Arbeitsrecht – Kündigung während Krankheit und Kündigung wegen Krankheit
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Immer wieder fällt in der Beratungspraxis auf, dass sowohl auf Seiten Arbeitnehmer als auch auf Seiten der Arbeitgeber Unsicherheiten darüber bestehen, in welcher Konstellation denn eine Kündigung zulässig ist und in welcher nicht. Dabei herrscht sowohl auf Arbeitnehmer- als auch auf Arbeitgeberseite oftmals der Irrglaube, dass allein eine bestehende Krankschreibung bzw. einer Erkrankung vor einer Kündigung schützt. Entsprechend hierzu ein paar kurze Anmerkungen.
Kündigung während der Krankheit
Grundsätzlich gilt: eine Kündigung ist nicht bereits deshalb unzulässig, nur weil sie während einer Krankschreibung des Arbeitnehmers ausgesprochen wurde. Allein eine bestehende Krankschreibung bewirkt also keinen besonderen Kündigungsschutz zugunsten des Arbeitnehmers.
Das bedeutet, dass für den Arbeitnehmer im Falle des Zugangs einer Kündigung während seiner Krankschreibung unmittelbar die Fristen für eine etwaige Kündigungsschutzklage zu laufen beginnen. Dabei im Übrigen auch dann, wenn der Arbeitnehmer gar nicht zu Hause ist, sondern beispielswies stationär im Krankenhaus behandelt wird.
Diese Wertungen treffen beispielsweise auch auf Kündigungen zu, welche während des Urlaubs des Arbeitnehmers ausgesprochen werden. Das im Übrigen selbst dann, wenn der Arbeitgeber genau weiß, dass der Arbeitnehmer verreist ist. Daher ist auch für den Falle einer Kündigung während einer bestehenden Krankschreibung allein entscheidend, dass die Kündigung in zu erwartender üblicher Form so beim Arbeitnehmer zugeht und er unter normalen Umständen in der Lage wäre, diese auch zur Kenntnis zu nehmen. Etwaige Risiken, wie eben eine Ortsabwesenheit während der Krankheit (z.B. Krankenhausaufenthalt) oder auch eine sonstige Ortsabwesenheit wie Urlaub, gehen zu Lasten des Arbeitnehmers.
Natürlich, wer so krank ist, dass er absolut nicht in der Lage ist, die Kündigung wahrzunehmen, für den gibt es Optionen zu einem späteren Zeitpunkt die eigentlich verstrichene Frist der Kündigungsschutzklage wieder zu heilen, vgl. § 5 Abs. 1 KSchG. Das wäre möglicherweise für denjenigen zu prüfen, der nach einem plötzlichen Unfall im Krankenhaus ins künstliche Koma versetzt wird und in keinerlei Hinsicht weder die Option hatte, eine zwischenzeitlich zugegangene Kündigung überhaupt zu realisieren noch einen Vertreter für die übliche Kontrolle des Briefkastens zu benennen konnte. Beispielhaft ebenso Sächsisches LArbG 4 Ta 19/15 für den Fall einer Krankschreibung während einer Schwangerschaft, welche nachweislich als Risikoschwangerschaft anzusehen war, sodass Krankenhausaufenthalte und andere Ortsabwesenheiten notwendig waren. Jedoch ist die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage im Sinne des § 5 KSchG eine Ausnahmeregelung, welche eng anzuwenden ist. Auf die Möglichkeit einer nachträglichen Zulassung einer Kündigungsschutzklage sollte sich also keinesfalls verlassen werden.
Zu unterscheiden ist aber letztlich zwischen der grundsätzlichen Möglichkeit, eine Kündigung auszusprechen bzw. diese zu erhalten und der weiteren Frage, ob die Kündigung überhaupt rechtmäßig ist. Allein die Möglichkeit einer Kündigung des Arbeitsvertrags während einer Krankschreibung sagt bekanntlich nichts über die Berechtigung der Kündigung aus. Das allerdings ist nur dann überprüfbar, wenn die Fristen für die Kündigungsschutzklage eingehalten werden, egal ob man nun während des Erhalts der Kündigung krank ist oder nicht.
