Anschlussverbot bei anders gearteter Tätigkeit – Neues im Befristungsrecht

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Nur wenige Mitarbeiter würden einen befristeten Vertrag einem unbefristeten vorziehen. Für den Arbeitgeber hingegen ist eine Befristung nützlich, um Projektarbeiten durchzuführen, auf legitime Weise den Kündigungsschutz auszuhebeln und im Allgemeinen eine größere Flexibilität aufrechtzuerhalten. Dabei besteht schon dem Grunde nach ein Ungleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, da der Arbeitgeber regelmäßig die Formulierungshoheit über den Arbeitsvertrag und stets das Weisungsrecht und die Organisationshoheit hat. Daher hat der Gesetzgeber Grenzen und Regeln für die Nutzung von Befristungen aufgestellt, deren Einhaltung die Gerichte überwachen. Dass um diese Regeln jedoch beständig gerungen wird, zeigt sich einmal mehr an einem kürzlich durch das Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall.

Basics Befristungsrecht

Um das besprochene Urteil zu verstehen, benötigt man ein wenig Basiswissen im Befristungsrecht. Von hinten begonnen: Ist eine Befristung materiell oder formell fehlerhaft vorgenommen, erklärt das Arbeitsgericht auf eine sog. Entfristungsklage hin die Befristung für unwirksam mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis unbefristet auf unbestimmte Zeit besteht.

Bei den Befristungsarten ist die Sachgrundbefristung (zumeist Vertretungsbedarf und vorübergehender Bedarf an der Arbeitsleistung) von der sachgrundlosen bzw. kalendermäßigen Befristung („Das Arbeitsverhältnis wird befristet bis zum 31.12.2022 geschlossen.“) zu unterscheiden. Letztere Gruppe unterliegt wiederum strengeren Regeln, da ihr eben kein die Befristung legitimierender Sachgrund zugrunde liegt.

Eine sachgrundlose Befristung kann nur bis zur Dauer von insgesamt 2 Jahren erfolgen. Hat mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein (befristetes oder unbefristetes) Arbeitsverhältnis bestanden, ist die sachgrundlose Befristung unzulässig (sog. Anschlussverbot, § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG). Dabei ist es unerheblich, ob die konkret einstellende Person Kenntnis von dem Zuvorarbeitsverhältnis hatte. Auch eine zeitliche Grenze, die das Zuvorarbeitsverhältnis „heilt“ gibt es nicht, jedenfalls keine konkrete. Es gibt allerdings auch Grenzen für die Anwendung des Anschlussverbots. Eine sehr kurze oder unbedeutende Vorbeschäftigung und eine sehr lange Zeitspanne bis zur darauf folgenden Einstellung können dazu führen, dass das Anschlussverbot nicht ausgelöst wird (in einem entschiedenen Fall eine einjährige Vorbeschäftigung, die 22 Jahre zurücklag, Urteil des BAG v. 21.08.2019, Az. 7 AZR 452/17). Ebenfalls kann eine ganz anders geartete Tätigkeit der Zuvorbeschäftigung im Vergleich zu der Anschlussbeschäftigung dazu führen, dass das Anschlussverbot nicht ausgelöst wird.

Was war passiert?

Der spätere Kläger studierte bis 1988 Technische Gebäudeausrüstung und arbeitete dann für verschiedene Arbeitgeber als Objektingenieur, Manager für Solarthermie-Systeme und Serviceingenieur. So arbeitete er bei der späteren Beklagten in den Jahren 2008 bis 2010 als Sachbearbeiter für Bauverträge und studierte nebenher Verwaltungs-Betriebswirtschaft. Nach einem weiteren beruflichen Zwischenstopp im Jahr 2015 wurde er wiederum dort befristet als Referent im Bereich Betriebssicherheit eingestellt. Als der befristete Vertrag endete, klagte der Mitarbeiter auf Entfristung.

Das sagt das Landesarbeitsgericht

Wie schon das zuvor angerufene Arbeitsgericht hat auch das Landesarbeitsgericht geurteilt, dass die Befristung nicht wirksam war (Urteil des LAG Sachsen vom 12.09.2019, Az. 5 Sa 7/19). Mit Verweis auf die zwischen den höchstinstanzlichen Gerichten unterschiedliche Rechtsprechung führte das Gericht zunächst aus, dass eine 3-jährige Unterbrechungszeit nicht per se eine anschließende sachgrundlose Befristung rechtfertigen kann. Stattdessen komme es auf die Zumutbarkeit an, wie es das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 6.6.2018 unter dem Aktenzeichen 1 BvL 1375/14 festgestellt hatte. Hier hatte das Bundesverfassungsgericht Beispiele genannt, wozu unter anderem die Unterbrechung der Erwerbsbiografie in Verbindung mit beruflicher Neuorientierung bzw. einer Aus- oder Weiterbildung gehörten. Nach diesen Maßstäben war die Vorbeschäftigung des Klägers nach Ansicht des Gerichtes nicht „ganz anders geartet“. Richtig sei zwar, dass durch das Zweitstudium weitergehende Kenntnisse erlangt wurden. Die Aufgaben der Anschlussbeschäftigung bauten allerdings nach der Überzeugung des Gerichtes nicht ausschließlich auf Kenntnissen aus dem 2. Studium auf, sondern auch auf Kenntnissen aus der früheren Berufstätigkeit.

Das sagt das Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht hat das Urteil des Landesarbeitsgerichts bestätigt (Urteil vom 16.09.2020, Az. 7 AZR 552/19). Noch deutlicher als dieses hat es daraufhin gewiesen, dass das Merkmal der Unzumutbarkeit eng auszulegen ist. Wie auch die Vorinstanz hält aber auch das Bundesarbeitsgericht die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze für maßgebend. Und wie die Vorinstanz sieht auch das Bundesarbeitsgericht die dortigen Voraussetzungen als nicht erfüllt an. Vor allem führte das Gericht aus, dass es nicht allein auf eine zeitliche Unterbrechung der Erwerbsbiografie ankommt. Ein inhaltlicher Abbruch der Erwerbsbiografie sei vielmehr maßgeblich. Die durchgeführte Aus- und Weiterbildung müsse zu einer anderen Tätigkeit befähigen, die der Erwerbsbiographie des Arbeitnehmers eine völlig andere Richtung gibt.

Fazit

Da das Befristungsrecht den Arbeitgeber bevorteilt, gelten Spielregeln. Die Gerichte sind bei der Überprüfung dieser Spielregeln streng. Es ist daher nicht verwunderlich, dass das Bundesarbeitsgericht das Merkmal der „ganz anders gearteten Tätigkeit“ hier nicht als erfüllt angesehen hat, da das Zweitstudium des Klägers dessen Erwerbsbiografie zwar eine andere Richtung gab, aber eben keine völlig andere Richtung. Arbeitgeber, die Mitarbeiter befristet einstellen möchten, die schon zuvor einmal bei ihnen angestellt waren, sollten die Rechtsprechung in diesem Bereich überaus sorgfältig prüfen. Eine gesetzgeberische Klarstellung wäre in mancher Hinsicht hilfreich, um die hohen Anforderungen zumindest einschätzen zu können.

Weitere Hinweise zum Thema können Sie in der Langversion unseres Blogbeitrags unter https://kanzlei-kerner.de/befristung-anders-geartete-taetigkeit/ nachlesen.


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