Behinderung der Betriebsratsarbeit: Betriebsrats-Wahlbeobachtung durch Mitarbeiter der Personalabteilung?

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„Die Wahlbeobachtung durch vor dem Wahllokal postierte Mitarbeiter der Personalabteilung des Arbeitgebers ist keine Behinderung der Betriebsratswahl. Der Betriebsrat besitzt kein Interesse daran, rückwirkend feststellen zu lassen, dass ein Verhalten des Arbeitgebers eine nicht angefochtene Betriebsratswahl behindert hat. Der Betriebsrat ist antragsbefugt, soweit er geltend macht, ein Verhalten des Arbeitgebers im Rahmen einer Betriebsratswahl stelle einen groben Verstoß i. S. von § 23 III BetrVG dar.“ – so lauten die amtlichen Leitsätze LAG Niedersachsen, Beschluss vom 07.05.2007 - 9 TaBV 80/06; Quelle: Beck-online.de

Was ist passiert?

LAG Niedersachsen: „Am 01.03.2006 fand im Betrieb der Arbeitgeberin die turnusmäßige Betriebsratswahl statt. Der Wahlvorstand hatte zur Durchführung der Wahl ein Wahllokal eingerichtet …Am 01.03.2006 hielten sich vor 5.00 Uhr in dem Wahllokal bereits die Personalleiterin der Arbeitgeberin B. und die Mitarbeiterin der Personalabteilung T. auf. Die beiden Mitarbeiterinnen richteten einen Tisch für sich ein, weil sie die Wahl beobachten wollten….In der Zeit von 5.00 Uhr bis 7.30 Uhr beobachteten die Personalleiterin B. und die Mitarbeiterin T. das Wahllokal, in der Zeit vom 9.00 Uhr bis 11.00 Uhr die Personalleiterin B. und die Mitarbeiterin L., in der Zeit von 13.00 Uhr bis 15.30 Uhr die Mitarbeiterinnen X. und Y.. Die Personalleiterin B. kam kurz nach 15.00 Uhr ebenfalls hinzu. Die Mitarbeiterinnen führten eine Strichliste und notierten hierauf die Namen von Mitarbeitern, die zwar vor 11.00 Uhr das Wahllokal betreten hatten, ihre Stimme aber erst nach 11.00 Uhr abgaben (Bl. 14 bis 16 d. A.). Der Mitarbeiter C. wurde von der Personalleiterin B. nach seinem Namen befragt, weil er ihr nicht namentlich bekannt war.“ Quelle: Beck-online.de

Laut Betriebsrat liegt eine Behinderung der Betriebsratswahl vor

LAG Niedersachsen: „Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, die Kontrolle der Teilnahme an der Betriebsratswahl durch die Personalleiterin B. und andere Mitarbeiterinnen der Personalabteilung stelle eine Wahlbehinderung dar. Durch die Einrichtung eines „Kontrollpunktes“ direkt vor dem Wahllokal habe die Arbeitgeberin auf die wahlberechtigten Arbeitnehmer unzulässigerweise Druck ausgeübt…Die Arbeitgeberin hat vorgetragen, kein Mitarbeiter sei von den Wahlbeobachtern daran gehindert worden, an der Betriebsratswahl teilzunehmen.“ Quelle: Beck-online.de

LAG Niedersachsen verneint Interesse an der Feststellung des Betriebsrats, ob die Wahl behindert worden ist oder nicht

LAG Niedersachsen: „Ein Interesse des Betriebsrates an der begehrten Feststellung ist dennoch zu verneinen. Der Betriebsrat erblickt in dem beanstandeten Verhalten der Arbeitgeberin eine Wahlbehinderung. Der regelmäßige Weg, Verstöße gegen die zum Schutz der Wahl erlassene Vorschrift des § 20 BetrVG geltend zu machen, ist der der Wahlanfechtung gem. § 19 BetrVG. Die Betriebsratswahl vom 01.03.2006 wurde nicht angefochten. Nach Ablauf der Wahlanfechtungsfrist des § 19 II BetrVG ist ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Feststellung von Verstößen gegen die Vorschriften der Betriebsratswahl nicht gegeben, weil damit die Folgen eines Verstoßes gegen das Verbot der Behinderung der Betriebsratswahl gem. § 20 BetrVG nicht mehr beseitigt werden können. Mehr als die theoretische Feststellung kann der Betriebsrat mit seinem Antrag nicht erzielen, auch nicht i. S. der Klärung einer für die Wahlanfechtung wesentlichen Frage. Der Betriebsrat kann mit der begehrten Feststellung auch keine Präventivwirkung für alle zukünftigen Betriebsratswahlen erreichen. Eine in diesem Sinne ergehende Entscheidung würde für künftige Wahlen keiner verbindlichen materiellen Rechtskraftwirkung fähig sein. Sollten sich daher die vom Betriebsrat gerügten Verstöße bei einer künftigen Betriebsratswahl wiederholen, bliebe auch dann nur der in § 19 BetrVG vorgesehene Weg der Anfechtung der Betriebsratswahl.“ Quelle: Beck-online.de

