Arbeitsverweigerung: Kündigung erfolgreich, selbst dann, wenn Arbeitnehmer meint, er dürfe die Arbeit verweigern

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LAG Nürnberg, Urteil vom 01.06.2021 – 7 Sa 473/20 -, stellt wie folgt klar: “Die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist geeignet, eine Kündigung, sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung, zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm angewiesene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachdrücklich nicht leisten will. Ob er zur Arbeitsleistung verpflichtet war, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage. Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung unter Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist.“ Quelle: Beck-online.de

Was ist passiert?

LAG: „Die 1976 geborene, verheiratete und drei Kindern unterhaltspflichtige Klägerin war bei der Beklagten seit 10.07.2004 auf Geringverdienerbasis beschäftigt, seit 01.02.2008 sozialversicherungspflichtig als Kinderbetreuung zu den Bedingungen des Formulararbeitsvertrages vom 18.10.2007…Am 15.06.2018 telefonierte die Klägerin mit der Personalleiterin der Beklagten wegen der Wiederaufnahme der Beschäftigung und teilte mit, dass sie wegen der Pflegesituation möglichst vormittags zwischen 09:00 Uhr und 12:00 Uhr arbeiten wolle. Dies lehnte die Personalleiterin telefonisch ab. Mit E-Mail vom 26.06.2018 teilte die Klägerin mit, „dass es mir momentan leider nicht möglich ist (nach Beendigung der Pflegezeit), meine Arbeit wieder aufzunehmen. Gerne würde ich, wenn es meine persönliche Situation wieder zulässt, auf Ihr Angebot zurückgreifen…Die Klägerin nahm weder am ersten Tag nach Ende der Pflegezeit, dem 17.07.2018, noch am Donnerstag, dem 19.07.2018 die Arbeit auf. Sie erkrankte ab 17.07.2018 bis 19.08.2018 arbeitsunfähig..“ Quelle: Beck-online.de

Arbeitnehmerin beruft sich auf ihr – vermeintliches Zurückbehaltungsrecht – und nimmt nicht mehr die Arbeit auf

LAG Nürnberg: „Mit Schreiben vom 26.09.2018 teilte ihr Prozessbevollmächtigter mit, dass die Klägerin bezüglich ihrer Arbeitskraft von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch mache wegen nicht gewährter Entgeltfortzahlung im Juli und August 2018 sowie nicht ausgezahltem Urlaubsgeld 2018. Die Arbeit nahm die Klägerin in der Folgezeit nicht auf. Mit Schreiben vom 28.01.2019 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos aus wichtigem Grund, hilfsweise ordentlich zum nächst zulässigen Termin.“

LAG Nürnberg stellt klar: Ordentliche verhaltensbedingte Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung ist erfolgreich

LAG Nürnberg: „Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG, in jüngerer Zeit mit Urteil vom 13.12.2018 - 2 AZR 370/18 -, Rn. 30, zitiert nach juris, grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann.“

Abmahnung nicht immer zwingend erforderlich

LAG Nürnberg: „Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Der Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist.“ Quelle: Beck-online.de

Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm angewiesene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachdrücklich nicht leisten will

LAG Nürnberg: „Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, geeignet, eine Kündigung, sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung, zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm angewiesene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachdrücklich nicht leisten will. Ob er zur Arbeitsleistung verpflichtet war, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage. Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung und macht ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB geltend, unterliegt die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes nach der Rechtsprechung des BAG dem Gebot von Treu und Glauben und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.“ Quelle: Beck-online.de

Der Grundsatz von Treu und Glauben verbietet es dem Arbeitnehmer, seine Arbeitsleistung wegen eines verhältnismäßig geringfügigen Lohnanspruches zurückzuhalten. 

Das LAG Nürnberg wie folgt erklärend: „Dies folgt aus einer Analogie zu § 320 Abs. 2 BGB,..Die Grenze der Geringfügigkeit ist dabei jedenfalls mit einem Zahlungsrückstand von eineinhalb bis zwei Monatsvergütungen überschritten..“

Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist

LAG Nürnberg stellt folgendes klar: „Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die geschuldete Arbeitsleistung nach dem Ende der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit am 22.09.2018 bis zum Ausspruch der Kündigung vom 28.01.2019 nicht erbracht. Dies war ein Verstoß gegen die ihr obliegende vertragliche Hauptleistungspflicht zur Arbeit nach § 611 BGB. Der Verstoß war auch beharrlich, da er über Monate hinweg fortgesetzt wurde bis zum Ausspruch der Kündigung. Der Vertragsverstoß war schließlich rechtswidrig und schuldhaft. Der Klägerin stand kein wirksam ausgeübtes Leistungsverweigerungsrecht für die Zurückbehaltung ihrer Arbeitskraft zur Seite. Im Zeitpunkt der Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes lagen Rückstände bei der Gehaltszahlung von mehr als einem Bruttomonatsentgelt nicht vor.“ Quelle: Beck-online.de

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren ausschließlich als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Haben Sie Fragen in Bezug auf die Kündigung von Mitarbeitern/innen? Rufen Sie noch heute Rechtsanwalt Helmut Naujoks an, Spezialist als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht. In einer kostenlosen und unverbindlichen telefonischen Ersteinschätzung beantwortet Rechtsanwalt Helmut Naujoks Ihre Fragen zum Kündigungsschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie zu den Rechten und Pflichten des Betriebsrats gemäß Betriebsverfassungsgesetz.


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