Amazon 2019 – Die Probleme des Onlinehandels mit der finalen Bestellseite beim Online-Shopping

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Amazon 2019 – Urteil des OLG München hat weitreichende rechtliche Konsequenzen für die gesamte E-Commerce-Landschaft und die Online-Händler

1. Worum geht es?

Seit Sommer 2012 gilt in Deutschland im Onlinehandel die sogenannte „Button-Lösung“. Hierbei wurden vom Gesetzgeber zwecks Verbraucherschutz strenge formale Anforderungen an die Gestaltung der finalen Bestellseite in Onlineshops bzw. auf Verkaufsplattformen geschaffen.

Ziel war es, den Verbraucher auf der finalen Bestellseite noch einmal ganz genau darüber zu informieren, was er nun konkret zu welchen Konditionen kauft, wenn er den „Bestellbutton“ anklickt (diese Schaltfläche muss gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden anderen eindeutigen Formulierung beschriftet sein).

Neben einer solch klaren Beschriftung des „Bestellbuttons“ schreibt die „Button-Lösung“ und der dem zugrunde liegende § 312j Absatz 2 BGB vor, dass die wesentlichen Merkmale und Eigenschaften der vom Verbraucher in den Warenkorb abgelegten Ware(n) „unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt“ (nochmals) genannt werden müssen.

Das bedeutet Folgendes: Die wesentlichen Merkmale der Ware(n) müssen in klarer und verständlicher sowie hervorgehobener Weise auf der finalen Bestellseite dargestellt werden (Artikel 246a § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 4, 5, 11 und 12 EGBGB). Es reicht somit nicht, dies in der Artikelbeschreibung oder im Warenkorb zu tun, auch eine Verlinkung auf eine „Übersichtseite“ ist nicht ausreichend.

2. Was hat das mit Amazon zu tun?

Nun aber kommt Amazon ins Spiel. Die Wettbewerbszentrale, ein Verbraucherschutzverein, hatte es auf den Giganten des E-Commerce abgesehen.

Die Wettbewerbszentrale störte sich an der finalen Bestellseite Amazons und vertrat die Auffassung, dass diese nicht den Vorgaben der „Button-Lösung“ entsprach und verschickte deshalb eine Abmahnung an Amazon. Da Amazon anderer Auffassung war und nicht die geforderte Unterlassungserklärung abgab, traf man sich vor Gericht.

Das Landgericht München I folgte mit erstinstanzlichem Urteil vom 04.04.2018 (Az.: 33 O 9318/17) der Rechtsauffassung der Wettbewerbszentrale und verurteilte Amazon, es zu unterlassen, im Onlineshop Sonnenschirme und/oder Bekleidungsstücke anzubieten, ohne auf der Internetseite, auf welcher der Verbraucher sein Angebot zum Abschluss des Kaufvertrages durch Anklicken des Bestellbuttons abgeben kann (Bestellabschlussseite) die wesentlichen Merkmale der zu bestellenden Ware anzugeben.

Die Nennung der wesentlichen Merkmale der sich im Warenkorb befindlichen Artikel hat gemäß § 312j Absatz 2 BGB „unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt“ zu erfolgen. Dies war auf der finalen Bestellseite bei Amazon aber nicht der Fall gewesen und damit die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten worden. In den beanstandeten Fällen (Sonnenschirm und Damenkleid) waren auf der finalen Bestellseite zum Schirm lediglich Kaufpreis und Größe angezeigt, nicht aber etwa auch Gewicht oder Material des Bezugstoffes. Bezüglich des Kleides waren auf der finalen Bestellseite Angaben etwa zu Faserzusammensetzung und Pflegehinweise nicht vorhanden.

Wie ging es weiter? Amazons akzeptierte das Urteil nicht und legte beim Oberlandesgericht München Berufung ein. 

3. Die Entscheidung des OLG München

Auch das OLG München kam mit Urteil vom 31.01.2019 (Az.: 29 U 1582/18) zu keinem anderen Ergebnis. Amazons finale Bestellseite fiel damit auch in zweiter Instanz krachend durch. Auch verneinte das OLG die Auffassung Amazons, dass eine Nennung der wesentlichen Merkmale mittels einer Verlinkung auf der finalen Bestellseite (z. B. durch einen Link auf die jeweilige Produktdetailseite, nicht unüblich bei einigen verbreiteten Shopsystemen) erfolgen könnte. Denn in einem solchen Fall der Verlinkung werde nach Auffassung des OLG der Verbraucher von der finalen Bestellseite weggeführt. Dass hierbei Abweichungen und Manipulationen vorgenommen werden könnten, liegt auf der Hand. 

Damit hat die finale Bestellseite Amazon nach Ansicht beider Instanzen gerade nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Darstellung der wesentlichen Merkmale der zu bestellenden Waren genügt.

Es ist wahrscheinlich, dass Amazon gegen das Urteil des OLG Revision beim Bundesgerichtshof einlegen wird. Denn anderenfalls muss Amazon die finale Bestellseite stark überarbeiten und anpassen. So lange der BGH aber nicht (anders) entschieden hat, ist das Urteil des OLG zu beachten. Dass der BGH jedoch anders entscheiden würde, ist meines Erachtens unwahrscheinlich.

