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Blitzer erfolgreich angreifen! Neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

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Üblicherweise werden alle Geschwindigkeits- und Rotlichtverstöße mit sog. „standardisierten Messverfahren“ durchgeführt. Dabei handelt es sich um hocheffektive Geräte, die seit vielen Jahren im Einsatz sind. Fehlerhafte Messungen bei diesen Geräten sind zwar unwahrscheinlich, aber nicht zu 100 Prozent auszuschließen.

Deshalb kann es oft sinnvoll sein, eine Messung gerichtlich überprüfen zu lassen. Dem beauftragten Rechtsanwalt wird zu diesem Zwecke von der Bußgeldstelle die vollständige Bußgeldakte übersandt.

Oftmals sind aber auch Unterlagen notwendig, die gar nicht Bestandteil dieser Akte sind: die sog. „Rohmessdaten“ und die Wartungsberichte des Geräts.

Bislang haben die Gerichte einen Anspruch darauf mit der Begründung verneint, ein Prozess würde dadurch unnötig aufgebläht. Konkret sei eine Fehlfunktion nicht benannt worden.

Im Sommer 2018 hatte bereits der Saarländische Verfassungsgerichtshof darin einen Verstoß gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens gesehen, allerdings nur in Bezug auf das Messgerät „TraffiStar S 350. Bis auf dieses Gerät werden inzwischen alle anderen Messgeräte dort und in anderen Bundesländern wieder eingesetzt und von den Gerichten auch akzeptiert.

Zum aktuellen Fall des BVerfG:

Der Anwalt wollte die Wartungsberichte und Rohmessdaten (Gerät: PoliScan Speed M1 Vitronic) sehen. Die Bußgeldstelle und auch das AG Hersbruck sowie das OLG Bamberg lehnten dies ab, da begründete Zweifel am Meßgerät nicht vorgetragen wurden. Das Bundesverfassungsgericht sah dies aber dann anders, „wenn die begehrten, konkret benannten Informationen im Zusammenhang mit dem Vorwurf stehen und nicht von vornherein irrelevant sind“ (Az.: 2 BvR 1616/18, Beschluss vom 12.11.2020).

Übersetzt: Damit der Anwalt überhaupt konkrete Anhaltspunkte für eine technische Fehlfunktion des Geräts vortragen kann, muss er erstmal in die Lage versetzt werden, diese in den Unterlagen suchen und finden zu können. Erst nach Einsicht in die Wartungsberichte kann beispielsweise beurteilt werden, ob das konkrete Gerät besonders wartungsanfällig ist.

Zudem führte das Bundesverfassungsgericht aus, man könne nicht generell davon ausgehen, „dass die eingesetzten Messgeräte unter allen Umständen zuverlässige Ergebnisse liefern“.

Insgesamt also eine längst überfällige und wichtige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

Nach wie vor ungeklärt bleibt allerdings die Frage, was passiert, wenn z.B. die Rohmessdaten vom Gerät gar nicht gespeichert werden. Es bleibt also spannend.


Berlin, 16. Dezember 2020

Rechtsanwaltskanzlei Buchholz





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