Anordnung einer Grenzsperre bei drohender oder erfolgter Kindesentführung

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Bei einer drohenden Kindesentführung ins Ausland bzw. der Entführung eines Kindes nach Deutschland zum Beispiel durch den anderen Elternteil müssen oftmals Schutzmaßnahmen durch die Gerichte getroffen werden. Die Entführung eines Kindes ist übrigens auch unter Eltern nach deutschem Recht strafbar, sofern der Elternteil, dem das Kind entzogen wird, auch sorgeberechtigt ist, § 235 Abs. 2 StGB. Regelmäßig ist aber das Verbringen des Kindes ins Ausland nur dann verboten, wenn man nicht alleinsorgeberechtigt ist.

Ein effektives Mittel, um eine Entführung ins Ausland bzw. das weitere Verbringen des Kindes in ein anderes Land zu verhindern, ist die Anordnung einer sogenannten Grenzsperre.

Hierzu muss beim zuständigen Familiengericht (Achtung, es gibt bei Kindesentführungssachen gegebenenfalls spezielle sogenannte konzentrierte Zuständigkeiten bestimmter Familiengerichte) ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Anordnung einer sogenannten Grenzsperre gestellt werden. Dieser Antrag unterliegt keinem Anwaltszwang, man kann ihn also auch allein schriftlich oder aber persönlich in der Protokollstelle des Gerichts stellen. Im Zweifel kann das Gericht sogar von Amts wegen tätig werden.

Hierbei kann beantragt werden, dass einem oder beiden Elternteilen, sowie jeder sonstigen dritten Person verboten wird, den aktuellen Aufenthaltsort des Kindes zu verändern, insbesondere das Kind an einen anderen Ort außerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland zu verbringen. Sofern das Kind nach Deutschland entführt wurde, umfasst das Verbot regelmäßig nicht das ursprüngliche Herkunftsland, also den gewöhnlichen Aufenthaltsort vor der Entführung. Dorthin kann das Kind also weiterhin zurückgebracht werden. Dies sollte aus dem Beschluss aber vorsorglich auch ausdrücklich so hervorgehen.

Zur praktischen Durchsetzung der Grenzsperre ersucht das Gericht das zuständige Bundespolizeipräsidium Potsdam um präventivpolizeiliche Fahndungsausschreibung gem. § 30 Abs. 3 BPolG zur grenzpolizeilichen Kontrolle im Geschützten Grenzfahndungsbestand (GGFB) zum Zwecke der Verhinderung der Ausreise zusammen mit dem Kind und zur Ingewahrsamnahme gem. § 30 Abs. 5 und § 39 Abs. 2 BPolG iVm Art. 97 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) im Schengener Informationssystem (SIS).

Zudem werden regelmäßig die Polizeibehörden der Bundesrepublik Deutschland und jedes anderen Schengenstaates ersucht, jede Ausreise des Kindes aus der Bundesrepublik Deutschland oder dem Gebiet der Vertragsstaaten des Schengener Übereinkommens zu verhindern und unverzüglich das Familiengericht zu informieren, wenn das Kind an der Grenze angetroffen wird. Adressaten der ausgeschriebenen Maßnahmen sollen alle mit den grenzpolizeilichen Aufgaben betrauten Dienststellen der Bundesrepublik Deutschland und die Polizei- und Grenzpolizeibehörden der übrigen Schengener Vertragsstaaten sein.

Zudem soll in Fällen einer sogenannten Kindesentführung nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen vom 25.10.1980 unverzüglich die für jedes Mitgliedsland zuständige Zentrale Behörde, in Deutschland also das Bundesamt für Justiz in Bonn, informiert werden.

Üblicherweise stellt das Gericht auch für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld bis zu 25.000 EUR sowie Zwangshaft bis zu sechs Monaten gemäß § 35 Abs. 2 FamFG in Aussicht. 

Die Kosten des Verfahrens hat regelmäßig die Person zu tragen, die das Kind entführt hat, § 81 FamFG. Der sogenannte Verfahrenswert, also ein Richtwert zur Ermittlung der Gerichts- und Anwaltskosten, beträgt bei einer einstweiligen Anordnung aktuell regelmäßig 2000 EUR, bei einem Hauptsacheverfahren 4000 EUR.

Das Anordnen der Grenzsperre dient unter anderem der Abwendung von Gefahren für das Kind und der Vermeidung einer Beeinträchtigung der Interessen der Beteiligten zur Sicherung des Aufenthalts des Kindes während eines anhängigen Rückführungsverfahrens nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommens gemäß § 15 IntFamRVG. 

