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Beamtenrecht: Welche Freizeitaktivitäten sind während einer Krankschreibung erlaubt?

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Nicht selten tritt die Frage auf, welchen Freizeitaktivitäten ein Beamter während einer Krankschreibung nachgehen darf. 

Pflicht zu vollem persönlichen Einsatz

Grundsätzlich hat jeder Beamte die Dienstpflicht, sich mit vollem persönlichem Einsatz seinem Beruf zu widmen. Dies ist eine Kernpflicht. Ist der Beamte jedoch dienstunfähig erkrankt, kann er diese Pflicht vorübergehend nicht erfüllen. An ihre Stelle tritt die Pflicht, alles Mögliche und Zumutbare für die alsbaldige Wiederherstellung der Dienstfähigkeit zu tun. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss er diesem Ziel den Vorrang vor allen anderen Interessen geben. Er muss sich im Krankenstand so verhalten, dass er so bald wie möglich wieder imstande ist, Dienst zu leisten und alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, die nach den konkreten Umständen der Genesung und damit der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit dienen. Er muss alles unterlassen, was diese Wiederherstellung verzögern oder beeinträchtigen könnte (BVerwG, Urteil vom 27.6.2013 – 2 A 2.12).

Pflicht zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit

Was bedeutet das im Einzelfall? Darf der Beamte während einer Erkrankung überhaupt das Haus verlassen? Sind sportliche Aktivitäten erlaubt? Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat in einem Beschluss vom 29.05.2017 eine Geldbuße von 800,00 EUR bestätigt, die gegen eine offenbar im Polizeidienst tätige Beamtin (die Amtsbezeichnung wird in der Entscheidung nicht genannt, die Rede ist jedoch von Diensten in einer Einsatzhundertschaft und auf einem Flughafen) verhängt worden war, weil diese während der Zeiten ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit in den Jahren 2013 und 2014 an drei Reitturnieren in einer hohen Leistungsklasse teilgenommen hatte. Über die Art ihrer Erkrankung hatte die Beamtin dem Dienstherrn keine Auskunft erteilt. Der Dienstherr hatte angenommen, dass mit einer solchen Wettkampfsituation eine körperliche Anspannung und psychische Belastung in Form eines Erfolgsdrucks verbunden ist. Das OVG teilte die Einschätzung des Dienstherrn, dass diese Belastungen durchaus mit den Anforderungen des Dienstes in der Einsatzhundertschaft bzw. auf dem Flughafen vergleichbar sind.

Mit offenen Karten spielen

Der Beamtin obliegt es in einem solchen Fall, die Besonderheiten ihrer Erkrankung und die Unbedenklichkeit der konkreten Freizeitaktivität während der Genesungsphase zu belegen. Dies kann ggf. durch eine ärztliche Bescheinigung geschehen. Dem steht nicht entgegen, dass die Beamtin bei einer „Krankschreibung“ gegenüber ihrem Dienstherrn grundsätzlich nicht zu detaillierten Angaben über ihre Erkrankung verpflichtet ist. Verweigert sie jedoch Angaben und Belege, die eine nähere Beurteilung der Auswirkungen der körperlich oder psychisch anspruchsvollen Aktivitäten auf ihre Genesung ermöglichen, so hat sie sich dieser zur Vermeidung disziplinarischer Nachteile während der Genesungsphase zu enthalten.

Das OVG stellte deshalb eine Verletzung der Pflicht zu vollem persönlichen Einsatz und zudem eine Verletzung der beamtenrechtlichen Wohlverhaltenspflicht fest. Das Verhalten des Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Daraus folgt, dass der Beamte außerdienstlich, d. h. in seiner Freizeit, verpflichtet ist, alles zu unterlassen, was dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung schadet. Zum Zeitpunkt ihrer Teilnahme an den Reitturnieren war die Beamtin jeweils „krankgeschrieben“. 

Zwar ist die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit nicht mit Bettlägerigkeit gleichzusetzen. Aus der Sicht eines verständigen Betrachters musste es jedoch als widersprüchlich und in hohem Maße irritierend erscheinen, dass die Beamtin einerseits aufgrund ärztlicher Bescheinigungen „krankgeschrieben“ war, andererseits gleichwohl die körperlich und psychisch anspruchsvollen Wettkämpfe bestritt. Es liege nahe, so das OVG, dass ein verständiger Betrachter aus diesem widersprüchlichen Verhalten den Eindruck gewinnen konnte, dass die Beamtin im Krankenstand mache, was sie wolle, ohne sich um die Wiederherstellung ihrer Gesundheit zu kümmern, und dass der Dienstherr dieses Verhalten hinnehme, ohne dagegen vorzugehen. 

Dies gelte umso mehr, als nach den Ausführungen der Disziplinarverfügung der Eindruck entstehen konnte, die Beamtin habe die „Krankschreibungen“ benutzt, um auf diese Weise überhaupt die Möglichkeit zu haben, trotz enger Dienstpläne an den betreffenden Turnieren teilnehmen zu können. Dass ein solcher Eindruck das Ansehen des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen in ihn beeinträchtigt, liege auf der Hand. Der Leitsatz des Oberverwaltungsgerichts lautet: „Verweigert ein arbeitsunfähig erkrankter Beamter jegliche Angaben zu seiner Erkrankung, so darf der Dienstherr dem ersten Anschein nach von der Ausübung einer körperlich und/oder psychisch anspruchsvollen Freizeitaktivität während des Genesungszeitraums auf eine Beeinträchtigung der Wiedergenesung schließen.“

Ärztliche Bescheinigungen

Wie muss sich nach diesen Maßstäben der einzelne Beamte während einer Krankschreibung nun verhalten? Grundsätzlich gilt: Freizeitaktivitäten sind nicht per se verboten und zwar auch dann nicht, wenn sie körperlich oder mental anspruchsvoll sind. Sie müssen aber zu Art und Schwere der Erkrankung in Beziehung gesetzt werden und dürfen der Pflicht zur Wiederherstellung der Gesundheit nicht zuwiderlaufen. Die Wiederherstellung der Gesundheit hat absoluten Vorrang. So kann es z. B. während einer psychischen Erkrankung möglicherweise sogar förderlich sein, ausgedehnte Wanderungen zu unternehmen, um zur Ruhe zu kommen. Im Zweifelsfall sollte man, wie auch in der Gerichtsentscheidung erwähnt, mit offenen Karten spielen und eine ärztliche Bescheinigung einholen, dass die geplanten Aktivitäten unschädlich sind oder – besser noch – den Genesungsprozess sogar fördern. 

OVG Lüneburg – Beschluss vom 29.05.2017 – 6 AD 2/17


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