Anwalt bei Vorladung, Anklage, Strafbefehl mit Vorwurf Beleidigung, tätliche Beleidigung, verhetzende Beleidigung

  • 8 Minuten Lesezeit

Das Thema Hate speech, Hassreden, Beleidigungen im Internet ist inzwischen seit Jahren präsent. Die Relevanz und die Aufmerksamkeit scheint auch kaum abzuflauen. Die Annahme, im Internet dürfe „man sich alles erlauben“ solange man sich auf seine Meinungsfreiheit beruft, ist trügerisch. Auch im Internet gelten Strafgesetze, wie auch der § 185 StGB, der die Beleidigung mit Freiheits- oder Geldstrafen bedroht.

Das Internet und die Kommentarspalten in den sozialen Medien ist aber natürlich nicht der einzige Bereich, in dem der Vorwurf der Beleidigung auftauchen kann.

Aber droht eigentlich eine höhere Strafe, wenn die Beleidigung im Internet begangen wird? Und wird überhaupt jede Beleidigung strafrechtlich verfolgt? Wie sollte ich mich verhalten, wenn ich einen Strafbefehl mit dem Vorwurf einer begangenen Beleidigung erhalten habe?

Wie hoch ist die Strafe für Beleidigung?

Beleidigung wird grundsätzlich mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe bestraft (§ 185 StGB). In bestimmten Konstellationen, zum Beispiel wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, droht eine höhere Strafe (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, § 185 StGB).

Was ist eine strafbare Beleidigung?

Eine Beleidigung ist ein Angriff auf die Ehre einer anderen Person. Dies kann sowohl in der Behauptung von Tatsachen, als auch in der Kundgabe eines Werturteils liegen. Eine Beleidigung liegt in der Kundgabe der „Missachtung, Geringschätzung oder Nichtachtung“ einer anderen Person, durch die der Achtungsanspruch der betroffenen Person (in Bezug auf ihre Ehre) beeinträchtigt, gar verletzt, wird (BGH, Beschluss v. 02.11.2017 – 2 StR 415/17 unter Verweis auf weitere Rechtsprechung).


Allerdings ist zum Beispiel – so der BGH – in der Regel nicht jede sexuell motivierte Aussage sofort eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB. Es bedarf auch bei sexuell motivierten Aussagen der Herabwürdigung einer Person im Hinblick auf ihre Ehre (vgl. BGH, Beschluss v. 02.11.2017 – 2 StR 415/17).


Eine strafbare Beleidigung kann auch dann bejaht werden, wenn man mit dem reinen Wortlaut der Äußerung nach nicht auf eine bestimmte Person Bezug nimmt, sondern eine Person unter einer Kollektivbezeichnung beleidigt. Hier stellt sich dann regelmäßig die frage, ob das Schutzgut (der Grund, weshalb die Beleidigung strafbewehrt ist) der persönlichen Ehre überhaupt durch eine solche Äußerung beeinträchtigt sein kann. Das Bundesverfassungsgericht bejaht diese Möglichkeit. Allerdings muss hierfür die Gruppe (das Kollektiv) hinreichend überschaubar und ein Merkmal Gegenstand der Äußerung sein, „das ersichtlich oder zumindest typischerweise auf alle Mitglieder des Kollektivs zutrifft“ (BVerfG, Beschluss v. 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91 Entscheidung zur Aussage „Soldaten sind Mörder“) . Es bedarf also im Grunde einer Art Individualisierung, damit sich der oder die Geschädigte (vereinfacht ausgedrückt) „angesprochen fühlen darf“ und sich damit auch „beleidigt fühlen darf“, sodass die persönliche Ehre beeinträchtigt, verletzt, sein kann.

Kann man sich wegen Beleidigung auch dann strafbar machen, wenn die Behauptung wahr ist?

Auch wenn die Wahrheit der Behauptung sogar bewiesen ist, kann die Behauptung eine strafbare Beleidigung darstellen. Dies nämlich dann, „wenn das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Behauptung oder Verbreitung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht“ (§ 192 StGB).

„Man wird doch wohl noch seine Meinung sagen dürfen“ – Verletzt die Sanktionierung einer Beleidigung die Meinungsfreiheit?

Tatsächlich kollidiert die Strafbewehrung der Beleidigung regelmäßig mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit.

Allerdings ist zu beachten, dass die Meinungsfreiheit nicht grenzenlos gewährleistet wird. Auch diese erfährt ihre Grenzen, nämlich gem. Art. 5 Abs.2 des Grundgesetzes (unter anderem) in den allgemeinen Gesetzen. Der § 185 StGB, der die Beleidigung mit Strafe bedroht, ist ein solches Gesetz (vgl. BVerfG, Beschluss v. 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91). Dieser richtet sich nicht gegen eine bestimmte Meinung und ist damit auch allgemein (vgl. BVerfG, Beschluss v. 15.01.1958 – 1 BvR 400/51 zum Merkmal der „allgemeinen Gesetze“ in Art. 5 GG; vgl. BVerfG Beschluss v. 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91 zum Thema § 185 StGB als allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 GG).

