Cannabis Legalisierung, § 13a FeV, Erstverstoß THC, Aussetzung laufender Verfahren, Fahrerlaubnis behalten ohne MPU

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Durch die Cannabis Legalisierung ergeben sich Änderungen im Fahrerlaubnisrecht, die für Cannabiskonsumenten, die erstmalig mit THC am Steuer erwischt wurden, große Chancen bieten, die Fahrerlaubnis bzw. den Führerschein ohne MPU oder ärztlichem Gutachten zu behalten oder zumindest die Aussetzung des Verfahren zu erreichen. Damit lässt sich wertvolle Zeit gewinnen.


Gemäß § 13a Fahrerlaubnisverordnung (FeV) wird ein ärztliches Gutachten angeordnet, wenn Tatsachen die Annahme von Cannabisabhängigkeit begründen.
 
Eine MPU wird angeordnet, wenn

a)  nach dem ärztlichen Gutachten zwar keine Cannabisabhängigkeit, jedoch Anzeichen für Cannabismissbrauch vorliegen oder sonst Tatsachen die Annahme von Cannabismissbrauch begründen,

b) wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss begangen wurden,

c) die Fahrerlaubnis aus einem der unter den Buchstaben a und b genannten Gründen entzogen war oder

d) sonst zu klären ist, ob Cannabismissbrauch oder Cannabisabhängigkeit nicht mehr besteht.


Es ist nun entscheidend, ob Cannabismissbrauch oder Cannabisabhängigkeit vorliegt. Bisher haben die Fahrerlaubnisbehörden darauf abgestellt, ob ein Erstkonsum, gelegentlicher (Fahreignung nur bei Trennvermögen) oder regelmäßiger Konsum (keine Fahreignung) vorlag. Diese Unterscheidung findet sich in § 13a FeV nicht mehr.
 
Wird jemand erstmalig mit THC im Blut beim Autofahren erwischt, wird es ganz wesentlich darauf ankommen, ob Cannabismissbrauch angenommen werden kann.
 
Wann ein Cannabismissbrauch tatsächlich vorliegt, ist aktuell nicht geklärt. Anlage 4 Nr.9.2.1 der Fahrerlaubnisverordnung definiert den Missbrauch folgendermaßen:

„Missbrauch (Das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Cannabiskonsum können nicht hinreichend sicher getrennt werden.)“


Diese Definition hilft nicht wirklich weiter, weil man sich auch weiterhin die Frage stellt, wann ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Cannabiskonsum vorliegt.

Teilweise ist im Internet zu lesen, dies wäre dann der Fall, wenn der Betroffene den Grenzwert von 3,5ng/ml THC im Straßenverkehr erreicht bzw. überschreitet.

Dass dies eher unwahrscheinlich sein dürfte, zeigt ein Vergleich mit Alkohol.
Anlage 4 Nr. 8.1. der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) definiert Missbrauch bei Alkohol folgendermaßen:

„Missbrauch
 (Das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum kann nicht hinreichend sicher getrennt werden.)“
 

Es handelt sich um die gleiche Definition wie bei Cannabis. Wird ein Autofahrer mit 0,7 Promille im Straßenverkehr kontrolliert und zeigt er keine Ausfallerscheinungen, begeht er lediglich eine Ordnungswidrigkeit. Dies gilt auch noch für Werte bis 1,09 Promille, wenn keine Ausfallerscheinungen vorhanden sind. Ein solcher einmaliger Verstoß mit Alkohol führt nicht dazu, dass Führerscheinstellen einen Alkoholmissbrauch annehmen.
 
Genauso fernliegen dürfte es, bei einem Ersttäter, der erstmalig mit mehr als 3,5 ng/ml erwischt wird, einen Missbrauch anzunehmen. Bei Alkohol liegt ab 0,5 Promille Alkohol im Blut eine Ordnungswidrigkeit vor. Ein Missbrauch wird grundsätzlich nicht angenommen, eine MPU nicht angeordnet. Erst ab Werten von 1,1 Promille wird eine MPU angeordnet, wenn der Betroffene weitere Auffälligkeiten zeigt. Ab 1,6 Promille wird grundsätzlich eine MPU angeordnet. Solche Grenzwerte gibt es allerdings bei Marihuana (noch) nicht.
 
Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Führerscheinstellen auf die Blutwerte, insbesondere den THC-COOH Wert schauen werden, um ab einem bestimmten Wert einen Missbrauch anzunehmen.
 
Haben die Verwaltungsgerichte bisher ab einen Wert von 150 ng/ml THC COOH einen regelmäßigen Konsum angenommen, ist es wahrscheinlich, dass die Führerscheinstellen ab diesem Wert einen Missbrauch annehmen werden.
 
Dies ist aber nur meine eigene aktuelle Einschätzung. Es kann durchaus sein, dass die Fahrerlaubnisbehörden auch bei höheren THC COOH-Werten noch nicht auf einen Missbrauch schließen, zumindest anfänglich noch nicht, so lange es noch keine Rechtsprechung zur neuen Rechtslage gibt.
 
Wird jemand erstmalig mit THC am Steuer erwischt und liegen der Führerscheinstelle keine anderen Hinweise auf übermäßigen Cannabiskonsum vor, wird es der Fahrerlaubnisbehörde schwer fallen, einen Missbrauch zu begründen, dies vor allem dann, wenn die gemessenen Blutwerte niedrig waren, d.h. der COOH-Wert lag bei unter 150ng/ml.
 
Bei den Fahrerlaubnisbehörden herrscht derzeit große Unsicherheit, wie die neue Rechtslage umzusetzen ist. Dies führt dazu, dass derzeit reihenweise laufende Verfahren ausgesetzt werden. Dies bedeutet für Betroffene folgendes:
 
Wurden diese mit THC im Blut am Steuer erwischt und hat die Führerscheinstelle ein ärztliches Gutachten oder eine MPU angeordnet und läuft derzeit noch die Frist zur Abgabe der Gutachten, bestehen derzeit sehr gute Chancen, dass die Verfahren ausgesetzt werden.
 
Es kann dann sein, dass die Führerscheinstelle zu einem späteren Zeitpunkt von der Vorlage des ärztlichen Gutachtens oder der MPU absieht. Aber auch wenn dies nicht der Fall sein sollte, z.B. weil die Blutwerte zu hoch waren, gewinnen Betroffene wertvolle Zeit. Wurde z.B. jemand mit einem THC-Wert von 16ng/ml und einem THC-COOH Wert von 220ng/ml im Straßenverkehr kontrolliert und hat die Führerscheinstelle eine MPU angeordnet, wird er es innerhalb der Fahrerlaubnisbehörde gesetzten Frist für die Vorlage des Gutachtens in der Regel nicht schaffen, Abstinenznachweise über 6 Monate zu beschaffen. Die wenigstens Cannabiskonsumenten könnten sich problemlos einem Haarscreening unterziehen und damit sofort 6 Monate Abstinenz nachweisen.  
 
Wird aber das Verfahren von der Führerscheinstelle ausgesetzt und sind die Chancen des Betroffenen, die Fahrerlaubnis ohne MPU zu behalten eher gering, weil aufgrund der relativ hohen Werte die Gefahr besteht, dass ein Missbrauch angenommen wird, kann der Betroffene die Zeit nutzen, um Abstinenznachweise zu beschaffen.
 
Die Betroffenen müssen sich meiner Erfahrung nach aber aktiv um die Aussetzung der Verfahren kümmern. Warten diese einfach ab, passiert meist gar nichts. Die Führerscheinstellen melden sich nicht und teilen auch nicht mit, dass die Vorlage der Gutachten (zumindest derzeit) nicht erforderlich ist. Auch die Begutachtungsstellen laden weiter zur MPU oder zum ärztlichen Gutachten.

Rechtliche Hinweise
 
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Rechtsanwaltskanzlei Dipl. Jur. Stefanie Lindner
 
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