Bauvertrag kündigen wegen Insolvenz ?

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1. Kündigung nach § 8 VOB 
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B kann der Auftraggeber den Vertrag kündigen, wenn der Auftragnehmer seine Zahlungen einstellt, von ihm oder zulässigerweise vom Auftraggeber oder einem anderen Gläubiger das Insolvenzverfahren beantragt ist, ein solches Verfahren eröffnet wird oder dessen Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird1. In diesem Fall muss der Auftraggeber nur die bis dahin erbrachten Leistungen bezahlen, kann aber auch einen Ersatz für die nicht erfüllten Leistungen fordern2.

2. Widerspruch zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters?
Dieses Kündigungsrecht steht jedoch im Widerspruch zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO, der anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen oder ablehnen kann3. Es war lange umstritten, ob die VOB/B-Klausel in diesem Punkt unwirksam ist, weil sie das Wahlrecht des Insolvenzverwalters ausschließt oder beschränkt4.

3. Erste Entscheidung des BGH zum Kündigungsrecht nach VOB
Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 7. April 2016 entschieden, dass das Kündigungsrecht des Auftraggebers in § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B weder insolvenzrechtlichen noch agb-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Der BGH hat argumentiert, dass der Auftraggeber nach § 649 BGB und § 8 Abs. 1 VOB/B jederzeit zur Kündigung des Bauvertrages berechtigt ist, auch bei Insolvenz des Auftragnehmers. Daher kann der Insolvenzverwalter ohnehin immer mit einer Kündigung rechnen und hat kein schutzwürdiges Interesse an der Fortführung des Vertrages.

4. Neue Entscheidung des BGH zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters
Ja, es gibt auch einige neue Entscheidungen zu den Lösungsklauseln in der VOB/B, die sich mit der Wirksamkeit von insolvenzabhängigen Kündigungsrechten befassen. Eine Lösungsklausel ist eine vertragliche Regelung, die eine Partei zur Auflösung des Vertrages berechtigt oder den Vertrag automatisch enden lässt, wenn der andere Vertragspartner insolvent wird oder einen Insolvenzantrag stellt.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 27. Oktober 2022 (Az. IX ZR 213/21) klargestellt, dass solche Klauseln nicht generell unwirksam sind, sondern nur dann, wenn sie das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO unzulässig umgehen. 

Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters bedeutet, dass er nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entscheiden kann, ob er einen gegenseitigen Vertrag erfüllen oder ablehnen will. Eine Lösungsklausel darf dieses Wahlrecht nicht ausschließen oder beschränken, ohne dass dafür ein sachlicher Grund besteht.
Der BGH hat in seinem Urteil einige Kriterien aufgestellt, anhand derer die Wirksamkeit von Lösungsklauseln beurteilt werden kann. Dabei kommt es auf eine ex-ante Betrachtung an, also wie die Situation zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war. 

Zu berücksichtigen sind unter anderem:
- Die Art und der Inhalt des Vertrages
- Die Interessen der Vertragsparteien
- Die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien
- Die gesetzlichen Kündigungsmöglichkeiten
- Die Auswirkungen der Lösungsklausel auf die Insolvenzmasse und die Gläubiger.

Der BGH hat in seinem Urteil auch auf das frühere Urteil des 7. Zivilsenats vom 7. April 2016 (Az. VII ZR 56/15) verwiesen, in dem er die insolvenzabhängige Kündigungsklausel in § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B für wirksam erklärt hat. Diese Klausel erlaubt dem Auftraggeber, den Bauvertrag zu kündigen, wenn der Auftragnehmer seine Zahlungen einstellt oder insolvent wird. Der BGH hat argumentiert, dass diese Klausel das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nicht unzulässig umgeht, weil der Auftraggeber nach § 649 BGB und § 8 Abs. 1 VOB/B ohnehin jederzeit zur Kündigung des Bauvertrages berechtigt ist, auch bei Insolvenz des Auftragnehmers.

Das Bauvorhaben in der Krise ist ein komplexes Thema, das man mit einem Fachanwalt genau besprechen sollte.

Hermann Kulzer MBA, Fachanwalt für InsR



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