Behinderung der Betriebsratsarbeit: Fortzahlung der Vergütung im Zustimmungsersetzungsverfahren

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„Der Betriebsrat verlangt vom Arbeitgeber im Eilbeschlussverfahren die Fortzahlung der Vergütung an eines seiner Mitglieder für die Dauer des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 BetrVG. Ast. und Beteiligter zu 1) ist der im Betrieb der Beteiligten zu 2) (Arbeitgeberin) gewählte Betriebsrat. Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Werbebranche. Ihr Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 1) zur außerordentlichen Kündigung der Mitarbeiterin A war erstinstanzlich erfolgreich (Beschluss des ArbG Frankfurt am Main vom 14. Febr. 2007 - 7 BV 190/06 - ). Beim Hessischen Landesarbeitsgericht ist insoweit ein Beschwerdeverfahren anhängig (5 TaBV 76/07). Die Arbeitgeberin stützt die beabsichtigte Kündigung darauf, dass die Mitarbeiterin A zwei Mitarbeiterinnen eines Dienstleisters aufgefordert hat, eine an die Beteiligte zu 2) gerichtete Rechnung über EUR 418,50 für ein Kolleginnengeschenk auf den Hauptauftraggeber der Beteiligten zu 2) umzuschreiben. Die Beteiligte zu 2) stellte Frau A seit dem Zustimmungsantrag zur Kündigung unter Fortzahlung der Vergütung frei. Betriebsratsarbeit durfte sie ausüben. Seit der erstinstanzlichen Stattgabe des Zustimmungsersetzungsantrages suspendierte sie Frau A ohne Vergütungszahlung.“ so beschreibt das LAG Hessen, Beschluss vom 03.05.2007 - 9 TaBVGa 72/07 – den Tatbestand des Falles; Quelle: Beck-online.de

Der Betriebsrat ist der Auffassung gewesen, die Einstellung der Vergütungszahlung stelle eine Ungleichbehandlung des Betriebsratsmitglieds und eine Behinderung der Tätigkeit des Betriebsrates dar

LAG Hessen: „Der Betriebsrat hat beantragt: 1. der Beteiligten zu 2) aufzugeben, dem Betriebsratsmitglied A über den 1. Febr. 2007 hinaus ihre monatliche Bruttovergütung in Höhe von EUR 4.000 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschlussverfahrens 7 BV 190/06 zu zahlen, 2. hilfsweise der Beteiligten zu 2) aufzugeben, es bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschlussverfahrens 7 BV 190/06 zu unterlassen, die Bruttomonatsvergütung des Betriebsratsmitglieds A von monatlich EUR 4.000 ab dem 1. Febr. 2007 einzustellen, 3. für jeden Fall der Zuwiderhandlung der Ag. ein Ordnungsgeld / Zwangsgeld in Höhe von EUR 10.000 anzudrohen.“ Quelle: Beck-online.de

Betriebsrat verliert vor dem Arbeitsgericht

LAG Hessen: „Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Anträge durch Beschluss vom 14. 3. 2007 - 7 BVGa 91/07 - zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, mit der vergütungsfreien Suspendierung von Frau A würde diese nicht in der Ausübung ihrer Betriebsratstätigkeit gestört oder behindert. Der Betriebsrat beachte nicht die Trennung zwischen der individualrechtlichen und betriebsverfassungsrechtlichen Ebene. Im Übrigen bestünde kein Verfügungsgrund. Mit der Stattgabe der Anträge würde die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen, was nur in Ausnahmefällen zulässig sei. Ein solcher könne hier nicht festgestellt werden.“ Quelle: Beck-online.de

LAG Hessen: Nichtzahlung des Vergütungsanspruches kann eine Behinderung der Betriebsratsarbeit darstellen

