Ausschluss der Öffentlichkeit bei Inaugenscheinnahme von Kinderpornographie

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Das gerichtliche Strafverfahren unterliegt bestimmten Grundsätzen, welche zu beachten sind. 

Einer der Grundsätze ist das sogenannte „Öffentlichkeitsprinzip“. Dieses besagt, dass die mündlichen Gerichtsverhandlungen grundsätzlich öffentlich sein müssen, d.h. jedermann daran teilnehmen kann. 

Geregelt ist dies unter anderem in § 169 Abs. 1 S. 1 GVG. Darüber hinaus ist in dem Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) geregelt, unter welchen Umständen von diesem Grundsatz abgewichen werden kann oder muss. Beispielsweise wird in Familiensachen nicht öffentlich verhandelt oder unter Umständen bei Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder das Leben. 


Die Entscheidung über den Ausschluss der Öffentlichkeit liegt teilweise in der Hand der betroffenen Personen, teilweise steht sie zur Disposition des zuständigen Gerichtes. 

Zudem kann der Ausschluss sich in seiner Dauer und dem Umfang unterscheiden. Die Öffentlichkeit kann somit beispielsweise nur für einen bestimmten Verhandlungsabschnitt ausgeschlossen werden, ansonsten jedoch beiwohnen. Unter bestimmten Umständen kann sich der Ausschluss aber auch über die Verhandlung hinaus auf die am Schluss gestellten Anträge am Ende der Verhandlung erstrecken. 


Welche Möglichkeiten des Ausschlusses der Öffentlichkeit bestehen bei der Inaugenscheinnahme kinderpornographischer Inhalte? 

Bei der Inaugenscheinnahme kinderpornographischer Inhalte kommen verschiedene Vorschriften in Betracht, nach welchen die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden kann.

Es geht dabei zum Beispiel um die Begutachtung von Fotos oder Videos von Kindern (Personen unter 14 Jahren), welche sexuelle Handlungen vornehmen oder deren Geschlecht entblößt und sexualisiert darstellen. 


Daraus ergibt sich oftmals ein Öffentlichkeitsausschluss nach § 172 Nr. 1 GVG wegen Gefährdung der Sittlichkeit. 

„Gefährdung der Sittlichkeit“ wird angenommen, wenn sexuelle Vorgänge thematisiert werden, welche das Sittlichkeits- und Schamgefühl der unbeteiligten Allgemeinheit verletzt. Die Beurteilung steht dabei im Ermessen des Gerichtes, in der Regel wird dies aber allein auf Grund der gesetzlichen Wertung von den Tathandlungen im Zusammenhang mit Kinderpornographie bejaht. 

In diesem Fall wird die Öffentlichkeit für einen bestimmten Zeitraum oder vollständig von der Verhandlung ausgeschlossen. Den Plädoyers kann in der Regel beigewohnt werden. 


Grundsätzlich kommt auch ein Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b Abs. 1 StGB in Betracht. 

Ein solcher muss erfolgen, wenn die betroffene Person dies beantragt und die weiteren Voraussetzungen vorliegen. Dies erfordert, dass der Schutz der thematisierten Privat- und Intimsphäre gegenüber dem Interesse, diese Umstände öffentlich zu erörtern, überwiegt.  

Das Gericht kann über den Öffentlichkeitsausschluss aber auch nach eigenem Ermessen entscheiden, sofern die betroffene Person nicht widerspricht. 


Die Öffentlichkeit kann für die Dauer der Erörterung der entsprechenden Umstände ausgeschlossen werden. Jedoch ausnahmsweise auch darüber hinaus für jegliche Abschnitte der Hauptverhandlung, insbesondere auch der finalen Schlussplädoyers. Die Möglichkeit von den Schlussanträgen auszuschließen, besteht nach § 171 Abs. 3 S. 2 GVG, wenn es sich um bestimmte Straftaten handelt, darunter auch Straftaten im Zusammenhang mit Kinder- oder Jugendpornographie, und die Öffentlichkeit zumindest teilweise nach § 171b Abs. 1 oder 2 GVG ausgeschlossen war. Dies soll verhindern, dass die schutzwürdigen privaten Umstände im Rahmen der Schlussplädoyers dennoch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. 


Wann wird bei der Inaugenscheinnahme von Kinderpornographie die Öffentlichkeit ausgeschlossen?

In den Fällen der Inaugenscheinnahme kinderpornographischer Inhalte wird die Vorschrift des § 172 Nr.1 GVG vorrangig angewendet. 

In aller Regel ist nämlich der Ausschluss der Öffentlichkeit wegen der Gefährdung der Sittlichkeit geboten. Aus diesem Grund kann die betroffene Person nicht über den Ausschluss nach § 171b GVG disponieren, da diesem ansonsten – trotz Gefährdung der Sittlichkeit – widersprochen werden könnte. 

Die Dispositionsbefugnis der betroffenen Person ist dann nachrangig gegenüber dem öffentlichen Interesse an einem Ausschluss. Konsequenterweise ist damit auch ein Ausschluss für die Schlussanträge („Plädoyer“) nach § 171 Abs. 3 S. 2 GVG nicht automatisch umfasst, da dieser für den Fall der Gefährdung der Sittlichkeit nicht vorgesehen ist. 

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