Aufhebungsvertrag mit Betriebsratsmitglied keine „Begünstigung“ im Sinne von § 78 S. 2 BetrVG

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Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass regelmäßig keine nach § 78 Satz 2 BetrVG unzulässige Begünstigung des Betriebsratsmitglieds vorliegt, wenn der Arbeitgeber mit einem Betriebsratsmitglied eine Vereinbarung über die Beendigung des Anstellungsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung schließt, um einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung wegen verhaltensbedingter Gründe zuvorzukommen. Hierüber berichtet Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Bert Howald.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.03.2018 – gerichtl. Aktenz. 7 AZR 590/16

Welcher Sachverhalt ging dem voraus?

Betriebsratsmitglied K ist seit 1983 beim Arbeitgeber beschäftigt. Seit 2006 ist er Betriebsratsvorsitzender. Der Arbeitgeber beantragt im Juli 2013 beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung, weil er K schwerwiegende Pflichtverletzungen des Arbeitsvertrags vorwirft.

Die Parteien schließen am 22.07.2013 einen Aufhebungsvertrag. K soll nach dieser Vereinbarung einvernehmlich zum 15.12.2015 aus dem Unternehmen ausscheiden, dafür erhält er eine Abfindung von 120.000,00 EUR netto. K erklärte sich bereit, vom Betriebsratsamt zurückzutreten. Die Abfindung wird an ihn ausgezahlt.

Nun überlegt es sich K aber anders: Er erklärt den Rücktritt vom Aufhebungsvertrag und macht geltend, dass er über den 31.12.2015 hinaus beim Arbeitgeber beschäftigt sei. K hält den Aufhebungsvertrag für nichtig, weil er durch diesen als Betriebsratsmitglied in unzulässiger Weise begünstigt werde.

Wie entscheidet das Bundesarbeitsgericht?

Das Bundesarbeitsgericht folgt dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht, die beide bereits entschieden haben, dass der Aufhebungsvertrag wirksam war. Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürften Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Betriebsratstätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden. Deshalb seien auch Vereinbarungen nichtig, die hiergegen verstießen.

Durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrags werde das Betriebsratsmitglied allerdings regelmäßig nicht unzulässig begünstigt. Soweit die Verhandlungsposition des Betriebsratsmitglieds günstiger sei als die eines Arbeitnehmers ohne Betriebsratsamt, beruhe dies auf dem in § 15 KSchG und § 103 BetrVG geregelten Sonderkündigungsschutz. Damit meint das Bundesarbeitsgericht die Regelung im Kündigungsschutzgesetz, nach der die ordentliche Kündigung von Betriebsratsmitgliedern ausgeschlossen ist, und die Regelung im Betriebsverfassungsgesetz, nach der eine außerordentliche Kündigung von Betriebsratsmitgliedern der vorherigen Zustimmung durch den Betriebsrat bedarf und die fehlende Zustimmung nur durch arbeitsgerichtliche Entscheidung ersetzt werden kann.

Anmerkung für die Praxis:

Arbeitgeber brauchen bei Betriebsratsmitgliedern also keine Einschränkungen durch das Begünstigungsverbot zu befürchten, etwa wegen der Höhe von Abfindungen. Das Betriebsratsmitglied hat möglicherweise gute Gründe, weshalb es eine ansonsten für angemessen erachtete Abfindung als zu niedrig einstufen könnte und eine höhere Abfindung fordert. Dies ist sicherlich – wie das Bundesarbeitsgericht einräumt – dem höheren Kündigungsschutz geschuldet, den das Betriebsratsmitglied gegenüber anderen Belegschaftsmitgliedern genießt. Betriebsratsmitglieder müssen sich umgekehrt aber nicht auf eine freiwillige Beendigung des Arbeitsverhältnisses einlassen, wenn sie dies nicht wollen. Im vorliegenden Fall wird aus der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts nicht deutlich, was dem Betriebsratsvorsitzenden vorgeworfen wurde. Möglicherweise gibt es für beide Seiten Gründe, weshalb die Angelegenheit nicht einer vollständigen Aufklärung unterworfen werden sollte. Damit wird häufig der Betriebsfrieden auf eine harte Probe gestellt. Dies ist nicht immer erwünscht.

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart


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