3000 EUR Schmerzensgeld und mehr vom Jugendamt wegen zu langer Heimunterbringung eines Kindes

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Häufig kommt es vor, dass Eltern im Rahmen einer Trennung auch gerichtlich um Umgangs- und Sorgerecht streiten. Meistens leiden darunter auch die Kinder. Aufgabe des Jugendamtes ist es dann unter anderem, Kinder zu schützen, Eltern zu beraten und produktiv Lösungen aufzuzeigen, Hilfen anzubieten und im schlimmsten Fall einzuschreiten.


In einem vor dem OLG Frankfurt nun entschiedenen Fall ging der Einsatz des Jugendamtes aber offenkundig zu weit. Dieses hatte nämlich wegen eines „schwelenden Sorgerechtstreits“ und einer Meldung des Vaters an das Jugendamt, in welcher dieser unter Vorlage eines Arztattestes angab, das damals 6-jährige Kind sei von der Mutter - bei welcher es lebte - geschlagen worden, in Obhut genommen und in einem Kinderheim untergebracht. 


In einem Gerichtsverfahren übertrug das Familienrecht mit Zustimmung der Eltern dann wegen dieses Vorfalls dem Jugendamt als Amtspfleger das sog. Aufenthaltsbestimmungsrecht, also den Teil des Sorgerechts mit welchem Eltern entscheiden können, bei wem und wo das Kind lebt. Die Zustimmung zu dieser Vorgehensweise widerriefen die Eltern jedoch 3 Wochen später. 


Weitere 3 Monate später dann setzte das Familiengericht seine ursprüngliche Entscheidung aus und das Kind kehrte in den Haushalt der Mutter zurück. Später hob das mit einer Beschwerde angerufene Oberlandesgericht den Beschluss insgesamt auf, übertrug das Sorgerecht aber letztlich auf den Vater. Das Kind wechselte in dessen Haushalt. 


Das Kind, vertreten durch den sorgeberechtigten Vater, und der Vater verklagten sodann das Jugendamt auf Schadenersatz / Schmerzensgeld wegen der langen Trennung von seinen Eltern. Für das Kind sollten je Monat der Trennung 10.000 EUR eingeklagt werden, für den Vater 4.000 EUR je Monat. Zudem wehrte man sich gegen die vom Jugendamt von den Eltern erhobenen Kosten der Unterbringung im Heim. 


Während das Landgericht die Klage noch abwies, gab das OLG in der Berufungsinstanz dieser jedenfalls teilweise statt und sprach dem Kind jedenfalls eine Entschädigung in Höhe von einmalig 3.000 EUR zu. Zudem wurde festgestellt, dass das Jugendamt verpflichtet ist, dem Kind alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus seiner Inobhutnahme für die Zeit von knapp 4 Monaten noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist. Die Ansprüche des klagenden Vaters auf Schadenersatz wurden zurückgewiesen. Allerdings wurde festgestellt, dass die Eltern dem Jugendamt auch keine Kosten für die Unterbringung des Kindes zu erstatten haben. 


Das OLG klärte zunächst auf, dass das Jugendamt das Kind jedenfalls nicht rechtswidrig in Obhut genommen habe. Das ursprüngliche Einschreiten war angesichts des Geschehens nicht pflichtwidrig. Es sei Aufgabe des Familiengerichts, die Notwendigkeit der Fremdunterbringung zu prüfen, welche zudem zunächst mit Zustimmung der Eltern vorgenommen wurde. 


Das Jugendamt hätte aber das dann ihm übertragene Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht pflichtwidrig länger als notwendig zugunsten einer Fremdunterbringung ausüben dürfen. Sprich, die zuständige Mitarbeiterin des Jugendamtes hätte schneller prüfen und entscheiden müssen, ob eine Rückkehr des Kindes in den mütterlichen Haushalt oder gar ein Wechsel in den väterlichen Haushalt dem Kindeswohl eher entspricht als die Heimunterbringung. Dies hätte das Jugendamt mit dem ihm übertragenen Recht veranlassen müssen, tat es aber nicht. 


Auch bei heftigem Streit der Eltern um die Kinder ist eine Fremdunterbringung immer die letzte Maßnahme, die der Staat anwenden darf. Das OLG betonte, dass Kindern, die in derartige Auseinandersetzungen ihrer liebsten Menschen und Bezugspersonen hineingezogen werden, nicht gedient sei mit einer Fremdunterbringung, welche nachhaltig die Beziehung zu beiden Elternteilen negativ beeinträchtigen kann. 


Eine kurzfristige Herausnahme eines Kindes aus einer Familie zur allgemeinen Beruhigung der Situation rechtfertige nicht eine monatelange Trennung von den Eltern. Zudem sei zu bedenken, dass das Kind damit nicht nur allgemein belastet worden sei, sondern dies auch als Strafe für die Mitteilung an den Vater, dass die Mutter es geschlagen habe, erleben musste, dann von beiden Eltern getrennt zu werden. Dies sei unverhältnismäßig und kindeswohlwidrig gewesen. 


Instanzenzug:

Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 25.11.2020 - 2-04 O 448/19

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 27.07.2023 - 1 U 6/21


Nicole Rinau

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Familienrecht

Fachanwältin für Sozialrecht


Foto(s): @buemlein


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