BGH zum Missbrauch der Befugnisse eines Amtsträgers und dabei auftretenden Abgrenzungsfragen

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Der BGH hat entschieden, dass ein Missbrauch im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB oder auch § 266 Abs. 2 in Verbindung mit § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB dann vorliegen kann, wenn ein Amtsträger vorsätzlich rechtswidrig, insbesondere jedoch vorsätzlich ermessenswidrig handelt.

Ein Amtsträger missbraucht demnach Befugnisse dann, wenn er innerhalb seiner gegebenen Zuständigkeit handelt. Ein Missbrauch der „Stellung" umfasst Handlungen außerhalb des Zuständigkeitsbereichs, aber unter Ausnutzung der gerade durch ein Amt gegebenen Möglichkeiten. In all diesen Fällen ist der Strafschärfungsgrund an den Missbrauch des tatsächlich innegehabten Amtes gekoppelt. Dies bedeutet - dies sei am Rande bemerkt - auch, dass das bloße Vorgeben einer Amtsträgereigenschaft nicht genügt.

Der damals als Gerichtsvollzieher tätige Angeklagte hatte Zahlungseingänge zweckwidrig behandelt, indem er diese entweder überhaupt nicht oder lediglich teilweise an die jeweiligen Zahlungsempfänger weiterleitete. In den übrigen Fällen erfolgten die Auszahlungen häufig verspätet, oft erst nach Sachstandsanfragen oder Dienstaufsichtsbeschwerden. Der Angeklagte stellte Gläubiger, die - berechtigt oder unberechtigt - „Druck" machten, durch Zahlungen ruhig, obwohl der jeweils betreffende Schuldner nicht gezahlt oder er die Vollstreckung noch gar nicht begonnen hatte. Für diese Auszahlungen verwendete der Angeklagte Zahlungseingänge, die zur Weiterleitung an andere Gläubiger bestimmt waren. Hieraus entwickelte sich eine Art „Schneeballsystem", da die Auszahlung an den Gläubiger, dessen Schuldner tatsächlich gezahlt hatte, unter Verwendung der für andere Empfänger bestimmten Zahlungseingänge nachgeholt und die Einzahlungen in der Verfahrensakte verschleiert werden mussten. In einem Fall der Räumungsvollstreckung (Fall II. 2 der Urteilsgründe) verfälschte er zwei Rechnungen der von ihm beauftragten Spedition. In einem weiteren Fall (II. 170 der Urteilsgründe) führte er eine von der betreibenden Gläubigerin erbrachte 1 teilweise Rückerstattung einer Doppelzahlung nicht an die Schuldnerin ab, sondern verwendete den Betrag für sein „Schneeballsystem". Das Landgericht hat nicht festzustellen vermocht, dass der Angeklagte Geldbeträge auch für private Zwecke verbraucht hatte. Zum 1. Juli 2009 wurde der Angeklagte auf seinen Antrag in den Innendienst versetzt. Auch danach - und noch nach Schließung seines Dienstkontos im Januar 2010 - trat der Angeklagte in Vollstreckungsverfahren, die er bereits vor seiner Versetzung eingeleitet hatte, weiterhin als Gerichtsvollzieher auf und vereinnahmte Zahlungen von Schuldnern.

Ein Missbrauch liegt nach dem Urteil des BGH vor, wenn der Amtsträger vorsätzlich rechtswidrig, insbesondere vorsätzlich ermessenswidrig handelt. „Befugnisse" werden missbraucht, wenn der Amtsträger innerhalb seiner an sich gegebenen Zuständigkeit handelt; Missbrauch der „Stellung" meint Handlungen außerhalb des Zuständigkeitsbereichs, aber unter Ausnutzung der durch das Amt gegebenen Handlungsmöglichkeiten (Tiedemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 301 mwN; Hefendehl in MüKoStGB, § 263 Rn. 782; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 263 Rn. 221, § 264 Rn. 47). In allen Fällen knüpft der Straferschwerungsgrund somit an den Missbrauch des tatsächlich innegehabten Amtes an; die bloße Vorgabe einer Amtsträgereigenschaft genügt - wie bereits der Wortlaut der Vorschrift („als Amtsträger") nahelegt - nicht (SSW-StGB/Satzger, § 263 Rn. 311). Der Angeklagte bekleidete jedoch zur jeweiligen Tatzeit nicht mehr das Amt des Gerichtsvollziehers. 