4. Das Urteil betrifft alle Amazon-Verkäufer

Zwar wirkt das Urteil des OLG München direkt nur gegenüber Amazon. Aber nun ist jeder Amazon-Verkäufer, der den Amazon-Marketplace nutzt und dabei den von Amazon vorgegebenen Check-Out nutzt, Verwender einer wettbewerbswidrigen finalen Bestellseite und damit selbst angreifbar, verhält er sich doch ebenfalls nicht wettbewerbskonform.

Dabei muss sich jeder Amazon-Verkäufer darüber klar sein, dass die Argumentation, dass dieser technische Ablauf vom Amazon-Händler selbst gar nicht beeinflusst werden kann, nichts nützt, denn ein Wettbewerbsverstoß setzt kein Verschulden voraus, d. h. es kommt nicht darauf an, dass man etwa als kleiner Verkäufer keinen Einfluss auf die Gestaltung des Amazon-Shopsystems hätte.

5. Auch bei eBay und im eigenen Onlineshop ist das Urteil zu beachten

Die aktuelle Entwicklung dürfte eine Vielzahl von Onlinehändlern berühren. Denn auch bei eBay ist die Situation problematisch, etwa wenn dort eine Bestellung via Warenkorb erfolgt. Auch Händler mit eigenem Onlineshop müssen die genannten Vorgaben natürlich einhalten. Ob das eigene Shopsystem diese einhält, sollte ein jeder Händler selbst überprüfen bzw. prüfen lassen.

6. Was kann man tun?

Das Urteil des OLG München kommt einem Stich ins Wespennest gleich, der für nicht wenige Onlinehändler zum größeren Problem werden könnte. Bereits seit Sommer 2012 gelten die verschärften formalen Anforderungen an die letzte Bestellseite. Allerdings wurden diesbezüglich fast keine Abmahnungen ausgesprochen, man war also – vermeintlich – auf der sicheren Seite.

Was „wesentliche Merkmale der Ware“ sind, dürfte nun in Zukunft den Online-Handel und die Gerichte weiter beschäftigen. Hier gibt es leider keine gesetzliche Definition, es wird also Aufgabe der Rechtsprechung sein, hier für mehr Klarheit zu sorgen.

Daher der Rat an Online-Händler, auf der finalen Bestellseite möglichst viele Merkmale der Ware aufzuführen. Denn es dürfte unschädlich sein, ein weniger wesentliches bzw. unwesentliches Merkmal ebenfalls darzustellen, während das Weglassen als eines wesentlichen Merkmals unweigerlich zum Wettbewerbsverstoß führt. Merksatz: Lieber zu viel als zu wenig.

Aber trotz des Merksatzes betrifft es vor allem die technische Umsetzung der Darstellung. Auf fremde Verkaufsplattformen kann der Händler in der Regel sehr begrenzt Einfluss nehmen – bei Amazon teilt er im Zweifel das Schicksal Amazons. Im eigenen Onlineshop dürfte es jedoch in der Regel einfacher sein, hier für rechtskonforme Umsetzung zu sorgen bzw. durch Neuprogrammierung der finalen Bestellseite für Abhilfe zu sorgen. Allerdings bietet nicht jedes Shopsystem entsprechende Möglichkeiten, die wesentlichen Merkmale auf der finalen Bestellseite selbst (vollständig) darzustellen. Hier sollte der Händler auf den Shopsystem-Entwickler einwirken, damit dieser tätig wird.

Eine Möglichkeit könnte im Fall sehr komplexer wesentlicher Merkmale eventuell noch eine Darstellung mittels eines die finale Bestellseite überlagernden Popups sein, bei dem die darzustellenden Merkmale in hervorgehobener Weise angezeigt werden, sobald der Verbraucher auf einen entsprechenden klaren Hinweis wie etwa „hier alle wesentlichen Merkmale ansehen“ klickt.

7. Fazit

Manchmal kann man schon auf den Gedanken kommen, dass der Gesetzgeber von den intellektuellen Fähigkeiten der Verbraucher keine allzu große Meinung hat. Kaum mehr umsetzbarer Informationspflichten sprechen insofern Bände. Dem OLG sind dabei aber keine Vorwürfe zu machen, es muss auch ein praxisfremdes Gesetz anwenden.

Die Vorschrift des § 312j BGB geht auf EU-Recht zurück, das die Voraussetzungen ähnlich normiert. Vor diesem Hintergrund und angesichts des Umstands, dass die Richtlinie eine Vollharmonisierung vorgibt, wäre eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof wünschenswert gewesen. Dass der EuGH die Richtlinie ähnlich eng auslegt, wie das OLG München, ist wahrscheinlich, aber zumindest nicht zwingend. 

Dass das nicht geschehen ist, ist bedauerlich. Einstweilen müssen nun alle mit dem Urteil des OLG München leben. 

Haben Sie Fragen zur rechtskonformen Umsetzung Ihres Online-Shops oder über den Amazon-Marketplace? Haben Sie eine Abmahnung erhalten? Stört oder behindert Sie ein Wettbewerber mit hartnäckiger Missachtung der einschlägigen Bestimmungen im Rahmen des E-Commerce? Dann wenden Sie sich gerne an mich.

Daniel Atzbach, MBA 

Rechtsanwalt



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