über 130 Prozent des Wiederbeschaffungswerts erreicht. Dabei steht der 30-prozentige Zuschlag nicht explizit im Gesetz. Vielmehr hat ihn die Rechtsprechung festgelegt – allerdings an weitere Kriterien geknüpft.

Entscheidende Kriterien der 130-Prozent-Regel

Zum einen muss das Fahrzeug tatsächlich repariert werden. Wer sein Fahrzeug nicht reparieren lässt, kann zwar ebenfalls Schadensersatz verlangen. Statt 130 Prozent gibt es jedoch nur einen Geldbetrag in Höhe des Wiederbeschaffungsaufwands, der dem Wiederbeschaffungswert abzüglich des noch für das beschädigte Fahrzeug realisierbaren Restwerts entspricht.

Ein weiteres Kriterium ist, dass der Geschädigte das reparierte Fahrzeug nach der Reparatur noch mindestens sechs Monate weiter nutzt. Andernfalls könnte jemand durch schnellen Weiterverkauf des reparierten Fahrzeugs auf die Idee kommen, die erhöhten Reparaturkosten zu Geld zu machen. Das widerspricht aber gerade dem Gedanken, dass das vertraute Fahrzeug erhalten bleibt.

Keine Aufteilung der Reparaturkosten gestattet

Bei Reparaturkosten von über 130 Prozent ist im Übrigen keine Aufteilung der Reparaturkosten möglich, wonach der Unfallverursacher bzw. dessen Versicherung 130 Prozent übernehmen und der Geschädigte die darüber liegenden Reparaturkosten. Will er dennoch Schadensersatz und das Fahrzeug behalten, gibt es nur den bereits erwähnten Wiederbeschaffungsaufwand.

Teilweise Reparatur entgegen Gutachten nicht möglich

In eine ähnliche Richtung ging auch das Vorgehen einer auf Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls klagenden Autofahrerin. Die Schuldfrage war insoweit geklärt. Die Versicherung verweigerte die Übernahme noch unbeglichener Reparaturkosten.

Die Reparaturkosten für den unfallgeschädigten Mercedes C 200 D der Frau beliefen sich laut Sachverständigengutachten auf 186 Prozent des Wiederbeschaffungswerts – knapp 3000 Euro Reparaturkosten bei einem Wiederbeschaffungswert von 1600 Euro. Sie lagen damit laut Gutachter deutlich über den 130 Prozent. Tatsächlich hielt die Rechnung für die Reparatur des Unfallwagens die 130 Prozent aber ein. Und die klagende Frau verlangte auch nicht mehr von der gegnerischen Versicherung.

Grund für die tatsächlich geringer ausfallenden Reparaturkosten war aber nicht eine besonders günstige arbeitende Werkstatt. Vielmehr war das Auto entgegen des Sachverständigengutachtens nur teilweise repariert worden. So bestand weiterhin ein Schaden am Kniestück. Ebenfalls verzichtet wurde auf die Erneuerung einiger Zierleisten, obwohl das Gutachten auch dies vorsah.

Da eine solche „halbe“ Reparatur dem BGH zufolge keine Abrechnung nach der 130-Prozent-Regel rechtfertigt, wies er die Revision der Frau ab. Sie musste sich daher angesichts eines nach Unfall festgestellten Restwerts von 470 Euro ihres Mercedes mit dem bereits von der Versicherung gezahlten Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von 1130 Euro begnügen.

Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit einer erheblichen Manipulationsgefahr zur Einhaltung von Reparaturkosten von 130 Prozent. Als Beispiele nannten sie versteckte Rabatte, heruntergerechnete Arbeitszeiten oder nicht ausgewiesene Positionen. Außerdem sei es widersprüchlich, wenn sich jemand zum Erhalt der Reparaturkosten auf ein Gutachten beruft, dass er dann wiederum nicht einhält.

Erfolgt jedoch trotz eines höhere Reparaturkosten ausweisenden Gutachtens eine damit im Einklang stehende fachgerechte Reparatur zu richtig abgerechneten Kosten von maximal 130 Prozent, ist der Schadensersatzanspruch gerechtfertigt.

Verwendung von Gebrauchtteilen zulässig

Die Verwendung kostengünstiger, gebrauchter Ersatzteile bei der Reparatur stellte aus BGH-Sicht jedoch kein Problem dar. Unter anderem war eine kaputte Tür mit der aus einem Gebrauchtwagen ersetzt worden. Sofern die Verkehrssicherheit nicht durch die umfassende Verwendung von Gebrauchtteilen gefährdet wird, ist deren Verwendung ohne weiteres möglich.

(BGH, Urteil v. 02.06.2015, Az.: VI ZR 387/14)

(GUE)

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