Auslandskrankenversicherung muss 5.692,53 Euro zahlen

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Mit Urteil vom 16.10.2019 hat das Landgericht Dortmund eine Auslandskrankenversicherung verpflichtet, an meinen Mandanten 5.692,53 Euro zu zahlen. Der 1940 geborene Pensionär hatte für sich und seine 1942 geborene Ehefrau eine Auslandskrankenversicherung im Tarif Exklusiv Familienvertrag mit Verlängerung ab 66 Jahren abgeschlossen.

Gemäß § 3 der Versicherungsbedingungen bestand Versicherungsschutz auf der ganzen Welt. Der Versicherer erbrachte Leistungen bei akuter, unerwarteter Erkrankung im Ausland. Kein Versicherungsschutz bestand nach § 1 Nr. 1 c der Versicherungsbedingungen, wenn der Versicherungsnehmer vor Reiseantritt wusste oder es für ihn absehbar war, dass vor Reiseantritt bekannte Beschwerden, Erkrankungen oder Verletzungen während des Auslandsaufenthaltes behandlungsbedürftig werden.

Da der Mandant unter Bluthochdruck litt, hatte es sich das Ehepaar angewöhnt, morgens gemeinsam Blutdruck und Puls zu messen. Dabei bemerkte die Ehefrau bei sich selbst einen unregelmäßigen Puls (Extrasystolen).

Sie ließ vorsorglich bei einem Kardiologen eine Echokardiographie mit Farbdoppler, ein EKG und eine diagnostische Ergometrie durchführen. Alle Werte waren unauffällig. Der Kardiologe stellte lediglich eine Neigung zur Extrasystolie fest und empfahl eine Abklärung der Herzkranzgefäße. Unter einer Extrasystolie versteht man Herzschläge, die unabhängig vom normalen Herzrhythmus auftreten. Extrasystolen treten auch beim Herzgesunden auf und haben häufig keinen Krankheitswert.

Einen Monat vor einem geplanten Urlaub fand eine multiparametrische Stressechokardiographie in einem Krankenhaus statt. Die Ärzte befundeten die Untersuchung: "Unauffällige Adenosin-Perfusions-Stresskardiographie" (MRT-Untersuchung, um die Durchblutung des Herzmuskels zu messen). Der Ehefrau wurde mitgeteilt, mit ihrem Herzen sei alles in Ordnung.

Während des Urlaubes wurde sie beim Schnorcheln im Meer von der Strömung erfasst und abgetrieben. Sie erreichte mit letzter Kraft ein Riff und konnte sich dort festhalten. Anschließend bekam sie keine Luft und hustete Blut und weißen Schaum. Sie konnte sich noch auf die Felsen setzen, bevor sie ohnmächtig wurde. Anschließend wurde sie vom Lifeguard aus dem Wasser gerettet und in einem Krankenhaus über eine Woche behandelt.

Aus den englisch verfassten Behandlungsunterlagen der Klinik ergab sich ein akutes pulmonales Ödem, das weiter abzuklären sei. Für die stationäre Behandlung berechnete das Krankenhaus 5.410,63 Euro, die der Mandant bezahlte. Hinzu kamen Kosten für Taxifahrten, Dolmetscher und Medikamente, so dass ein Gesamtschaden durch die Behandlung von 5.692,53 Euro entstand.

Die Versicherung lehnte die Übernahme sämtlicher Kosten ab. Der Anspruch sei nicht fällig. Der Mandant habe medizinische Unterlagen, welche für die Leistungsprüfung relevant seien, trotz mehrfacher Aufforderung nicht eingereicht. Eine Zahlung sei ausgeschlossen, weil die Ehefrau vor dem Urlaub gewusst habe, dass sie unter einer Herzerkrankung leide.

Ich habe die Versicherung auf Zahlung der Kosten für die stationäre Behandlung verklagt und argumentiert: Die Erkrankung sei plötzlich und unerwartet im Sinne der Versicherungsbedingungen gewesen. Nach dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen sei die subjektive Sicht des Versicherungsnehmers und der versicherten Person entscheidend (BGH, Urteil vom 21.09.2011, AZ: IV ZR 227/2009).

Zum Ausschluss der Leistungsfähigkeit könnten nur Tatsachen und Umstände führen, welche der Versicherungsnehmer bei Abschluss des Vertrages kenne und aufgrund derer ihm vor Reiseantritt bewusst sei, dass er mit einer Erkrankung im Urlaub rechnen müsse. Für die Ehefrau sei jedoch vor Reiseantritt nicht erkennbar gewesen, dass Beschwerden oder Erkrankungen während des Urlaubes behandlungsbedürftig werden würden.

Ganz im Gegenteil: Sämtliche Ärzte hatten nach Untersuchung ihres Herzens festgestellt, dass keine koronare Erkrankung vorlag. Nach medizinischer Abklärung gab es keine Befunde, um zum Zeitpunkt der Buchung der Reise Kenntnis vom Eintritt einer schweren Erkrankung im Urlaub zu haben (OLG Köln, Urteil vom 30.10.2009, AZ: 20 U 62/2009).

Der Ehemann habe sämtliche Unterlagen zur Prüfung des Versicherungsfalles übersandt.

Das Landgericht hat geurteilt: Das pulmonale Ödem der Ehefrau sei eine akute, unerwartete Erkrankung. Ob eine Erkrankung akut und unerwartet sei, hänge allein von der subjektiven Kenntnis des Versicherten ab (BGH NJW-RR 2012, 352).

Aus Sicht der Ehefrau habe keine Erkrankungsgefahr bestanden. Die Ärzte hätten ihr weder eine Herzerkrankung noch eine andere gesundheitliche Beeinträchtigung mitgeteilt. Es sei nicht ersichtlich, dass sie wusste oder es für sie absehbar war, dass bekannte Beschwerden während des Auslandsaufenthaltes behandlungsbedürftig würden. Beweisbelastet für bekannte Beschwerden vor Reiseantritt sei der Versicherer.

Der Anspruch sei auch fällig im Sinne von § 14 VVG. Nach § 14 Abs. 1 VVG sind Geldleistungen des Versicherers fällig mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen. Die Versicherung habe die Leistung endgültig außergerichtlich abgelehnt. Die Leistung des Versicherers werde fällig mit Zugang der Ablehnung (Prölss/Martin/Armbrüster, 30. Auflage, 2018, VVG, § 14, Rdn. 3).

Dass die Versicherung während des Rechtsstreites nochmals in die Leistungsprüfung eingetreten sei, ändere nichts an der einmal entstandenen Fälligkeit. Eine Obliegenheitsverletzung durch die Nichtvorlage weiterer Behandlungsunterlagen sei weder behauptet noch ersichtlich. Es hätten sämtliche Unterlagen vorgelegen, die zur Prüfung des Leistungsfalles ausgereicht hätten. Es sei auch keine Belehrung über die Folgen der Nichtvorlage der Unterlagen gemäß § 28 Abs. 4 VVG erfolgt.

Die Versicherung wurde verurteilt, die Kosten für die stationäre Behandlung in Höhe von 5.125,78 Euro, der radiologischen Untersuchungen in Höhe von 237,75 Euro, für Medikamente in Höhe von 29 Euro sowie die Taxikosten ins Krankenhaus in Höhe von 150 Euro, Krankenhaustagegeld in Höhe von 150 Euro zu zahlen. Die Dolmetscherkosten in Höhe von 150 Euro waren nach den Versicherungsbedingungen nicht zu erstatten.

(Landgericht Dortmund, Urteil vom 16.10.2019, AZ: 2 O 48/2019)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht



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