Behinderung der Betriebsratsarbeit: Hausverbot gegen Betriebsrat rechtswidrig

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„Die Verweigerung des Zutritts des Betriebsratsvorsitzenden zum Betrieb des Arbeitgebers durch Ausspruch eines Hausverbots stellt eine Behinderung der Betriebsratsarbeit im Sinne von § 78 Satz 1 BetrVG dar.“ – so lautet der amtliche Leitsatz des LAG Hessen (16. Berufungskammer), Beschluss vom 28.08.2023 – 16 TaBVGa 97/23.

Was ist passiert?

LAG Hessen: „Der Arbeitgeber (Beteiligte zu 3) betreibt Luftfahrt-Catering am F. Flughafen. Bei ihm ist ein Betriebsrat (Antragsteller zu 1) gebildet, dessen Vorsitzender der Antragsteller zu 2 ist. Am 6. April 2023 (Gründonnerstag) fand um 9:00 Uhr eine Betriebsratssitzung statt. Um 9:21 Uhr schrieb der „Head of HR“, A, an den Betriebsratsvorsitzenden eine E-Mail, wonach die Personalabteilung an diesem Tag nur bis 13:00 Uhr im Haus sei…Sodann ging der Betriebsratsvorsitzende zum Betriebsleiter E, der auf die E-Mail des Herrn A vom gleichen Tag verwies. Herr E war nicht dafür zuständig, die Unterlagen des Betriebsrats mit einem Eingangsstempel zu versehen. Daraufhin nahm der Betriebsratsvorsitzende im Vorzimmer der Betriebsleitung selbst den Eingangsstempel und versah unter dem Datum 6. April 2023 damit die Unterlagen des Betriebsrats, die er unter einer Tür durchschob. Der Arbeitgeber erstattete daraufhin Strafanzeige gegen den Betriebsratsvorsitzenden und sprach ein Hausverbot aus. Er leitete ferner beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main ein Verfahren auf Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat ein (Az. 10 BV 212/13) ein“. Quelle: Beck-online.de

Position des Arbeitgebers: Betriebsratsvorsitzender hat eine Urkundenfälschung begangen

LAG Hessen: „Es besteht auch der erforderliche Verfügungsanspruch. Die Verweigerung des Zutritts des Betriebsratsvorsitzenden zum Betrieb des Arbeitgebers durch Ausspruch eines Hausverbots stellt eine Behinderung der Betriebsratsarbeit im Sinne von § 78 S. 1 BetrVG dar. Danach dürfen die Mitglieder des Betriebsrats in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Dies erfolgte hier dadurch, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden ein Hausverbot aussprach. Wie sich aus § 23 Abs. 1 BetrVG ergibt, kann zwar der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Der Ausschluss aus dem Betriebsrat wird rechtswirksam mit Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Beschlusses; dies erfolgt rechtsgestaltend für die Zukunft. Bis zur Rechtskraft der Entscheidung bleibt das Betriebsratsmitglied im Amt. Hiermit stünde es in Widerspruch, wenn der Arbeitgeber durch den Ausspruch eines Hausverbots gegenüber dem Betriebsratsmitglied der Entscheidung des Arbeitsgerichts vorgreifen könnte.“ Quelle: Beck-online.de

„Gegebenenfalls (bei Vorliegen ganz gravierender Pflichtverletzungen, wenn die weitere Amtsausübung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Interesse einer ordnungsgemäßen Zusammenarbeit für den Arbeitgeber unzumutbar ist) müsste der Arbeitgeber einen Antrag auf vorläufige Untersagung der Amtsausübung beim Arbeitsgericht stellen“ – so das LAG Hessen feststellend; Quelle: Beck-online.de

LAG Hessen: „Der Arbeitgeber ist dagegen nicht befugt, dadurch Fakten zu schaffen, dass er dem Betriebsratsmitglied den Zutritt zum Betrieb verweigert. Selbst wenn man dies anders sehen und den Ausspruch eines Hausverbots gegenüber einem Betriebsratsmitglied ausnahmsweise für zulässig halten wollte, liegen die hieran zu stellenden strengen Anforderungen vorliegend nicht vor. Auszugehen ist davon, dass der Arbeitgeber zur ordnungsgemäßen Amtsausübung den Betriebsratsmitgliedern jederzeitigen Zugang zum Betrieb zu gewähren hat. Insoweit lässt sich sagen, dass das Hausrecht des Arbeitgebers immanent durch die Wahrnehmung des Betriebsratsamts beschränkt ist. Die Mitgliedschaft im Betriebsrat beinhaltet zugleich ein Zugangsrecht zum Betrieb. Allenfalls in Ausnahmefällen (bei ganz gravierenden Verletzungen der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG) kann etwas anderes gelten. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist insofern nicht maßgeblich darauf abzustellen, ob ein bestimmter Straftatbestand (hier: § 267 StGB) verwirklicht wurde, sondern ob eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Sinne von § 2 Abs. 1 BetrVG zwischen dem Betriebsratsmitglied und dem Arbeitgeber bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung im Amtsenthebungsverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG ausgeschlossen erscheint. Dabei sind die gesamten Umstände der Zusammenarbeit zu berücksichtigen.“ Quelle: Beck-online.de

Derart gravierende Störung der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bzw. Betriebsratsvorsitzenden liegt nicht vor

LAG Hessen: „Danach liegt hier keine derart gravierende Störung der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bzw. Betriebsratsvorsitzenden vor, die eine Behinderung des Zugangs des Betriebsratsvorsitzenden bis zum rechtskräftigen Abschluss des Amtsenthebungsverfahren rechtfertigen könnte. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das für den Arbeitgeber maßgebliche Geschehen (Anbringen eines Eingangsstempels des Arbeitgebers auf vom Betriebsrat einzureichenden Unterlagen) ein Teilaspekt eines Geschehensablaufs war, das seinen Ausgangspunkt in einer E-Mail des Arbeitgebers hatte, die dem Betriebsratsvorsitzenden während einer Betriebsratssitzung zugeleitet wurde, er daher davon keine Kenntnis nehmen konnte, dass an diesem Tag nur bis 13:00 Uhr Unterlagen bei der Personalabteilung abgegeben werden können. Infolgedessen reagierte der Betriebsratsvorsitzende bei dem Versuch der Zustellung an die Personalabteilung überzogen. Dies ist bei der Würdigung seines Verhaltens zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund erscheint sein (Fehl-) Verhalten jedenfalls nicht derart gravierend, dass es ein Hausverbot rechtfertigt.“ Quelle: Beck-online.de

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