Aufhebungsvertrag - Gebot fairen Verhandelns

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Es ist möglich, dass ein Aufhebungsvertrag unter Verstoß gegen das Prinzip fairer Verhandlungen zustande gekommen ist. Die Beurteilung, ob dies der Fall ist, hängt von den Gesamtumständen der konkreten Verhandlungssituation im Einzelfall ab. Die Tatsache allein, dass der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme seines Angebots abhängig macht, stellt an sich keine Verletzung der Pflicht gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB dar, selbst wenn dies dazu führt, dass dem Arbeitnehmer weder Bedenkzeit gewährt wird noch er den gewünschten Rechtsrat einholen kann.

In dem vorliegenden Streitfall geht es um die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags. Am 22. November 2019 führten der Geschäftsführer und der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten, der sich als Rechtsanwalt für Arbeitsrecht vorstellte, ein Gespräch mit der Klägerin, die als Teamkoordinatorin im Verkaufsbereich Haustechnik tätig war, in den Büroräumen des Geschäftsführers. Der Vorwurf gegenüber der Klägerin lautete, sie habe unrechtmäßig Einkaufspreise in der EDV der Beklagten geändert oder reduziert, um einen höheren Verkaufsgewinn vorzutäuschen. Nach einer etwa zehnminütigen Pause, in der die drei Anwesenden schweigend am Tisch saßen, unterzeichnete die Klägerin den von der Beklagten vorbereiteten Aufhebungsvertrag. Dieser Vereinbarung zufolge wurde das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 30. November 2019 beendet. Die genauen Einzelheiten des Gesprächsverlaufs sind umstritten. Die Klägerin focht den Aufhebungsvertrag am 29. November 2019 wegen widerrechtlicher Drohung an.

In ihrer Klage argumentierte die Klägerin unter anderem, dass ihr im Falle der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrags die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung sowie die Einreichung einer Strafanzeige in Aussicht gestellt worden seien. Ihr Bitte um eine längere Bedenkzeit und die Möglichkeit, rechtlichen Rat einzuholen, sei nicht nachgekommen worden. Dies stellte aus ihrer Sicht einen Verstoß der Beklagten gegen das Gebot fairer Verhandlungen dar. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, während das Landesarbeitsgericht sie auf die Berufung der Beklagten hin abwies.

Die Revision der Klägerin wurde vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts abgelehnt. Selbst wenn man den von der Klägerin geschilderten Gesprächsverlauf zu ihren Gunsten berücksichtigt, fehlte es an der widerrechtlichen Drohung, wie behauptet. Ein vernünftiger Arbeitgeber durfte in diesem Fall sowohl die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung als auch die Einreichung einer Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen. Das Landesarbeitsgericht entschied ebenfalls korrekt, dass die Beklagte nicht unfair verhandelt hat und somit keine Verletzung ihrer Pflichten gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB vorlag. Die Klägerin wurde nicht in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt, da die Beklagte den Aufhebungsvertrag gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zur sofortigen Annahme vorgelegt hat und die Klägerin daher sofort über die Annahme entscheiden musste.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Februar 2022 – 6 AZR 333/21 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17. Mai 2021 – 18 Sa 1124/20

Foto(s): www.kanzlei-steinwachs.de

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