Bin ich als schwerbehinderter Mensch vor einer Kündigung geschützt?

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Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Bert Howald erklärt die Situation schwerbehinderter Menschen bei einer Arbeitgeberkündigung wie folgt:

1. Als schwerbehinderter Mensch bin ich vor einer Kündigung geschützt – oder?

Rechtsanwalt Dr. Howald führt dazu aus: Schwerbehinderte Menschen haben leider keinen „absoluten“ Schutz, der vor jeder Kündigung schützt. Sie haben aber im Gegensatz zu Menschen, die nicht als schwerbehinderte Menschen anerkannt oder diesen gleichgestellt sind, einen erhöhten Schutz vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen. Außerdem können Kündigungen, die auf das Merkmal der Behinderung gestützt sind, diskriminierend und deshalb unwirksam sein. Eine Kündigung, die nicht unmittelbar auf das Merkmal der Behinderung gestützt ist, kann aber allenfalls mittelbar diskriminierend sein. Die mittelbare Diskriminierung kann nur im Ausnahmefall zur Unwirksamkeit führen. Dazu gleich noch mehr.

2. Schwerbehinderte Menschen dürfen nicht benachteiligt werden – ist eine Kündigung nicht schon eine solche Benachteiligung?

Dazu meint Rechtsanwalt Dr. Howald: Eine Kündigung kann durchaus eine Benachteiligung sein. Die Maßnahme „Kündigung“ selbst ist aber erst einmal ein Gestaltungsrecht des Arbeitgebers und muss nach den allgemeinen Regeln wirksam sein. Wenn sie dies nicht ist, etwa weil die Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz unwirksam war, weil der Arbeitsplatz des schwerbehinderten Menschen weggefallen ist, aber ein anderer Mitarbeiter mit vergleichbarer Tätigkeit, der sozial weniger schützenswert ist, vorrangig zu kündigen gewesen wäre, dann liegt bereits eine mangelnde Sozialauswahl nach § 1 Abs. 2 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) vor, sodass es eines Rückgriffs auf das Benachteiligungsverbot in § 7 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes schon nicht bedarf. Es gibt aber auch Fälle, in denen ein Rückgriff auf Benachteiligungsverbote denkbar ist, beispielsweise, wenn das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar ist, wie in Kleinbetrieben, oder wenn die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG von sechs Monaten noch nicht abgelaufen ist und deshalb das Kündigungsschutzgesetz nicht angewandt werden kann.

(siehe z. B. zu Kündigung bei Hepatitis-C- Infektion, ArbG Detmold v. 28.05.2014 – 3 Ca 1293/13)

3. Welchen Schutz habe ich eigentlich als schwerbehinderter Mensch?

Die Kündigung schwerbehinderter oder diesen gleichgestellter Beschäftigter bedarf zu ihrer Wirksamkeit der vorherigen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung. In Betrieben oder Dienststellen mit Betriebs- oder Personalrat muss zudem vor jeder Kündigung der Betriebs- oder Personalrat beteiligt werden, also unabhängig von der Schwerbehinderteneigenschaft. Schwerbehinderte oder ihnen Gleichgestellte haben aber auch noch einen weiteren Schutz, der darin besteht, dass der Arbeitgeber zuvor die Zustimmung des Integrationsamtes (früher: Hauptfürsorgestelle) einholen muss, sonst ist die Kündigung unwirksam. Das Integrationsamt entscheidet auf Antrag des Arbeitgebers. Der Beschäftigte wird in diesem Verfahren gehört.

4. Mein Arbeitgeber weiß noch gar nichts von meiner Schwerbehinderung – was passiert, wenn er kündigt?

Der Schwerbehinderte muss seine Schwerbehinderung nicht offenlegen, es sei denn, der Arbeitgeber fragt im laufenden Arbeitsverhältnis bei den Beschäftigten nach, etwa weil er bei einer Personalabbaumaßnahme die richtige Sozialauswahl treffen will. In letzterem Fall – so die Gerichte – muss der Schwerbehinderte die Frage nach einer Schwerbehinderung zwar nicht beantworten, kann sich aber im Fall einer Kündigung bei einer wahrheitswidrigen Antwort nicht mehr auf den Schwerbehindertenschutz berufen.

Es besteht die Möglichkeit, sich auch nach Ausspruch einer Kündigung innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung auf den Schutz als schwerbehinderter Mensch nach § 85 SGB IX zu berufen. Dann ist die Kündigung unwirksam und der Arbeitgeber muss das Zustimmungsverfahren beim Integrationsamt nachholen.

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart


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