Der Antragsteller muss dabei glaubhaft machen, dass eine solche Gefahr besteht, nämlich dass der andere Elternteil das Kind versuchen wird, widerrechtlich ins (weitere) Ausland zu verbringen. Dem Gericht sollten neben einer sogenannten eidesstattlichen Versicherung alle möglichen Dokumente wie Kopien des Reisepasses von Kind und entführender Person, Geburtsurkunde, Eheurkunde etc. möglichst vorgelegt werden. 

Sieht das Gericht ebenfalls eine hinreichend konkrete Fluchtgefahr, ist die Grenzsperre anzuordnen. Diese gilt dann nicht nur für den anderen Elternteil, sondern auch jede sonstige dritte Person, um einen Verbleib des Kindes in Deutschland für die Dauer des Rückführungsverfahrens sicherzustellen und auch weitere Unruhe für das Kind zu vermeiden. Die Anordnung der Grenzsperre muss erforderlich und verhältnismäßig sein, was aber regelmäßig in solchen Fällen gegeben  ist. 

Vor allen Dingen sollte in Fällen der Verbringung des Kindes nach Deutschland bereits zusätzlich ein Verfahren auf Rückführung in das Herkunftsland und ggf. ein Umgangsantrag gestellt worden sein. 

Auch für den Fall, dass das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und ein Elternteil zum Beispiel androht, dieses widerrechtlich ins Ausland zu verbringen, kann die Grenzsperre angeordnet werden.

In diesem Fall sollte man, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme anwaltlichen Beistands, prüfen, ob ein weiteres einstweiliges Anordnungsverfahren oder ein Hauptsacheverfahren hinsichtlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das Kind oder des gesamten Sorgerechts eingeleitet werden muss. In diesem beantragt dann der sich um das Kindeswohl sorgende Elternteil, dass ihm das alleinige Sorgerecht bzw. das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind vorläufig oder endgültig übertragen wird. 

Dies ist zwar rechtlich nicht zwingend notwendig, da bei gemeinsamer elterlicher Sorge nur die Eltern gemeinsam oder bei Alleinsorge des betreuenden Elternteils nur dieser allein über den Aufenthalt des Kindes entscheiden darf, allerdings spricht eine solche widerrechtliche Androhung der Entführung dafür, dass man gegebenenfalls jedenfalls zukünftig nicht mehr die gemeinsame Sorge mit diesem Elternteil ausüben kann. Gegebenenfalls sind bei der Androhung einer Entführung auch weitere Maßnahmen zu ergreifen, beispielsweise wäre ein Antrag beim Gericht zu stellen, dass nur noch ein sogenannter geschützter bzw. begleiteter Umgang mit dem drohenden Elternteil stattfinden darf, sodass dieser keine Gelegenheit hat, das Kind zu entführen. Denkbar wäre auch ein Antrag auf Herausgabe oder Hinterlegung des Reisepasses des Kindes, wobei dies jedenfalls für die Pässe anderer Staaten problematisch sein kann, da deutsche Gericht darüber ggf. nicht verfügen können. 

Die Grenzsperre ist dann wieder aufzuheben, wenn sich die Eltern einvernehmlich über den Aufenthalt des Kindes einigen konnten oder eine anderslautende bzw. endgültige Gerichtsentscheidung gefällt wurde. Darüber müsste man gegebenenfalls dann auch das erlassende Gericht noch einmal informieren. 

Ob übrigens ein Elternteil alleinsorgeberechtigt ist bzw. das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht innehat, ist in bestimmten Fällen gar nicht so einfach zu bestimmen, da auch ausländische Rechtsordnungen oder Gerichtsentscheidungen eine entscheidende Rolle spielen können. Hier muss im Vorfeld eine genaue Prüfung stattfinden, bei welcher auch andere internationale Abkommen, zum Beispiel das KSÜ, zu beachten sind.

Sofern Sie Fragen zu dem Artikel haben oder eine konkrete Rechtsberatung wünschen, können Sie sich gern jederzeit an uns wenden. Wir haben langjährige Erfahrung bei der Betreuung von Fällen mit internationalem Kontext, insbesondere auch mit Kindesentführungsfällen, die wir bereits bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg erfolgreich begleitet haben.

Nicole Rinau

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Familienrecht

Fachanwältin für Sozialrecht





Foto(s): @buemlein


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