LAG Niedersachsen stellt klar:

„Der Betriebsrat kann von der Arbeitgeberin nicht gem. § 23 III BetrVG verlangen, es zu unterlassen, Mitarbeiter anzuweisen, sich im Rahmen einer Betriebsratswahl vor dem Wahllokal aufzuhalten und dort die an der Betriebsratswahl teilnehmenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Betriebes zu registrieren. Gemäß § 23 III BetrVG kann dem Arbeitgeber bei groben Verstößen gegen seine Verpflichtungen aus dem BetrVG aufgegeben werden, eine Handlung zu unterlassen. Die groben Pflichtverletzungen müssen objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend sein. Die vom Betriebsrat beanstandete Anweisung der Arbeitgeberin an die Mitarbeiter der Personalabteilung verstößt nicht gegen § 20 I oder II BetrVG. Gemäß § 20 I BetrVG darf niemand die Wahl des Betriebsrates behindern, insbesondere darf kein Arbeitnehmer in der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechtes beschränkt werden. § 20 I BetrVG schützt die freie Willensbetätigung über das Verbot der Wahlbehinderung. Gemäß § 20 II BetrVG darf niemand die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen. § 20 II BetrVG schützt die freie Willensbildung über das Verbot der Wahlbeeinflussung. Der Schutz des § 20 I und 2 BetrVG bezieht sich auf die Wahl des Betriebsrates. Wahl bedeutet hier nicht nur die eigentliche Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts. Dieser Begriff ist vielmehr im weitesten Sinne zu verstehen und umfasst alle mit der Wahl zusammenhängenden oder ihr dienenden Handlungen, Betätigungen und Geschäfte.“ Quelle: Beck-online.de

Wahlbeeinflussung liegt laut Gericht nicht vor

LAG Niedersachsen: „Als Wahlbeeinflussung ist jede Begünstigung oder Benachteiligung zu verstehen, die darauf abzielt, dass Wahlberechtigte (Arbeitnehmer des Betriebes) ihr Wahlrecht nicht nach der eigenen Willensentscheidung, sondern im gewünschten Sinne des Beeinflussenden ausüben. Dadurch soll die Integrität der Wahl geschützt werden. Der Betriebsrat hat nicht vorgetragen, dass die vom Betriebsrat gerügte Anweisung der Arbeitgeberin zur Folge hatte, dass die Teilnahme an der Betriebsratswahl i. S. von § 20 I BetrVG tatsächlich erschwert oder unmöglich gemacht worden ist. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Mitarbeiterinnen der Personalabteilung an einem Tisch gesessen und welche Eintragungen sie in Listen vorgenommen haben. Durch die bloße Anwesenheit der Personalleiterin der Arbeitgeberin sowie weiterer Mitarbeiterinnen vor dem Wahllokal wurde kein Arbeitnehmer i. S. von § 20 I BetrVG physisch daran gehindert, das Wahllokal zwecks Stimmabgabe aufzusuchen. Entgegen der Ansicht des Betriebsrates stellt die Beobachtung der das Wahllokal aufsuchende Mitarbeiter auch keine psychische Wahlbehinderung dar. Betriebsratswahlen sind betriebsöffentlich. Zwar ergibt sich dies nicht unmittelbar aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Jedoch gehört das Prinzip der Öffentlichkeit der Wahl zu den wichtigsten Sicherungen freier demokratischer Wahlen, da es eine effektive Kontrolle der ordnungsgemäßen Durchführung von Wahlen gewährleistet. Die Teilnahme an der Betriebsratswahl lässt sich schon deswegen nicht geheimhalten, weil im Wahllokal andere Personen (Wahlhelfer, Wähler) anwesend sind bzw. sein können. Der Betriebsrat hat auch nicht vorgetragen, dass sich durch die Präsenz von Mitarbeiterinnen der Personalabteilung der Arbeitgeberin unmittelbar vor dem Wahllokal ein Mitarbeiter vom Wählen hat abhalten lassen.“ Quelle: Beck-online.de

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