Art. 240 § 7 EGBGB & § 313 BGB: mehr Klarheit für Gewerbemieter und Pächter in der Corona-Pandemie?

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Die Corona-Pandemie hat 2020 und Anfang 2021 Pächter von Gastronomieflächen und Mieter von Gewerbeflächen hart getroffen. Staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sorgten für wochenlange Schließungen, einbrechende Umsätze und zugleich weiterlaufende Miet- und Pachtkosten.  

Wegen Mietmangels aufgrund der staatlichen Maßnahmen durften Betroffene Zahlungen nicht reduzieren. Und auch ein Anspruch auf Anpassung des Gewerbemietvertrages bzw. Pachtvertrages wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) wurde 2020 von den Gerichten eher abgelehnt. Mit schwerwiegenden Folgen für Betroffene: denn das Verwendungsrisiko in Bezug auf angemietete Gewerbeflächen im Zusammenhang mit staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie ruhte so faktisch allein auf den Schultern der Mieter bzw. Pächter.

Erstaunlich, da der Bundesgerichtshof (BGH) noch 2019 erklärt hatte: auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) und den Anspruch auf Anpassung eines Vertrages kann man sich berufen, wenn sonst eine Existenzgefährdung eintritt. Und das ist – rückblickend auf den Frühling 2020 und den Winter 20/21 – oftmals der Fall (gewesen).  

Deshalb wurde nun gesetzlich mehr Klarheit geschaffen. Seit 01.01.2021 gilt Art. 240 §7 EGBGB, der als gesetzliche Vermutung Gewerbemietern und Pächtern mehr Rechtssicherheit geben soll.

Inhalt der neuen Vorschrift

Art. 240 § 7 EGBGB trat mit folgendem Wortlaut in Kraft:  

Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen

(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.

(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.

Die Norm stellt jedoch „nur“ eine sog. gesetzliche Vermutung auf, dass § 313 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage) auf die Situation anzuwenden ist, dass Gewerbemieter und Pächter wegen Pandemiebekämpfungsmaßnahmen (Schließung, enormer Kundenrückgang) erhebliche Umsatzeinbußen erleiden.

Um als Mieter / Pächter einen Anspruch auf Anpassung des eigenen Vertrages gegen den Vermieter / Verpächter nach § 313 BGB zu haben, müssen im konkreten Fall auch weitere Voraussetzungen erfüllt sein. Im konkreten Fall muss z.B. der Mieter / Pächter beweisen können, dass es ihm nicht zuzumuten ist, trotz vollständig veränderter Rahmenbedingungen am bisherigen Gewerbemietvertrag bzw. Pachtvertrag unverändert festzuhalten. Nur wenn das im konkreten Fall nachweisbar ist, kann man als Mieter / Pächter aktiv die Anpassung der Zahlungen an die verheerende finanzielle Situation verlangen.

Wer profitiert von Art. 240 § 7 EGBGB?  

Speziell Gewerbemieter von Ladenlokalen im Einzelhandel, aber auch Pächter von Restaurants, Cafés und Bars können Vorteile aus dieser neuen Vorschrift ziehen, wenn sie ihre Geschäftslokale wegen Maßnahmen der Behörden zur Bekämpfung der Corona-Pandemie kaum oder nicht nutzen konnten. Anders sieht es hingegen für Gewerbemieter von Büroflächen aus. Auch wenn die Büroflächen wegen Anordnung von Homeoffice wochenlang kaum genutzt werden, ist es ja grundsätzlich möglich, dass weitergearbeitet wird. Von Existenzbedrohung kann hier nicht die Rede sein.

Zusätzlich gehe ich davon aus, dass im Einzelfall auch Unternehmen, die nicht schließen mussten, aber kaum noch Kunden hatten (z.B. Einzelhandel von November bis Mitte Dezember 2020), von Art. 247 § 7 EGBGB in Verbindung mit § 313 BGB profitieren.

Lockdown 2020 und Lockdown 2021 erfasst?  