LAG Hessen: „Ein Verfügungsanspruch besteht gem. § 78 Satz 1 BetrVG, weil der Betriebsrat oder seine Mitglieder nach dieser Vorschrift von niemandem in der Ausübung ihrer Tätigkeit behindert werden dürfen. Auch individualrechtliche Maßnahmen, die sachlich nicht geboten sind, können gegen § 78 BetrVG verstoßen, z.B. Abmahnungen oder die Androhung einer Kündigung aus Anlass der Betriebsratstätigkeit oder eine sachlich nicht gebotene Versetzung. Bei einer Störung oder Behinderung der Betriebsratsarbeit durch den Arbeitgeber steht dem Betriebsrat ein Unterlassungs- oder Handlungsanspruch zu.  Auch die rechtswidrige Vorenthaltung der Vergütung ist als Unterlassungs- oder Handlungsansprüche des Betriebsrats auslösender Verstoß gegen § 78 Satz 1 BetrVG geeignet. Frau A wird zwar die Ausübung von Betriebsratstätigkeit weiterhin gestattet, eine Behinderung der Betriebsratstätigkeit liegt jedoch vor, wenn dem Betriebsratsmitglied nach erstinstanzlicher Zustimmungsersetzung für das Beschwerdeverfahren über Monate die Vergütung rechtswidrig vorenthalten wird. Dieses Verhalten ist geeignet, dem Betriebsratsmitglied den Boden für die Betriebsratstätigkeit zu entziehen. Ohne Vergütung ist es regelmäßig gezwungen, sich eine andere Tätigkeit zu suchen und ist damit außerstande, die Betriebsratstätigkeit im Betrieb noch weiter auszuüben, augenscheinlich eine Behinderung i.S. des § 78 Satz 1 BetrVG. Die Einstellung der Vergütungszahlung durch die Beteiligte zu 2) ist rechtswidrig, weil sie derzeit hierzu nicht berechtigt ist. Der Arbeitgeber kann einem Betriebsratsmitglied eine außerordentliche Kündigung erst dann wirksam aussprechen, wenn der Beschluss über die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung (§ 103 II BetrVG) rechtskräftig ist. Eine berechtigte Ablehnung der Arbeitsleistung und damit auch eine berechtigte Beendigung der Gehaltszahlung wird durch einen erstinstanzlichen Beschluss über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats für die Zeit vor Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses nicht bindend festgestellt.“

Anträge des Betriebsrats sind zurückzuweisen

LAG Hessen: „Die Anträge sind gleichwohl nicht begründet. Es handelt sich um eine Leistungs- oder Befriedigungsverfügung i.S. der §§ 935, 940 ZPO. Mit Stattgabe der Anträge würde die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen. Die Verurteilung zu einer Geldleistung durch eine Leistungsverfügung setzt deshalb eine Notlage des Arbeitnehmers voraus, die dieser bzw. hier der Ast. auch glaubhaft zu machen hat. Dementsprechend muss vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, dass das Betriebsratsmitglied ohne Vergütungszahlung im Umfang von EUR 4.000 zur Bestreitung seines Lebensunterhalts als Grundlage für die weitere Ausübung von Betriebsratstätigkeit nicht in der Lage ist…Von einem generellen finanziellen Unvermögen von Arbeitnehmern, einen längeren Zeitraum ohne Einkommen zu überbrücken, kann nicht ausgegangen werden.  Dies kann im Einzelfall anders sein. § 940 ZPO lässt eine einstweilige Verfügung nur zur Abwendung wesentlicher Nachteile zu und §§ 936, 920 II ZPO verlangt eine Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes, zumal ein erstinstanzlicher Beschluss im Hauptsacheverfahren nach § 85 I Satz 2 ArbGG vorläufig vollstreckbar wäre. Sicherlich muss ein Betriebsratsmitglied nicht sein Sparvermögen opfern, um bei rechtswidrigen Gehaltseinbehalt die weitere Betriebsratstätigkeit zu finanzieren, aber ohne Darlegung der konkreten finanziellen Verhältnisse ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht möglich.“ Quelle: Beck-online.de

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren ausschließlich als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Haben Sie Fragen in Bezug auf die Kündigung von Mitarbeitern/innen? Rufen Sie noch heute Rechtsanwalt Helmut Naujoks an, Spezialist als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht. In einer kostenlosen und unverbindlichen telefonischen Ersteinschätzung beantwortet Rechtsanwalt Helmut Naujoks Ihre Fragen zum Kündigungsschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie zu den Rechten und Pflichten des Betriebsrats gemäß Betriebsverfassungsgesetz.


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