Abmahnung: Wiederholte Abmahnungen können zur „leeren Drohung“ führen

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„Eine Abmahnung kann nur dann die Funktion erfüllen, den Arbeitnehmer zu warnen, dass ihm bei der nächsten gleichartigen Pflichtverletzung die Kündigung droht, wenn der Arbeitnehmer diese Drohung ernst nehmen muss. Dies kann je nach den Umständen nicht mehr der Fall sein, wenn jahrelang die Kündigung stets nur angedroht wird. Es handelt sich dann um eine „leere” Drohung.“ – so das BAG, Urteil vom 16. 9. 2004 - 2 AZR 406/03 (LAG Saarland Urteil 23. 4. 2003 2 Sa 134/02), ausführend. Quelle: Beck-online.de

Arbeitsrecht für Arbeitgeber: „Dritte Abmahnung“ kann schon zu viel sein – muss aber nicht sein - 

BAG: „Bei der Frage, ob eine Abmahnung entgegen ihrem Wortlaut der ernsthaft gemeinten Warnung entbehrt, ist insbesondere die Anzahl der vorausgegangenen Abmahnungen von Bedeutung. Angesichts der im Arbeitsleben verbreiteten Praxis, bei als leichter empfundenen Vertragsverstößen einer Kündigung mehrere häufig drei Abmahnungen vorausgehen zu lassen, kann in aller Regel nicht bereits die dritte Abmahnung als „entwertet” angesehen werden. Wenn die in der Abmahnung enthaltene Warnung beim Arbeitnehmer die Hoffnung offen lässt, der Arbeitgeber werde vielleicht „Gnade vor Recht ergehen lassen”, weil er in der Vergangenheit „Milde walten” ließ, so entwertet dies die Warnung nicht. Ansonsten wäre gerade der ruhig und verständig abwägende, im Zweifel eher zur Nachsicht neigende Arbeitgeber benachteiligt.“ Quelle: Beck-online.de

Bundesarbeitsgericht folgt Rechtsauffassung des Arbeitgebers: Drei Abmahnungen – mehr dürfen es nicht sein

BAG: „Das LAG hat ausgeführt, der Kl. habe auch in der Zeit nach der dritten Abmahnung arbeitsvertragliche Pflichten verletzt, indem er mehrfach zu spät zur Arbeit erschienen sei und die Bekl. nicht unverzüglich über die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit unterrichtet habe. Auf die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dürfe eine Kündigung jedoch nur gestützt werden, wenn sie die ultima ratio sei. Deshalb müsse der Kündigung grundsätzlich eine Abmahnung vorausgehen. Die Bekl. habe den Kl. zwar drei Mal abgemahnt. Es handele sich bei den abgemahnten Verstößen und den Kündigungsvorwürfen auch, soweit es um Verspätungen und Verletzungen der Anzeigepflicht gehe, um gleichartige Pflichtverletzungen, die alle als Ausdruck einer spezifischen Unzuverlässigkeit des Kl. zu verstehen seien. Indes sei im vorliegenden Fall die Warnfunktion der dritten Abmahnung abgeschwächt gewesen. Alle drei Abmahnungen enthielten hinsichtlich der Folgen weiterer Pflichtverletzungen die gleiche Formulierung. Eine Kündigung sei schon in der ersten Abmahnung für den Fall gleichgelagerter Pflichtverletzungen als sicher hingestellt, dann aber doch nicht ausgesprochen worden. Es hätte deshalb aus der dritten Abmahnung deutlich werden müssen, dass sie von höherer Relevanz für den Bestand des Arbeitsverhältnisses habe sein sollen. Der Auflösungsantrag sei unbegründet. Das LAG zweifle nach seinem persönlichen Eindruck vom Kl. nicht daran, dass ihm der Ernst der Lage nunmehr bewusst sei.“ Quelle: Beck-online.de

Bundesarbeitsgericht folgt dieser Ansicht des LAG nur teilweise:

„Die Annahme, die Kündigung sei sozialwidrig i.S. des § 1 KSchG, ist mit der vom LAG gegebenen Begründung nicht aufrechtzuerhalten. Entgegen der Auffassung des LAG liegt nicht nur eine Vertragspflichtverletzung vor, die einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund zu bilden geeignet ist, sondern der Kündigung gingen auch Abmahnungen voraus, deren Warnfunktion weder abgeschwächt noch entwertet waren….Die Bekl. hat gegenüber dem Kl. insgesamt drei Abmahnungen ausgesprochen bevor es zu den Pflichtverletzungen kam, die der Bekl. Anlass zur Kündigung gaben. Das LAG hält gleichwohl den ultima-ratio- Grundsatz für verletzt. Es meint, im vorliegenden Fall sei die Warmfunktion der „3. Abmahnung” derart abgeschwächt gewesen, dass der Kl. bei den Vertragsverletzungen Anfang Januar 2002 und Anfang April 2002 nicht mehr hätte damit rechnen müssen, dass die Bekl. eine Kündigung darauf stützen würde. Dem stimmt der Senat nicht zu. Im Ansatz noch zutreffend hat das LAG angenommen, dass die Warnfunktion einer Abmahnung erheblich dadurch abgeschwächt werden kann, dass der Arbeitgeber bei ständig neuen Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers stets nur mit einer Kündigung droht, ohne jemals arbeitsrechtliche Konsequenzen folgen zu lassen. Eine Abmahnung kann nur dann die Funktion erfüllen, den Arbeitnehmer zu warnen, dass ihm bei der nächsten gleichartigen Pflichtverletzung die Kündigung droht, wenn der Arbeitnehmer diese Drohung ernst nehmen muss. Dies kann je nach den Umständen nicht mehr der Fall sein, wenn jahrelang die Kündigung stets nur angedroht wird. Es handelt sich dann um eine „leere” Drohung. Diese Voraussetzungen einer Entwertung der in der Abmahnung liegenden Warmfunktion waren hier nicht erfüllt.“ Quelle: Beck-online.de

Wann sind Pflichtverletzungen „gleichartig“?