Fragt sich allerdings: Greift die neue Vorschrift, die seit 01.01.2021 in Kraft ist, sowohl für den Lockdown im Winter 2021 als auch den im Frühjahr 2020? Es kommt darauf an. Denn in Deutschland wirken Gesetze grundsätzlich immer erst ab dem Zeitpunkt, an dem sie in Kraft treten. Gesetze dürfen sich von Verfassung wegen nicht auf Sachverhalte beziehen, die VOR ihrem Inkrafttreten faktisch abgeschlossen waren (sog. Rückwirkungsverbot). Aus diesem Grund gilt auch Art. 240 § 7 EGBGB nur für Konstellationen, die  

  • sich zeitlich ab dem 01.01.2021 ergeben haben bzw.  
  • zum 01.01.2021 nicht komplett abgeschlossen waren.  

Deshalb greift die gesetzliche Vermutung von Art. 240 § 7 EGBGB einerseits für alle Konstellationen, in denen es seit Herbst 2020 bis in das Jahr 2021 hinein („Lockdown 2021“) zu erheblichen Beeinträchtigungen durch behördliche Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung bei Gewerbemietern / Pächtern kam. Das betrifft damit zunächst z.B. Restaurants etc. und später auch körpernahe Dienstleistungen und den Einzelhandel. 

Aber auch Mieter und Pächter, die der erste Lockdown im Frühjahr 2020 hart getroffen hat, können ggf. von Art. 240 § 7 EGBGB profitieren und sich auf die Norm berufen. Das gilt allerdings nur, wenn Mieter bzw. Pächter Miet- und Pachtzahlungen aus diesem Lockdown nicht vollständig geleistet haben oder Zahlungen gestundet wurden – also schlichtweg nicht alle Zahlungen (in voller Höhe) für 2020 in 2020 erfolgten. Denn nur wenn alle Zahlungen für 2020 in 2020 zu 100% geleistet wurden, ist der Sachverhalt vor Inkrafttreten von Art. 240 § 7 EGBGB vollständig abgeschlossen – nur dann greift das Rückwirkungsverbot.

Auswirkungen  

Wer sich auf Art. 240 § 7 EGBGB berufen kann, kann von seinem Vermieter oder Verpächter die Anpassung des Miet- oder Pachtvertrages in Bezug auf die vereinbarte Miete oder Pacht verlangen. Das gilt jedoch nur, wenn es für den Mieter / Pächter unzumutbar ist (wegen Existenzbedrohung!), an den vereinbarten Zahlungen festzuhalten.

Wichtig! Der Anspruch auf Anpassung greift nur für Zeiträume, in denen die Pandemie-Bekämpfungsmaßnahmen erhebliche Auswirkungen auf die Einnahmesituation des Mieters oder Pächters hatte.  

Hinzu kommt: Die Reduzierung der Miet- oder Pachtzahlungen muss auch für den Vermieter / Verpächter zumutbar sein. So ist es beispielsweise einem großen Immobilienunternehmen eher zuzumuten, dass die Miete oder Pacht zeitweise (erheblich) reduziert wird. Anders kann der Fall liegen, wenn der Vermieter / Verpächter aus den Einnahmen quasi seinen gesamten Lebensunterhalt bestreitet.

Was ist zu tun? 

Wer als gewerblicher Mieter oder Pächter von behördlichen Maßnahmen der Pandemiebekämpfung finanziell hart getroffen wurde, sollte – nun auf Basis des Art. 240 § 7 EGBGB – mit seinem Vertragspartner zunächst verhandeln, ob und inwieweit eine Anpassung der Mietzahlungen für den Lockdown 2020 und 2021 eventuell möglich ist. Wird man sich einig, ist es aus Beweisgründen ratsam, das Ergebnis (Umfang und Dauer der Anpassung) schriftlich festzuhalten. Einigt man sich nicht, kann man den Anspruch auf Anpassung des Vertrages gem. § 313 BGB gerichtlich durchsetzen.

Wichtig! Wird man sich nicht einig, darf man nicht einfach weniger Miete / Pacht zahlen. Das kann schlimmstenfalls zu einer wirksamen Kündigung wegen ausstehender Mietzahlungen durch den Vermieter / Verpächter führen.

Sie wollen wissen, ob Sie sich auf Art. 240 § 7 EGBGB und § 313 BGB berufen können? Sie wollen Ihren Vertrag für den Lockdown 2020 und 2021 anpassen und den Anspruch ggf. auch vor Gericht durchsetzen? Kontaktieren Sie mich gerne in Köln unter 0221 / 1680 65 60 oder senden Sie mir eine Nachricht über das anwalt.de-Kontaktformular!


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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