Aktuelle Entwicklungen der Grundrechte und des Verfassungsrechts

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Der heutige Text soll einen Kurzabriss über bedeutende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und anderer verfassungsrechtlicher Entwicklungen geben. Dabei geht es insbesondere um den Einfluss politisch bedeutsamer Themen auf die Grundrechte.


Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Mit seinem Beschluss vom 24.03.2021 über eine ganze Reihe von Klagen (1 BvR 2656/18, 1 BvR 96/20, 1 BvR 78/20, 1 BvR 288/20, 1 BvR 96/20, 1 BvR 78/20) hat das Bundesverfassungsgericht einzelne Bestimmungen des Klimaschutzgesetzes für unzureichend erklärt und Nachbesserungen angemahnt.

Insoweit handelt es sich um einen eigentlich unspektakulären Beschluss, der kaum unmittelbare Rechtswirkungen entfaltet. Bemerkenswert ist aber die Begründung der Entscheidung, in der das Bundesverfassungsgericht in Aussicht stellt, dass "selbst gravierende Freiheitseinbußen künftig zum Schutz des Klimas verhältnismäßig und gerechtfertigt sein" können. Der Gesetzgeber sei darum bereits jetzt verpflichtet, Einschränkungen zu beschließen, um den Klimaschutz zu fördern.

Hieraus lässt sich eine Fortsetzung der politischen und auch verfassungsgerichtlichen Tendenz erkennen, individuelle Rechte vermehrt kollektiven Interessen unterzuordnen. Für Verfassungsbeschwerden, ob nun gegen Gesetze oder auch gegen Gerichtsurteile, bedeutet dies – völlig unabhängig vom Klima-Thema – eine steigende Notwendigkeit, die Unverhältnismäßigkeit in der Einschränkung von Grundrechten darzulegen.


Grundrechtssituation in Corona-Zeiten

Seit mehr als einem Jahr hält die Corona-Pandemie auch Deutschland im Griff. Die Grundrechtseinschränkungen, die seitdem von Bund und Ländern beschlossen wurden, sind so weitgehend und tiefgehend wie niemals zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik.

Man sollte meinen, dass derartige Maßnahmen nur durch zahlreiche Änderungen an den Grundrechten überhaupt möglich sind. Tatsächlich war aber keine einzige Verfassungsänderung dafür notwendig. Alle diese Gebote und Verbote konnten durch einfache Gesetze und Verordnungen eingeführt werden und die Verfassungsgerichte haben diese weit überwiegend nicht beanstandet.

Dies zeigt sehr deutlich, dass die Schutzwirkung der Grundrechte sehr beschränkt ist, wenn der Staat in Ausnahmesituationen handeln muss. Und es wirft die Frage auf, vor welche Eingriffen in die persönliche Freiheit die Grundrechte überhaupt schützen.


Bundestagswahlrecht in Corona-Zeiten

Ganz im Zeichen der Corona-Situation steht auch die kommende Bundestagswahl. Neben den Inhalten des Wahlkampfs wird Corona auch die Organisation der Wahl bestimmen.


Konkret ausgewirkt hat sich dies schon in der Wahlvorbereitung: Bislang nicht im Parlament vertretene Parteien müssen Unterstützungsunterschriften von Bürgern sammeln, um überhaupt kandidieren zu dürfen. Die Sammlung von Unterschriften bei Veranstaltungen und an Infoständen ist angesichts der aktuellen Corona-Regelungen faktisch zum Erliegen gekommen.

Aus diesem Grunde habe ich für meine Mandantschaft, eine bayerische Landespartei, ein Organstreitverfahren gegen den Bundestag eröffnet, um die Notwendigkeit der Unterstützungsunterschriften zu kippen oder jedenfalls zu reduzieren. Begründet wurde dies mit dem Verstoß gegen zentrale Prinzipien der Chancengleichheit bei Wahlen.

Das Bundesverfassungsgericht hat, wie so oft, eine Kompromisslösung gefunden (Beschluss vom 13.04.2021; 2 BvE 1/21, 2 BvE 3/21): Zwar könne es die Vorschriften des Wahlgesetzes nicht für verfassungswidrig erklären oder ihre Anwendung untersagen, da noch nicht offensichtlich sei, dass die Partei damit tatsächlich vom Wahlantritt abgehalten werde. Aber der Bundestag müsse die Situation der Parteien überprüfen und das Wahlrecht an die aktuelle Lage anpassen. Insoweit habe er aber ein enges Ermessen, da er eben die monierte Chancengleichheit beachten müsse.

Diese Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts hat der Bundestag nunmehr beherzigt und die notwendigen Unterschriften auf ein Viertel der bisherigen Zahl reduziert – in größeren Bundesländern bspw. auf 500 statt bisher 2000.

Dies entspricht der Tendenz des Bundesverfassungsgerichts, in politisch sensiblen Bereichen zurückhaltend zu sein und Änderungen zwar anzumahnen, aber nur in Ausnahmefällen Gesetze komplett und sofort zu kippen. Für meine Mandantschaft hat dies hier aber ein praktisch ideales Ergebnis gebracht, wenngleich auf einem kleinen Umweg.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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