Auch die Flucht vor der Polizei kann als verbotenes Kraftfahrzeugrennen strafbar sein

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Nachdem sich im Februar 2016 zwei junge Männer ein Rennen auf dem Kudamm geliefert hatten und dabei ein unbeteiligter Autofahrer ums Leben gekommen war, gab es einige Neuerungen im Strafrecht. Die beiden Raser wurden damals erstmals wegen Mordes vom Landgericht Berlin verurteilt. Darüber hinaus stellte der Gesetzgeber als Reaktion auf den Fall im August 2017 das verbotene Rennen mit Kraftfahrzeugen unter Strafe. Zuvor wurden Straßenrennen lediglich als Ordnungswidrigkeiten geahndet.

Mittlerweile gibt es zu dem neuen Straftatbestand zahlreiche Urteile. Auch das Oberlandesgericht Stuttgart hatte es mit einem Fall zu tun, in dem es im weiteren Sinne um ein Straßenrennen ging. Das Oberlandesgericht entschied hier mit Beschluss vom 04. Juli 2019 (4 Rv 28 Ss 103/19), dass auch die Flucht vor der Polizei ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen darstellen kann.

Das verbotene Kraftfahrzeugrennen

Das verbotene Kraftfahrzeugrennen ist in § 315d StGB geregelt. Danach wird bestraft, wer

im Straßenverkehr ein nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen ausrichtet oder durchführt (Nr. 1) oder

als Kraftfahrzeugführer an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen teilnimmt (Nr. 2) oder

sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen (Nr. 3).

Für die Erfüllung des Tatbestandes ist eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe vorgesehen. Wird durch das Rennen der Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen verursacht, steht eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren im Raum.

Der Begriff des Rennens

Bei einem Kraftfahrzeugrennen handelt es sich um einen Wettbewerb zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten. Entscheidend ist die möglichst schnelle Fortbewegung als Ziel dieses Rennens.

Flucht vor der Polizei als Straßenrennen

In dem vor dem Oberlandesgericht zu verhandelndem Fall wollte sich der Beschuldigte mit seinem Pkw einer Verkehrskontrolle entziehen. Die Polizeistreife hatte dem Beschuldigten zuvor das Haltesignal „Stopp Polizei“ angezeigt, woraufhin dieser sein Fahrzeug auf die höchstmögliche Geschwindigkeit beschleunigte. Um die ihn mit Blaulicht, Martinshorn und Haltesignal verfolgenden Polizeibeamten abzuhängen, hatte der Beschuldigte seine Fahrt innerorts bei zulässigen 50 km/h mit einer Geschwindigkeit von mindestens 140 km/h und außerorts bei zulässigen 70 km/h mit Geschwindigkeiten bis zu 180 km/h fortgesetzt. Dabei habe er eine rote Ampel missachtet, die Gegenfahrbahn befahren und an unübersichtlichen Stellen die Kurven geschnitten. Die Belange anderer Verkehrsteilnehmer, so hatte das Amtsgericht festgestellt, waren dem Beschuldigten gleichgültig. Aufgrund des Risikos für andere Verkehrsteilnehmer musste die Polizei ihre Verfolgung abbrechen.

Vom Amtsgericht Münsingen wurde der Beschuldigte deshalb wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens zu einer Geldstrafe verurteilt.

Das Oberlandesgericht schloss sich der Bewertung des Amtsgerichts an. Es sah die Polizeiflucht als von einem spezifischen Renncharakter geprägt an, sodass auch in Fällen der Polizeiflucht eine Strafbarkeit gemäß § 315d StGB vorliegen könne.

Der Beschuldigte, so argumentierte das Gericht, habe in der Absicht gehandelt, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Es sei dabei nicht erforderlich, das Fahrzeug auf die objektiv höchstmögliche Geschwindigkeit zu beschleunigen oder die technischen bzw. physikalischen Grenzen des Kraftfahrzeugs zu erreichen.

Maßgeblich sei vielmehr die Absicht des Fahrers, die nach den örtlichen Begebenheiten oder persönlichen Fähigkeiten des Fahrers mögliche relative Höchstgeschwindigkeit zu erreichen. Diese Absicht muss allerdings nicht der Haupt- oder Alleinbeweggrund für die Fahrt sein, andernfalls fiele die Polizeiflucht nicht unter den Tatbestand der verbotenen Kraftfahrzeugrennen.

Solche Fälle der Flucht vor der Polizei seien aber gerade aufgrund der mit den hohen Geschwindigkeiten verbundenen Risiken mit Wettbewerbssituationen vergleichbar, selbst wenn hierbei das Ziel des Wettbewerbs nicht im Sieg, sondern in der gelungenen Flucht liegt. Die Motive für die Absicht eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, müssten im Rahmen des § 315d StGB unerheblich sein, sofern eine gleiche abstrakte Gefährdung wie bei einem sportlichen Wettbewerb und ein spezifischer Renncharakter vorliegt.

Fazit

Das Oberlandesgericht hat durch den Beschluss klargestellt, dass auch die Flucht vor der Polizei dem neuen Straftatbestand unterfallen kann. Wer sich einer Polizeikontrolle entzieht und die Flucht ergreift, riskiert daher eine hohe Geldstrafe oder sogar eine mehrjährige Freiheitsstrafe.

Bei einer Vorladung als Beschuldigter wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens sollte man sich daher umgehend an einen Fachanwalt für Strafrecht wenden. Denn die Konsequenten, die bei einer Verurteilung drohen, können sich ganz erheblich auf den weiteren Lebensweg des Betroffenen auswirken. Dies gilt umso mehr, wenn bei der Flucht andere Personen verletzt worden sein sollten. Denn in diesen Fällen scheint seit den Kudammrasern ein anderer Wind zu wehen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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