Abgasskandal bei VW, Porsche, Audi, BMW & Co. – Verjährung zum 31.12.2019? Musterfeststellungsklage?

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Bislang war die Volkswagen AG aus taktischen Gründen bemüht, höchstrichterliche Rechtsprechung zum eigenen Nachteil zu vermeiden. Nach der vom ADAC zusammengestellten Rechtsprechungsübersicht zu dem von VW verbauten Motor EA 189 wurden insgesamt rund 80 % der erfassten Urteile gegen VW gefällt. 

Zum Jahresbeginn sollten Geschädigte daher die Flinte nicht ins Korn werfen und sich der allseits diskutierten Verjährung von Ansprüchen gegen VW nicht (!) allzu einfach fügen. Soweit möglich sollten Ansprüche gegen Hersteller und/oder Händler individuell verfolgt werden. Es bestehen weiterhin gute Chancen, eine Rückgabe des Fahrzeugs oder die Zahlung von Schadensersatz zu erreichen.

Verjährung von Ansprüchen gegen Hersteller und Händler

Ansprüche wegen Sachmangel gegen Händler verjähren im Regelfall zwei Jahre nach Übergabe des Wagens (ein Jahr nach Übergabe eines Gebrauchtwagens). Sollten Verbraucher gegenüber Händler aufgrund des manipulierten Motors vom Kaufvertrag zurücktreten, wandelt sich das Schuldverhältnis in ein sog. Rückgewährschuldverhältnis. 

Dies bedeutet, dass der Verbraucher die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich der Nutzung des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangen kann. Die Ansprüche aus dem durch den Rücktritt entstandenen Rückgewährschuldverhältnis unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren (§§ 195, 199 BGB).

Gegen Hersteller greift die sog. deliktische Haftung. Bis zum heutigen Zeitpunkt konnte VW bislang nicht erklären, weshalb der Motor im Testlauf unterschiedlich betrieben werde, um den Abgasausstoß zu reduzieren. 

Eine nachvollziehbare Begründung ist ebenso bei Porsche nicht zu erwarten. Porsche hat den Motor derart ausgestaltet, dass er je nach dem, ob das Lenkrad betätigt wird oder nicht, unterschiedlich Schadstoff ausstößt. Zahlreiche Gerichte haben Hersteller deshalb u. a. wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) zur Rückabwicklung etwaiger Autokäufe verurteilt.

Kein Nutzungsabzug bei deliktischer Haftung gegen Hersteller?

Umstritten ist, ob bei vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung durch den Hersteller auch die Nutzungen des Fahrzeugs in Abzug gebracht werden. In einer Vielzahl von Urteilen wurde dies durch die Gerichte so gehandhabt. Dahingehend bestehen jedoch Zweifel. Zum einen ist unklar, auf welche Rechtsgrundlage ein derartiges Vorgehen parallel zur vertraglichen Rückabwicklung gestützt werden soll. 

Zum anderen widerspricht es dem Gedanken des Schadensersatzes nach sittenwidriger Schädigung. Zuletzt hat das Landgericht Augsburg mit Urteil vom 14.11.2018 (Az.: 021 O 4310/16) diese Ansicht bestätigt, dass bei Ansprüchen gegen den Hersteller kein Nutzungsabzug vorgenommen wird.

Verjährung deliktischer Ansprüche hinausgeschoben.

In den letzten Tagen wurde viel davon berichtet, dass Ansprüche der Geschädigten gegen VW zum 31.12.2018 verjähren würden. Diese Behauptung ist in ihrer Pauschalität in den meisten Fällen wohl zu verneinen. Es kommt nämlich auf die individuelle Kenntnis des Geschädigten an. 

Ab Kenntnis beginnt die 3-jährige Verjährungsfrist zu laufen. In den meisten Fällen haben die VW-Geschädigten erst im Jahre 2016 durch ein konkretes Rückrufschreiben bzw. Aufforderungsschreiben zur Umrüstung davon erfahren, dass der Motor ihres konkreten Fahrzeugs überhaupt vom sog. Abgasskandal betroffen ist. 

