Arbeitnehmer kann bei Nichtzahlung der Entschädigung vom Wettbewerbsverbot zurücktreten

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Rücktritt vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot bei Zahlungsverzug zulässig

Viele Arbeitsverträge – insbesondere bei leitenden Angestellten oder Arbeitnehmern, die im Vertrieb direkten Kontakt mit Kunden haben – sehen für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vor. Da damit, anders als beim während des Arbeitsverhältnisses geltenden Wettbewerbsverbots, in die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers eingegriffen wird, sieht das Gesetz in den §§ 74 ff HGB eng gefasste Voraussetzungen für die Wirksamkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots vor. Hält sich die vertragliche Regelung jedoch im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen, ist das Wettbewerbsverbot in der Regel wirksam.

Dennoch kommt es nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den ehemaligen Parteien des Arbeitsvertrags nicht selten zu Streit, entweder weil der Arbeitgeber nun für das Wettbewerbsverbot doch keine Karenzentschädigung zahlen will oder weil der Arbeitnehmer das Verbot nicht einhalten will, um direkt in Wettbewerb mit dem Arbeitgeber treten zu können.

Eine Lösungsmöglichkeit war nunmehr Gegenstand einer Entscheidung des LAG Nürnberg vom 24.5.2017, Az. 4 Sa 54/16, auch wenn der dortige Kläger dies nicht begrüßt haben wird.

Der Kläger war als technischer Leiter bei der Beklagten tätig. Der Arbeitsvertrag sah ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot von 3 Monaten und eine Karenzentschädigung von 50 % der zuletzt verdienten Vergütung vor. Das Arbeitsverhältnis endete Ende Januar 2016. Ab Februar bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Die Klägerin zahlte die Karenzentschädigung nicht, weshalb der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 01.03.2016 zur Zahlung bis zum 04.03.2016 (!) aufforderte. Als keine Zahlung erfolgte, erklärte er mit Email vom 08.03.2016, dass er sich nicht an das Wettbewerbsverbot gebunden fühle. Er erhob dann Klage und verlangte für die vollen 3 Monate Februar, März und April 2016 die Karenzentschädigung. Das erstinstanzliche ArbG Würzburg gab der Klage statt. Auf die eingelegte Berufung änderte das Landesarbeitsgericht die Entscheidung ab und sprach nur für den Zeitraum bis zum 08.03.2016 die Karenzentschädigung zu.

Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts war der Kläger mit der E-Mail vom 08.03.2016 wirksam vom Wettbewerbsverbot zurückgetreten, sodass er für die Folgezeit keine Karenzentschädigung mehr verlangen könne. Richtig ist dabei, dass Wettbewerbsverbote gegenseitige Verträge im Sinne der §§ 320 ff. BGB darstellen. Die Pflicht zur Enthaltung des Wettbewerbs steht dabei im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Karenzentschädigung. Zahlt der Arbeitgeber die Karenzentschädigung damit nicht aus, kann der Arbeitnehmer eine angemessene Nachfrist setzen und nach deren fruchtlosen Ablauf vom Wettbewerbsverbot zurücktreten. Fraglich ist im vorliegenden Fall jedoch, ob die kurze Frist von wenigen Tagen (3 Tage gesetzte Frist, 7 Tage bis zum Rücktritt) vorliegend ausreichend war. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu die Revision zugelassen, die jedoch nach den Veröffentlichungen nicht eingelegt wurde.

Die Entscheidung ist dogmatisch betrachtet zutreffend. Denn grundsätzlich muss es dem Arbeitnehmer möglich sein, sich von dem Wettbewerbsverbot zu lösen, wenn der Arbeitgeber pflichtwidrig die Karenzleistung nicht erbringt. Dies wird für den Arbeitnehmer aber nur dann vorteilhaft sein, wenn er unmittelbar in eine Wettbewerbssituation eintreten kann, sich für ihn der Rücktritt als „lohnt“. Denn andernfalls verliert der Arbeitnehmer nur seinen Anspruch auf die Entschädigung, ohne einen Gegenwert zu erlangen.

Aufgrund dessen sind alle Betroffenen gut beraten, sich die Ausübung des Rücktrittsrechts gut zu überlegen und sich ggf. auch beraten zu lassen. Denn andernfalls kann es ihnen wie dem Kläger des vorliegenden Verfahrens ergehen, der durch die unbedachte Email seinen Anspruch wenigstens für die Zukunft verloren hat.

Leider wurde vorliegend nicht die Möglichkeit genutzt, durch Anrufung des BAG Klarheit über die Länge der zu setzenden Frist zu gewinnen. Denn grundsätzlich muss dem Schuldner eine angemessene Frist gesetzt werden, innerhalb derer er die geschuldete Leistung erbringen kann. Bei Zahlungen ist diese Frist allerdings sehr kurz zu bemessen. Ist die gesetzte Frist zu kurz, so wird automatisch eine angemessene Frist in Gang gesetzt. Wartet der Gläubiger diese angemessene Frist ab, bevor er sein Gestaltungsrecht ausübt, so ist der Rücktritt trotzdem wirksam.

Angesichts der Tatsache, dass hier ein Obergericht jedenfalls die Frist von 7 Tagen hat ausreichen lassen, dürfte es schwer sein, sich als Gläubiger darauf zurückzuziehen, dass die eigene gesetzte Frist zu kurz bemessen war, insbesondere, wenn sich der Beklagte Arbeitgeber hierauf nicht beziehen sollte.

Falls Sie zu dieser Problematik Rückfragen haben sollten, stehen wir selbstverständlich zur Verfügung.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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