Dadurch, dass durch die Strafbewehrung der Beleidigung nach § 185 StGB das Grundrecht auf Meinungsfreiheit eingeschränkt wird, beschäftigen Strafverfahren wegen Beleidigung regelmäßig nicht nur die Strafgerichte, sondern auch das Bundesverfassungsgericht.


Die Strafgerichte müssen sich nämlich bei der Frage der Strafbarkeit wegen Beleidigung durchaus mit den Grundrechten beschäftigen. Die Grundrechte müssen bei der Anwendung des einfachen Rechts (wie es zum Beispiel § 185 StGB ist) in der Entscheidungsfindung hinreichend berücksichtigt und gewürdigt werden. Im Rahmen der Beleidigungsdelikte stehen sich die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs.1 GG) (des Beschuldigten) und das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs.1 iVm Art. 1 Abs.1 GG) (des Geschädigten) gegenüber. Diese beiden Grundrechte müssen regelmäßig gegeneinander (im konkreten Fall!) abgewogen werden. Vgl. z.B. OLG Köln, Urteil v. 10.12.2019 – 1 RVs 180/19 in openJur 2020, 13.

Eine Abwägung entfällt allerdings dann, wenn es sich bei der beleidigenden Aussage um eine Schmähkritik oder Fomalbeleidigung handelt oder wenn durch sie die Menschenwürde verletzt wird. In diesen Fällen wird vom Bundesverfassungsgericht darauf abgestellt, dass dann das Persönlichkeitsrecht des Beleidigten stets Vorrang genießt und die Meinungsfreiheit hierhinter zurücktritt. Vgl. z.B. BVerfG, Beschluss v. 19.05.2020 – 1 BvR 362/18.


Schmähkritik zeichnet sich dadurch aus, dass ihr jeglicher Sachbezug fehlt und sie rein ehrverletzend, herabsetzend, diffamierend, ist, also im Grunde ein „grundlose[s] Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher“ ist (BVerfG, Beschluss v. 19.05.2020 – 1 BvR 362/18).

Droht eine höhere Strafe für Beleidigung auf social media? Wie hoch ist die Strafe für Hate speech im Internet?

Ein großes Thema im Zusammenhang mit der Strafbarkeit wegen Beleidigung ergibt sich beim Thema der Hate Speech im Internet. Insbesondere in den sozialen Medien finden sich in Kommentarspalten und Co zahlreiche Hassnachrichten, oftmals inklusive Beleidigungen. Es hat den Anschein, als fühlten sich einige Verfasser solcher Kommentare im Internet sicher vor jeder Strafverfolgung. Tatsache ist aber, dass der Mythos, das Internet sei ein „rechtsfreier Raum“ gerade das ist. Ein Mythos. Auch Beleidigungen im Internet sind strafbar. Hinzukommt im Rahmen des Internets, insbesondere in Kommentarspalten, dass das Merkmal der Öffentlichkeit einer Beleidigung regelmäßig gegeben sein kann, sodass im Ergebnis sogar unter Umständen eine höhere Strafe bei Beleidigungen in Kommentarspalten im Internet drohen kann. Gem. § 185 StGB droht für öffentlich begangene Beleidigungen eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe.

Was ist eine tätliche Beleidigung?

Eine höhere Strafe droht auch bei tätlichen Beleidigungen. Hierzu kann zum Beispiel das Anspucken einer Person gehören. Kennzeichnend für eine tätliche Beleidigung ist, dass sich die Geringschätzung des Opfers in einer körperlichen Einwirkung auf den Geschädigten zeigt, die für diesen unmittelbar spürbar ist (BGH, Urteil v. 05.03.2009 – 4 StR 594/08).

Wann macht man sich wegen verhetzender Beleidigung strafbar?

Eine höhere Strafe droht auch für verhetzende Beleidigungen. Gem. § 192a StGB droht hierfür eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder ein Geldstrafe. Die verhetzende Beleidigung zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass sie einen möglichen Angriff auf die Menschenwürde darstellt.

Eine Strafbarkeit wegen verhetzender Beleidigung droht für das Beschimpfen, das böswillige verächtlich machen oder die Verleumdung einer bestimmten Gruppe (oder einer einzelnen Person aufgrund der Zugehörigkeit zu einer dieser im Gesetz benannten Gruppen). Eine Gruppe in diesem Sinne ist eine solche, die zum Beispiel durch das Merkmal der Weltanschauung, der nationalen oder ethnischen Herkunft oder der sexuellen Orientierung bestimmt wird (§ 192a StGB). Die strafbare Handlung ist hierbei das Gelangen lassen eines Inhalts, der die genannten Aspekte enthält (also z.B. solche Beschimpfungen) an eine Person, die einer solchen Gruppe zugehört und zu dem Gelangen lassen nicht aufgefordert hat. Zu beachten ist hierbei, dass eine nachträgliche Zustimmung der betroffenen Person die Strafbarkeit hingegen nicht entfallen lässt. Ein Inhalt im Sinne des § 11 Abs.3 StGB kann zum Beispiel ein Schriftstück oder eine Abbildung sein.