BAG: „Pflichtverletzungen sind dann gleichartig, wenn sie in einem inneren Bezug zu der der Kündigung zu Grunde liegenden negativen Zukunftseinschätzung stehen. Abmahnung und Kündigung sind in erster Linie keine Sanktionen für vergangenes Fehlverhalten. Die Abmahnung dient vielmehr als Mittel der möglichst ordnungsgemäßen und vollständigen Vertragserfüllung in der Zukunft. Sie soll bei Vertragsverstößen, die nicht so schwer wiegen, als dass aus ihrem einmaligen Vorkommen mit hinreichender Sicherheit eine nachteilige Einschätzung der zukünftigen Entwicklung gewonnen werden könnte, auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung hinwirken. Wenn mit solcher Vertragserfüllung z.B. weil sich Abmahnungen als erfolglos erwiesen haben, nicht mehr gerechnet werden kann, ist der Gläubiger berechtigt, das Vertragsverhältnis zu beenden. Es liegt auf der Hand, dass Vertragsverstöße, die zu etwa bereits abgemahnten Pflichtverletzungen in keinem Zusammenhang stehen, nichts zu einer Einschätzung der Frage beitragen können, ob mit einer Wiederholung der abgemahnten Pflichtverletzungen zu rechnen ist. Gemessen an diesen Grundsätzen ist - entgegen der Auffassung der Revision - die Würdigung des LAG, die mit den Abmahnungen gerügten Verspätungen und Verstöße gegen die Anzeigepflicht lägen auf einer Linie, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. In der Tat erscheinen sie wie das BerGer. ausgeführt hat, als Ausdruck einer spezifischen Unzuverlässigkeit. Sie zeigen, dass der Kl. es „nicht so genau hält” und pünktliches Erscheinen zur Arbeit oder, falls das nicht möglich ist, die Unterrichtung über zu erwartende Verspätung oder absehbares Nichterscheinen für sich nicht als Verpflichtung begreift, sondern als eher unverbindlichen Vorschlag, dem man nicht immer folgen muss.

Unzutreffend ist aber die Würdigung des LAG, die Warnfunktion der letzten Abmahnung sei abgeschwächt gewesen.

BAG: „Bei der Frage ob eine Abmahnung entgegen ihrem Wortlaut der ernsthaft gemeinten Warnung entbehrt, ist insbesondere die Anzahl der vorausgegangenen Abmahnungen von Bedeutung. Angesichts der im Arbeitsleben verbreiteten Praxis, bei als leichter empfundenen Vertragsverstößen einer Kündigung mehrere - häufig drei - Abmahnungen vorausgehen zu lassen, kann in aller Regel nicht bereits die dritte Abmahnung als „entwertet” angesehen werden. Das LAG hat zur Begründung darauf verwiesen, bereits in der ersten Abmahnung und ebenso in der zweiten heiße es, im Wiederholungsfall werde die Bekl. kündigen. Sie habe damit den Ausspruch der Kündigung für die Zukunft als sicher hingestellt und sich, indem sie sich daran nicht gehalten habe, widersprüchlich verhalten und dadurch Zweifel am Ernst der Drohung geweckt. Damit misst das LAG dem Wortlaut der entsprechenden Passagen in den Abmahnungen eine Bedeutung bei, die ihm nicht zukommt. Die Verwendung des von der Bekl. gebrauchten Futur I drückt stets und naturgemäß eine gewisse Unsicherheit über das zukünftige Geschehen aus. Im vorliegenden Fall ist sie ersichtlich als Drohung zu verstehen. Es liegt in der Natur der Sache, dass Drohungen nicht immer wahrgemacht werden. Hätte die Bekl. in der ersten Abmahnung weniger entschlossen formuliert, etwa in dem Sinne, eine erneute Pflichtverletzung werde „vielleicht” zur Kündigung führen, so hätte der Kl. einwenden können, er sei nicht nachhaltig genug gewarnt worden. Unabhängig von der Formulierung im Einzelnen ist entscheidend, dass alle drei Abmahnungen deutlich zum Ausdruck bringen, die Bekl. sehe in den darin erwähnten Verhaltensweisen ernsthaft vertragsgefährdende Pflichtverletzungen. Damit war der Kl. gewarnt.“ Quelle: Beck-online.de

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren ausschließlich als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Haben Sie Fragen in Bezug auf die Kündigung von Mitarbeitern/innen? Rufen Sie noch heute Rechtsanwalt Helmut Naujoks an, Spezialist als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht. In einer kostenlosen und unverbindlichen telefonischen Ersteinschätzung beantwortet Rechtsanwalt Helmut Naujoks Ihre Fragen zum Kündigungsschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie zu den Rechten und Pflichten des Betriebsrats gemäß Betriebsverfassungsgesetz.



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