Kündigung wegen einer Krankheit
Grundsätzlich gilt: ja, eine Kündigung kann auch wegen einer Krankheit ausgesprochen werden. Das sind also die Fälle, in denen die Krankheit des Arbeitnehmers unmittelbar den eigentlichen Kündigungsgrund darstellt. Die Krankheit des Arbeitnehmers steht also der Erbringung seiner Arbeitsleistung entgegen. Dabei handelt es sich um einen Fall der personenbedingten Kündigung. Eine solche ist natürlich möglich und im KSchG auch vorgesehen. Jedoch muss sich die Kündigung an den Maßstäben des Kündigungsschutzes messen lassen. Die Hürden für eine krankheitsbedingte Kündigung sind hoch, sodass den Arbeitgeber genaue Prüfpflichten treffen, bevor er eine solche Kündigung ausspricht.
Vereinfacht gesagt muss der Arbeitgeber vorab ein dreistufiges Prüfungsschema einhalten, anhand dessen er die Option einer Kündigung abschätzen kann. Kurz umrissen und ohne dies an dieser Stelle zu vertiefen, muss der Arbeitgeber also
- eine negative Gesundheitsprognose vornehmen, nach welcher nicht zu erwarten ist, dass sich das Krankheitsbild des Arbeitnehmers ändern wird,
- prüfen, ob durch die fortlaufende Erkrankung der Betriebsablauf gestört bzw. betriebliche Interessen nachhaltig berührt ist,
- eine Interessenabwägung vornehmen, inwieweit die Belastung durch den krankheitsbedingten Arbeitsausfall nicht weiter hinzunehmen sind.
Wichtig aber nochmals: ob die Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung vorliegen bzw. ob der Arbeitnehmer eine ausreichende Sachverhaltsprüfung vorgenommen hat, können nur dann geprüft werden, wenn die Frist für die Kündigungsschutzklage eingehalten wird. Da also eine krankheitsbedingte Kündigung grundsätzlich möglich ist, löst diese auch die 3-wöchige Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage aus, welche unbedingt eingehalten werden muss. Anderenfalls droht die Kündigung wirksam zu werden, selbst dann, wenn der Arbeitgeber Fehler in seiner Kündigungsentscheidung gemacht hat.
Merke also:
Alleine eine Krankschreibung oder aber eine Erkrankung schließen für sich genommen eine Kündigung nicht aus. Weder ist eine Kündigung während einer Krankschreibung noch wegen einer Erkrankung im Grundsatz ausgeschlossen. Ob die Kündigung selbst gerechtfertigt ist, bleibt eine andere Frage. Doch nur dann, wenn die Fristen für eine Kündigungsschutzklage eingehalten werden, lässt sich der Punkt der Berechtigung der Kündigung überhaupt prüfen.
Arbeitnehmer müssen folglich zwingend dafür Sorge tragen, dass beispielsweise bei längeren krankheitsbedingten Ortsabwesenheiten (z.B. Krankenhausaufenthalt, Kur usw.) die regelmäßige Kontrolle des Postzugangs gewährleistet ist. Nur so kann rechtzeitig reagiert werden. Auf keinen Fall sollte eine während der Zeit einer Krankschreibung zugegangene Kündigung in dem Glauben ignoriert werden, dass diese von vornherein unzulässig sei.
Arbeitgeber hingegen müssen vor allem bei der Frage der krankheitsbedingten Kündigung genau schauen, ob die Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung vorliegen. Passiert das nicht, dürfte klar sein, dass die Chancen des Arbeitnehmers gut stehen, gegen die ausgesprochene Kündigung erfolgreich vorzugehen. Denn allein eine formell zulässige krankheitsbedingte Kündigung lässt diese noch lange nicht materiell rechtmäßig werden.
Sollten Sie Rückfragen zu diesem oder einem anderen Sachverhalt haben, können Sie mich gern kontaktieren. Sie erreichen mich idealerweise über das Kontaktformular oder per Email.
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