Kann eine Beleidigung ausnahmsweise nicht bestraft werden?

Das ist tatsächlich möglich. Ausnahmsweise kann eine Beleidigung straffrei bleiben.

Dies ist zum Beispiel dann möglich bei wechselseitig begangenen Beleidigungen im Sinne des § 199 StGB. Eine solche wechselseitig begangene Beleidigung ist eine solche, die eine Erwiderung auf eine Beleidigung ist. Wichtig ist, dass die Erwiderung „auf der Stelle“ erfolgt (§ 199 StGB).

Das Merkmal „auf der Stelle“ hat zum Einen eine zeitliche Komponente (es bedarf also einer zeitlichen Nähe), und zum Anderen bedarf es auch eines psychologischen Zusammenhangs (vgl. OLG Köln, Urteil v. 18.02.2020 – 1 RVs 188/19 in openJur 2020, 2910).

Zu beachten ist allerdings in diesem Zusammenhang, dass es sich hierbei nicht um einen Automatismus handelt oder um eine Rechtsfolge der Straffreiheit von Gesetzes wegen. Vielmehr „kann der Richter beide Beleidiger oder einen derselben für straffrei erklären“ (§ 199 StGB). Es liegt also in der Entscheidung des Richters.


Eingrenzungen erfährt die Strafbarkeit wegen Beleidigung auch im Fall der sog. Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 193 StGB. Allerdings kann in diesen (im Gesetz benannten) Fällen durchaus eine Strafbarkeit wegen Beleidigung im Raum stehen. Die Einschränkung, die getroffen wird, besteht darin, dass sich die Beleidigung dann aus „der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht“ (§ 193 StGB). Bei welchen Fällen eine Wahrnehmung berechtigter Interessen in diesem Sinne in Betracht kommt, benennt § 193 StGB.

Wird jede Beleidigung strafrechtlich verfolgt?

Nein. Im Grundsatz bedarf es für die strafrechtliche Verfolgung einer Beleidigung eines Strafantrags. Dieser kann insbesondere vom Opfer der Straftat gestellt werden. Ein Strafantrag ist vereinfacht ausgedrückt das ausgedrückte Begehren, dass die Strafverfolgungsbehörden die Strafverfolgung aufnehmen und ermitteln. Zu differenzieren ist ein Strafantrag von der Strafanzeige, die darin besteht, dass den Behörden ein Sachverhalt mitgeteilt wird.  Im Grundfall der Beleidigung handelt es sich dabei sogar um ein sog. absolutes Antragsdelikt. Das bedeutet, dass die Strafverfolgungsbehörden ohne gestellten Strafantrag gar nicht tätig werden. Zu unterscheiden hiervon sind die sog. relativen Antragsdelikte, die sich dadurch auszeichnen, dass ein Antrag ausnahmsweise nicht erforderlich ist, wenn die Strafverfolgungsbehörden ein sog. besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejahen. Solche relativen Antragsdelikte sind z.B. gem. § 194 Abs.1 S.3 StGB die verhetzende Beleidigung nach § 192a StGB oder die gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung nach § 188 StGB.

In bestimmten Konstellationen einer strafbaren Beleidigung ist kein Strafantrag erforderlich, damit die Tat verfolgt werden kann.

Was ist ein Strafbefehl und was sollte ich nach Erhalt eines Strafbefehls tun?

Sollten Sie einen Strafbefehl erhalten haben, gilt es insbesondere schnell zu handeln. Das liegt vor allem daran, dass die Möglichkeit, sich gegen einen Strafbefehl zu wehren, zeitlich sehr limitiert ist. Es gilt hier eine Einspruchsfrist von nur zwei Wochen (§ 410 Abs.1 StPO). Ist der Strafbefehl rechtskräftig geworden (was v.a. durch das fruchtlose Verstreichen der Einspruchsfrist geschehen kann), steht er einem rechtskräftigen Urteil gleich (§ 410 Abs.3 StPO).

Der Einspruch gegen einen Strafbefehl kann auch beschränkt werden, insbesondere auf die Rechtsfolgen, wie beispielsweise die festgesetzte Tagessatzhöhe (§§ 410 Abs.1, 411 Abs.1 StPO).

Wenden Sie sich daher nach Erhalt eines Strafbefehls am Besten zeitnah an einen erfahrenen Strafverteidiger. Dieser wird zunächst Akteneinsicht beantragen und dann auf dieser Grundlage eine geeignete Verteidigungsstrategie erarbeiten und Sie darüber beraten, wie es nun weitergehen kann.





Um dieses Video anzuzeigen, lassen Sie bitte die Verwendung von Cookies zu.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Sören Grigutsch

Beiträge zum Thema