Arbeitszeitbetrug: Bewusst falsche Angaben in Bezug auf das Zeiterfassungsblatt

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Bei der Eintragung von Arbeitszeiten handelt es sich immer um ein – steuerbares Verhalten – des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer weiss also um sein Fehlverhalten und musste damit rechnen, wenn der Arbeitgeber erfährt, dass er in Bezug auf seine Arbeitszeit – wie hier im Fall - 35 Minuten getäuscht hat, dass der Arbeitgeber diese Täuschung nicht tolerieren wird. Vor diesem Hintergrund kann eine fristlose Kündigung erfolgreich sein, selbst dann, wenn es sich um ein einmaliges Handeln handelt. Eine Abmahnung kann entbehrlich sein, weil der Vertrauensverlust so dermaßen massiv ist, dass der Arbeitgeber von der Prognose ausgeht, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft ihn in Bezug auf die Arbeitszeit täuschen könnte, so das LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 06.10.2010 - 6 Sa 293/10; Quelle: Beck-online.de

Was ist passiert?

LAG Schleswig-Holstein: „Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 15.10.2009. Der am ... 1966 geborene Kläger ist verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er trat am 02.02.1990 als Postangestellter in die Dienste der Beklagten. Der Kläger arbeitete als Zusteller. Sein Einsatzort war zuletzt S. Er war beim dortigen Zustellstützpunkt (ZSP) in der Brief- und Verbundzustellung eingesetzt. Der Kläger führte die Zustellungen mit dem Kfz durch. Für das Kfz war ein Fahrtenbuch zu führen. Bei der Beklagten galt im streitbefangenen Zeitraum für den Tätigkeitsbereich des Klägers die „Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitgestaltung und zur Überzeitarbeit in der Zustellung“, ergänzt durch die „Betriebsvereinbarung zur IT-gestützten Erfassung der Arbeitszeiten in der Zustellung“. Weil es im ZSP S. keine IT-unterstützte Zeiterfassung gab und im Übrigen bis heute nicht gibt, müssen die Zusteller ihre tatsächlichen Arbeitszeiten in ein Zeiterfassungsblatt eintragen. Anzugeben ist der tatsächliche Arbeitsbeginn, der Beginn des Zustellgangs, das Ende des Zustellgangs und das Arbeitsende. Das Zeiterfassungsblatt liegt im Zustellstützpunkt am Arbeitsplatz des Zustellteamleiters aus. Im Falle des Klägers befand sich dieser Arbeitsplatz drei bis fünf Meter entfernt von seinem eigenen Arbeitsplatz. Die Eintragungen auf dem Zeiterfassungsblatt bilden die Grundlage des für jeden Arbeitnehmer geführten Arbeitszeitkontos. Auf dem Konto werden sowohl die Minusstunden als auch die Überstunden gebucht. Ein Überstundensaldo kann bereits während des Jahres durch Freizeitausgleich ausgeglichen werden. Etwaige Minusstunden entfallen nach Ablauf eines Jahres zu Lasten des Arbeitgebers…Am 28.09.2009 trug der Kläger ein: Kommen von Zustellung: 15:04 Uhr, Dienstende: 15:39 Uhr. Auch der stellvertretende Obmann Herr J., der an diesem Tag um 14:31 Uhr in den ZSP zurückgekehrt war, beendete seinen Dienst um 15:39 Uhr…Fünf Tage später führten die Zeugen T. und N. mit dem Kläger ein Gespräch. Sie hielten dem Kläger seine Arbeitszeiteintragungen für die drei genannten Tage vor und warfen ihm vor, falsche Angaben gemacht zu haben. Insbesondere erhoben sie den Vorwurf, zu seinen Gunsten falsche Angaben zum Dienstende gemacht zu haben. Der Kläger hat sich gegenüber den Zeugen zu den Vorwürfen nicht eingelassen und angegeben, dass er sich momentan an die Sachverhalte an diesen drei Tagen nicht erinnern könne.“ Quelle: Beck-online.de

Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Zeiterfassung rechtfertigen grundsätzlich eine fristlose Kündigung

LAG Schleswig-Holstein: „Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Zeiterfassung sind geeignet, das Vertrauen des Arbeitgebers in die Integrität des Arbeitnehmers zu erschüttern und einen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen. Das gilt nicht nur für die Manipulation einer Stempeluhr, sondern auch für die fehlerhafte Selbsterfassung der Arbeitszeit. Das Arbeitsgericht ist nach Beweisaufnahme und sorgfältiger Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger jedenfalls am 28.09.2009 einen vorsätzlichen Arbeitszeitbetrug begangen hat. Gestützt auf die Aussage des Zeugen J. und ergänzt durch die Aussage des Zeugen K. ist das Arbeitsgericht zur Überzeugung gelangt, dass der Kläger jedenfalls am 28.09.2009 mindestens 35 Minuten mehr Arbeitszeit aufgeschrieben hat als tatsächlich geleistet. Der Kläger hat für diesen Tag unstreitig in das Zeiterfassungsblatt als Dienstende 15:39 Uhr eingetragen. Der Zeuge J. hat jedoch bekundet, dass er während seiner eigenen Dienstzeit im Zustellstützpunkt (von 14:31 Uhr bis 15:39 Uhr) mehrfach in sämtlichen Räumen des Gebäudes war, den Kläger jedoch nicht gesehen hat. Der Zeuge hat weiter ausgesagt, dass er mindestens zweimal an dem Platz, an dem das Zeiterfassungsblatt ausliegt, gewesen ist. Der Zeuge konnte ausschließen, dass sich der Kläger während der fraglichen Zeit in den Räumlichkeiten befunden hat.“ Quelle: Beck-online.de

Fahrlässiges Handeln oder ein Versehen können ausgeschlossen werden

LAG Schleswig-Holstein: „Angesichts der erheblichen Abweichung zwischen dem angegebenen Arbeitszeitende und dem tatsächlichen Verlassen des Dienstgebäudes (vor 14:31 Uhr) kann es sich bei der Angabe in dem Zeiterfassungsblatt nicht nur um fahrlässiges Handeln oder ein Versehen gehandelt haben. Kann man bei Differenzen von wenigen Minuten nicht notwendig auf einen vorsätzlichen Arbeitszeitbetrug schließen, so spricht eine Falschaufzeichnung von mehr als einer halben Stunde dafür, dass sie bewusst erfolgt ist.“ Quelle: Beck-online.de

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