Dem gingen zuvor lediglich allgemeine Äußerungen im Jahre 2015 voraus, sodass die meisten VW-Kunden wohl erst im Jahre 2016 von ihrer konkreten Betroffenheit erfahren haben. Aufgrund der schwierigen Sach- und Rechtslage ist davon auszugehen, dass die Verjährung derzeit noch nicht greift, sondern hinausgeschoben bleibt (BGH, Urteil vom 16. Juni 2016 – I ZR 222/14 –, Rn. 42, juris; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 – XI ZR 348/13 -, BGHZ 203, 115-140, Rn. 48).

Bei den anderen Herstellern wie Mercedes, Audi, BMW, Opel, Ford, etc. greift die Verjährung zudem nicht vor dem 31.12.2019, da bereits etwaige Pressemeldungen, dass entsprechende Motortypen eine verbotene Abschalteinrichtung verwenden, nicht vor dem Jahre 2016 veröffentlicht wurden. 

Anschluss an Musterfeststellungsklage am OLG Braunschweig nicht die erste Wahl

Ein Anschluss an die Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale gegen VW am OLG Braunschweig ist seit dem 01.11.2018 für Geschädigte zwar möglich, aber wohl eher nicht die erste Wahl. Es wurde bereits eine Vielzahl von „verbraucherfreundlichen“ Entscheidungen gegen VW von Gerichten unterschiedlicher Orte (außer Braunschweig) gefasst. 

Nach der Rechtsprechungsübersicht des ADAC zum Motor EA 189 betrifft dies rund 80 % der Urteile. 17 % der Entscheidungen, die im Gerichtsbezirk Braunschweig gefällt wurden, gingen dagegen zulasten der Geschädigten. Dahingehend bestehen Zweifel über die Erfolgsaussichten der VW-Musterfeststellungsklage am OLG Braunschweig. Für alle, die sich der Musterfeststellungsklage anschließen, hat eine etwaige negative Entscheidung des OLG Braunschweig bindende Wirkung. Es sollte bei Möglichkeit daher individuell ein „verbraucherfreundlicherer“ Gerichtsstand gewählt werden.

Keine Verjährung bei Kredit oder Leasing – „Widerrufsjoker“ nutzen. 

Ebenso greift pauschal zum 31.12.2019 keine Verjährung, falls das betroffene Fahrzeug mit Kredit oder Leasing finanziert wurde. In solchen Fällen sollte geprüft werden, ob nicht ein Widerruf des mit dem Kauf verbundenen Darlehens- oder Leasingvertrages möglich ist. Aufgrund von Formfehlern ist oftmals noch ein Widerruf möglich, sodass der Vertrag rückabgewickelt werden könnte, ohne dass Verjährung droht.

Rechtsschutzversicherung erleichtert individuelle Durchsetzbarkeit eigener Ansprüche

Sollten Sie über ein vom sog. Abgasskandal betroffenes Fahrzeug der Hersteller Volkswagen, Porsche, Mercedes, Audi, BMW, Opel, Ford, etc. und über eine Rechtsschutzversicherung verfügen, kommt Ihre Rechtsschutzversicherung regelmäßig zudem für alle anfallenden Kosten im Vorfeld auf. Dies erleichtert die individuelle Durchsetzung eigener Ansprüche. Durch eine Deckungsanfrage bei Ihrer Rechtsschutzversicherung kann dies unbürokratisch und zeitnah abgeklärt werden.

Bei Rückfragen steht Ihnen gerne zur Verfügung:
 
 RA Thomas Ritter
 Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
 Wirtschaftsmediator (MuCDR)

Herr RA Thomas Ritter berät und vertritt Geschädigte im Kontext des sog. Abgasskandals seit 2015.



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