Besserer Schutz vor ABMAHNUNGEN? - Wichtige gesetzliche Änderungen

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Mit einiger Verzögerung beschloss gestern, am 10.11.2020, der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs.

Ziel des Gesetzes ist es, dass gerade Klein- und Kleinstunternehmen vor Abmahnungen durch Mitbewerber oder Wirtschaftsverbände besser geschützt werden sollen.

1. Hintergrund und Systematik der Abmahnung 

Ausgangspunkt der Diskussion waren bekannt gewordene Fälle, wie zum Beispiel von Unternehmern, die auf ihrer Homepage Strickwaren anboten, allerdings diese fälschlich mit Kaschmir und Wolle deklarierte. Richtig wäre die Bezeichnung 50% Kaschmir und 50% Wolle gewesen.

In solchen Fällen wurde oft von einschlägig bekannten Verbänden oder von tatsächlichen oder nur vermeintlichen Mitbewerbern Abmahnungen ausgesprochen.

Eine Abmahnung stellt einen außergerichtlichen Hinweis eines Dritten dar, der einen auf eine Rechtsverletzung hinweist. Dabei schränkt das Gesetz den Personenkreis ein, der solche Abmahnungen aussprechen darf. Zusammen mit der Abmahnung werden in der Regel auch gleich die Rechtsanwaltskosten dafür geltend gemacht, die bei Wettbewerbs- und Markenrechtlichen Abmahnungen sehr schnell hohe Beträge von tausenden Euro betragen können.

Zudem wird eine solche Abmahnung in der Regel mit der Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung verbunden. Das heißt, die abgemahnte Person soll einen Vertrag unterschreiben, aus dem sie sich verpflichtet, für alle Zeiten einen bestimmten Rechtsverstoß zu unterlassen: Beispielsweise die Falschdeklarierung von Strickwaren. Hält sie sich nicht an diese Vereinbarung, so sind nach dem Vertrag oft hohe Vertragsstrafen von vielen tausend Euro an den Abmahner zu zahlen. Wird (vorschnell) eine solche Unterlassungserklärung unterschrieben, können auf den Abgemahnten hohe Kosten zukommen, die oft existenzgefährdend sind. Dabei sind die vorformulierten Unterlassungserklärungen oft zu weit, sodass ein erneuter Rechtsverstoß oft unvermeidbar ist.


2. Wesentliche Änderungen

Keine Änderungen hinsichtlich der Art des Rechtsverstoßes:

Die gesetzlichen Änderungen betreffen nicht das materielle Recht, also das, was einen Rechtsverstoß darstellt. Eine Falschdeklarierung von Strickwaren bleibt eine Falschdeklarierung von Strickwaren und kann weiterhin abgemahnt werden. Die grundsätzliche Herausforderung bleibt also bestehen:  Es gibt mittlerweile hunderte oder gar tausende von Hinweis,- Information und sonstigen Pflichten, an die sich letztlich jeder halten muss, der am Geschäftsleben teilnimmt. Sie gelten für den Dax Konzern genauso wie für den Friseursalon an der Ecke. Jede Nichtbeachtung stellt einen Rechtsverstoß dar und dieser Rechtsverstoß ist dann quasi automatisch auch immer eine wettbewerbswidrige Handlung iSd § 3a UWG. 

 

Eingeschränkter Kreis der Abmahnberechtigen:

Gleichwohl ist der Personenkreis, der diese Abmahnungen aussprechen darf, nun stark eingeschränkt. An Wettbewerber, die diese Abmahnungen aussprechen, werden nun deutlich höhere Anforderungen gestellt. Letztlich müssen sie nachweisen können, dass sie in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zu dem Abgemahnten stehen.

 

Auch Verbände dürfen solche Abmahnungen nur noch aussprechen, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen und sich dafür auf einer offiziellen Liste haben eintragen lassen.

 

Niedrigeres Kostenrisiko bzgl Anwaltskosten, niedrigere Vertragsstrafen:

Die Kosten, die im Rahmen einer Abmahnung geltend gemacht werden können, werden nun ebenfalls beschränkt oder teilweise sogar verboten. Das heißt, dass zwar noch immer eine Abmahnung ausgesprochen werden kann, aber die Kosten dafür oft gar nicht oder nur noch eingeschränkt vom Abgemahnten zu tragen sind. Das soll den Anreiz senken, dass Mitbewerber bewusst durch Abmahnungen gegängelt oder in wirtschaftliche Schieflage gebracht werden.

 

Auch die Möglichkeiten, eine Vertragsstrafe im Rahmen der Unterlassungserklärung zu fordern, sind beschränkt worden. Hier muss nun im Einzelfall geprüft werden, ob die geforderte Vertragsstrafe angemessen war. Wenn nicht, ist diese entsprechend zu senken. Zudem kann der Abgemahnte dann möglicherweise Regressansprüche für die Rechtsverteidigung verlangen.

 

Teilweise Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes:

Wird nach einer Abmahnung keine oder eine als unzureichend empfundene Unterlassungserklärung unterschrieben, so soll der Abgemahnte in der Regel im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor Gericht dazu verpflichtet werden.

Bisher konnte das theoretisch in ganz Deutschland passieren. Das heißt, obwohl der Abgemahnte seinen Sitz in Berlin hat, konnte das gerichtliche Verfahren vor einem Gericht in Hamburg bearbeitet werden. Hier gab es die Befürchtung, dies könne zu Rechtsmissbrauch führen und die Rechtsverteidigung des Abgemahnten würde eingeschränkt. Daher wurde auch diese Regelung weitestgehend abgeschafft. Grundsätzlich ist nun ein Gerichtsverfahren am Ort der Abgemahnten zu führen.

 

3. Was bedeutet das nun alles?

Es bedeutet, dass Abmahnungen weiterhin ausgesprochen werden dürfen. Allerdings dürfte es sich für Dritte deutlich weniger lohnen, gegen Rechtsverstöße vorzugehen. Das liegt zum einen daran, dass Dritte nun oft auf den Kosten für die Rechtsverfolgung sitzen bleiben. Zum anderen gehen sie ein Risiko ein, dass der Abgemahnte sich gegen die Abmahnung wehrt und recht erhält. Dann müssen auch die Anwaltskosten des Abgemahnten gezahlt werden.

Erschwert für beide Seiten wird die Situation dadurch, dass die neuen gesetzlichen Regelungen viel mit unbestimmten Rechtsbegriffen arbeiten. Das heißt, es ist oft nicht ganz klar, ob im Einzelfall eine missbräuchliche Abmahnung erfolgte. Es wird viel Zeit bedürfen, bis die Rechtsprechung die neue Kasuistik mit Leben ausgefüllt hat und präzise rechtliche Einschätzungen im Einzelfall möglich sind.

Ob das Ziel, die Abmahnindustrie dauerhaft zu schaden, erfüllt wurde, wird sich zeigen.

Bis dahin, und auch danach wie schon davor, gilt: Jede Abmahnung schnell von einem Anwalt prüfen lassen. Keine Unterlassungserklärungen vorschnell unterschreiben.



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