Arbeitgeber aufgepasst: Dokumentationspflicht für die gesamte Arbeitszeit!

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Aus der Entscheidung des EuGH vom 19.05.2019 folgt, dass sich aus der Arbeitszeitrichtlinie eine Pflicht der Mitgliedstaaten ergibt, die Arbeitgeber dazu zu verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von jedem Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Ansonsten könne nicht überprüft werden, ob dem Arbeitnehmer die tägliche Ruhezeit von elf ununterbrochenen Stunden zwischen zwei Arbeitseinsätzen (Art. 3 Abs. 1 ArbZ-RL) gewährt wurde sowie die wöchentliche Mindestruhezeit nach Art. 5 ArbZ-RL und die Höchstarbeitszeit nach Art. 6 ArbZ-RL nicht überschritten werden.

Die Aufzeichnungspflicht galt im deutschen Recht gem. § 16 II ArbZG bislang nur für Überstunden bzw. gem. § 17 MiLoG für geringfügig Beschäftigte.

Die Entscheidung ist auch ohne gesetzliche Umsetzung bereits jetzt zu beachten. Das ergibt sich aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts, den die Vorgaben des EuGH vermittelt über Art. 31 Abs. 2 GRC entfalten. Der EuGH hat keine Übergangsphase für die Umsetzung der Vorgaben gestattet und auch keinen Vertrauensschutz gewährt.

Die arbeitsschutzrechtliche Pflicht zur gesamten Arbeitszeiterfassung kann der Arbeitgeber nicht auf den Beschäftigten übertragen. Die Beschäftigten können und müssen aber ggf. bei der Erfassung der Arbeitszeit mitwirken, etwa indem eine Personalkarte an einem Terminal registriert oder eine Anmeldung per App erfolgt. Jedes System, bei dem die Arbeitszeit erst nachträglich – etwa durch Stundenzettel, die der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nachträglich aushändigt – erfasst wird, ist unionsrechtlich bedenklich. Das gilt auch im Home-Office oder bei mobiler Arbeit. Hier gibt es digitale Alternativen.

Objektiv ist das System insbesondere, wenn

  • die gesamte Arbeitszeit transparent Beginn und Ende der tatsächlichen objektiven Arbeitszeit und deren Dauer dokumentiert
  • die Dokumentation so erfolgt, dass der Arbeitnehmer im Prozess keines weiteren Beweismittels als der erfassten Arbeitszeit bedarf.
  • die gesamte Arbeitszeit im Sinne des Unionsrechts erfasst wird,  dazu zählen auch die mobile Tätigkeit unterwegs, Arbeit von zu Hause sowie jede sonstige auch kurzzeitige Arbeitsaufnahmen.

Verlässlich ist das System insbesondere dann, wenn

  • es so weit wie möglich gegen Manipulationen gesichert und so ausgestaltet ist, dass seine Beweiskraft prozessual nicht in Frage gestellt werden kann
  • die Erfassung unmittelbar im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung erfolgt.

Zugänglich ist das System insbesondere dann, wenn

  • Arbeitgeber und Arbeitnehmer jederzeit über den Beginn und das Ende der Arbeitszeit informiert sind
  • die Arbeitnehmer diese Information auch gegen den Willen des Arbeitgebers so abrufen können, dass die Daten für einen etwaigen Rechtsstreit zur Verfügung stehen 
  • auch Betriebsrat und Aufsichtsbehörden jederzeit auf die erfasste Arbeitszeit zugreifen können.

Um nicht Gefahr zu laufen, dass sich in einem Überstundenprozess zukünftig die Beweislast dreht, wenn es keine objektiven Arbeitgeberaufzeichnungen gibt, so dass evtl. Arbeitnehmeraufzeichnungen gelten, die der Arbeitgeber widerlegen muss, sind Arbeitgeber gehalten, so schnell wie möglich Arbeitszeiterfassungssysteme einzuführen.


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