Den Gerichtsvollzieher trifft kraft seiner gesetzlichen Stellung als Vollstreckungsorgan gemäß §§ 753 ff. ZPO im Rahmen des ihm erteilten Vollstreckungsauftrags eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den Gläubigern (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2011 - 4 StR 409/10, NStZ 2011, 281, 282) und den Schuldnern, soweit sich diesen zustehende Überschüsse ergeben (vgl. § 170 Abs. 2 Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher; OLG Celle NdsRpfl. 1990, 205, 206; KG, Beschluss vom 19. Februar 2013 - [4] 121 Ss 10/13 [20/13]). Zwar erlischt grundsätzlich die Vermögensbetreuungspflicht zugleich mit dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis; diese geht nicht von selbst in 9 ein Treueverhältnis tatsächlicher Art über (BGH, Urteil vom 15. Mai 1990 - 5 StR 594/89, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 13, für nachfolgende Gefälligkeitsleistungen aufgrund enger persönlicher Bekanntschaft; Schünemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 266 Rn. 62 mwN; SSW-StGB/ Saliger, § 266 Rn. 27). Anders verhält es sich jedoch, wenn erloschene Rechtsverhältnisse vermögensfürsorglicher Art - auch einseitig - unter Wahrnehmung der eingeräumten Herrschaftsposition fortgesetzt werden (Schünemann und Saliger, jew. aaO; Wittig in BeckOK, StGB, § 266 Rn. 27) und somit ein enger sachlicher Zusammenhang mit der zunächst begründeten Vermögensbetreuungspflicht besteht (BGH, Urteil vom 14. Juli 1955 - 3 StR 158/55, BGHSt 8, 149, 150; einschr. Perron in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 266 Rn. 34). So hat das Reichsgericht angenommen, dass sich nach Beendigung der Vormundschaft der frühere Vormund der Untreue schuldig machen kann, wenn er Vermögensstücke seines ehemaligen Mündels nicht herausgibt. Zur Begründung hat das Reichsgericht darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung zur Herausgabe durch die Vormundschaft begründet wird und insoweit Pflicht und Verantwortlichkeit des früheren Vormunds über den Zeitpunkt der Beendigung seines Amtes hinaus fortdauern (RGSt 45, 434 f. zu § 266 StGB aF). Die Abwicklung eines Betreuungsverhältnisses nach den §§ 1896 ff. BGB mit den Rechtsnachfolgern des verstorbenen Betreuten gehört noch zu dem vom Treueverhältnis umfassten Tätigkeitsbereich; diese Abwicklung ist als Teil der Tätigkeit anzusehen, zu welcher der Betreuer zuvor bestellt war (OLG Stuttgart, NJW 1999, 1564, 1566; zust. wegen des engen zeitlichen und tatsächlichen Zusammenhangs Thomas, NStZ 1999, 622, 624). Auch vermögensschädigende Handlungen nach Beendigung eines zivilrechtlichen Auftrags oder sonstigen Treueverhältnisses können gegen eine fortbestehende Vermögensfürsorgepflicht verstoßen (so BGH, Urteil vom 3. Oktober 1986 - 2 StR 256/86, wistra 1987, 65; in der Sache auch BGH, Urteil vom 14. Juli 1955 aaO; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 266 Rn. 43). Das Gleiche gilt nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses (OLG Stuttgart, JZ 1973, 739, 740 mit Anm. Lenckner, JZ 1973, 794 ff.).

(BGH, Beschluss vom 14.08.2013 - 4 StR 255/13)


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