Betriebsrat: Diebstahl - Verdachtskündigung erfolgreich trotz Einstellung des Verfahrens durch Staatsanwaltschaft

  • 4 Minuten Lesezeit

Verdachtskündigung eines Betriebsratsmitgliedes wegen Diebstahls bei Gericht erfolgreich; Videoaufnahme sind verwertbar, sofern eine Betriebsvereinbarung existiert; so das Landesarbeitsgericht Köln mit Beschluss vom 6.7.2018, Aktenzeichen 9 TaBV 47/17, klarstellend.  

„Eine außerordentliche Kündigung kann auch als so genannte Verdachtskündigung aus wichtigem Grund gerechtfertigt sein, wenn starke, auf objektive Tatsachen gründende Verdachtsmomente vorliegen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Verdacht muss auf konkrete, vom Kündigenden darzulegende und gegebenenfalls zu beweisende Tatsachen gestützt und dringend sein.“ Quelle: LAG Köln, a.a.O., Beck-Online.de

Was ist passiert?

Der Arbeitgeber betreibt einen Großhandel mit Computern und Computerteilen und beschäftigt insgesamt ca. 400 Arbeitnehmer. Das Betriebsratsmitglied S, geboren am 1968, verheiratet, drei Kinder, ist bei dem Arbeitgeber seit dem 4.11.1996 als Lagermitarbeiter in dem Warenlager G-Weg beschäftigt; das Lager G-Weg wird videoüberwacht…

Nach Auswertung der Videoaufzeichnung wurden aus dem Lager des Arbeitgebers SSD-Festplatten im Wert von 23.984,80 EUR gestohlen“

Das Betriebsratsmitglied wurde von der Arbeitgeberin in Bezug auf den Verdacht, dass er die SSD-Festplatten gestohlen hat, angehört. Dieser verweigerte die Aussage. Der Betriebsrat bestreitet die Vorwürfe und bestreitet, „dass sich die Festplatten überhaupt auf der Palette befunden hätten und die Auffassung vertreten, dass das Videomaterial keinen hinreichenden Tatverdacht gegenüber Herrn S begründen könne. Beim Verschieben der Palette habe er sich nicht an Kameras orientiert. Der Aufnahmewinkel der verschiedenen Kameras sei auch nicht kenntlich. Er habe den Inhalt der blauen Plastikboxen nicht verändert, sondern allenfalls einen Karton, der keine Festplatten enthalten habe, verstellt.“ so das LAG Köln, a.a.O; Quelle: Beck-online.de

Voraussetzungen einer Verdachtskündigung

„Eine außerordentliche Kündigung kann nach der ständigen Rechtsprechung des BAG aber auch als so genannte Verdachtskündigung aus wichtigem Grund gerechtfertigt sein, wenn starke, auf objektive Tatsachen gründende Verdachtsmomente vorliegen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Verdacht muss auf konkrete, vom Kündigenden darzulegende und gegebenenfalls zu beweisende Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus.“ So das LAG Köln, a.a.O. feststellend; Quelle: Beck-online.de

Nach durchgeführter Beweisaufnahme steht für das Gericht folgendes fest:

LAG Köln: „Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme besteht gegen den Bet. S der dringende Verdacht, 80 SSD-Festplatten aus dem Warenlager der“ Arbeitgeberin „entwendet zu haben. Dieser Verdacht ergibt sich aus den von der“ Arbeitgeber „vorgelegten Ausdrucken aus dem Warenwirtschaftssystem, den als Screenshots vorgelegten Aufzeichnungen der Videokamera und aus den Aussagen der von der Kammer vernommenen Zeugen F und S.“

Einstellung des Verfahrens in Bezug auf den Diebstahl durch die Staatsanwaltschaft für das Landesarbeitsgericht Köln unerheblich

LAG Köln wie folgt feststellend: „Schließlich ist der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft A. das gegen den Bet. S geführte Ermittlungsverfahren gem. § 170 II StPO eingestellt hat, für die Frage eines schweren Verdachts gegen den Bet. S nicht von maßgeblicher Bedeutung. Die Einstellung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens nach § 170 II StPO begründet keine Vermutung für die Unschuld des Arbeitnehmers. Zum einen ist die Beurteilung im Strafverfahren für die Gerichte für Arbeitssachen nicht bindend. Zum anderen beruht die Einstellung nach § 170 II StPO auf der Prognose der Staatsanwaltschaft, ob eine Hauptverhandlung im Ergebnis zu einer Verurteilung des Angeklagten führen würde.“ Quelle: Beck-online.de

Strafrichter muss von einer bewiesenen Tat überzeugt sein; Verdachtskündigung setzt dagegen lediglich einen dringenden, ausgeräumten Verdacht voraus, der das Arbeitsverhältnis belastet

LAG Köln: „Maßgeblich dafür ist allein, ob der Richter im Strafverfahren nach abgeschlossener Gesamtwürdigung aller Tatsachen und Beweise die volle Überzeugung vom Vorliegen einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch unmittelbar entscheidungserheblichen Tatsache gewinnen kann. Der Richter muss also von einer bewiesenen Tat überzeugt sein. Hingegen geht es bei der Verdachtskündigung eben nicht um eine in diesem Sinne bewiesene Tat, sondern lediglich um den dringenden, nicht ausgeräumten Verdacht, der das Arbeitsverhältnis belastet. Dass ein solcher Verdacht gegen den Bet. S besteht, hat die Polizei in dem vom Bet. S selbst vorgelegten Vermerk bestätigt.“ Quelle: Beck-online.de

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren ausschließlich als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Haben Sie Fragen in Bezug auf die Kündigung von Mitarbeitern/innen? Rufen Sie noch heute Rechtsanwalt Helmut Naujoks an, Spezialist als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht. In einer kostenlosen und unverbindlichen telefonischen Ersteinschätzung beantwortet Rechtsanwalt Helmut Naujoks Ihre Fragen zum Kündigungsschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie zu den Rechten und Pflichten des Betriebsrats gemäß Betriebsverfassungsgesetz.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Helmut Naujoks

Beiträge zum Thema