Cannabis zur Eigenbehandlung – erlaubt, gerechtfertigt oder doch strafbar?

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Verstoß gegen das BtMG durch Umgang mit Drogen

Grundsätzlich ist jeder Umgang mit den im Betäubungsmittelgesetz aufgeführten Stoffen strafbar, es sei denn, es liegt eine Erlaubnis gemäß § 3 BtMG vor. Der Anbau von Cannabis im Rahmen der Eigenbehandlung führt ohne eine Ausnahmegenehmigung zu einem Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Die Not kann die Strafbarkeit ausschließen

Doch auch bei Verstößen gegen das BtMG besteht die Möglichkeit einer Rechtfertigung. Dies ist dann der Fall, wenn zwar alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, man also gegen eine Norm des Betäubungsmittelgesetzes verstößt, dies jedoch aufgrund einer gegenwärtigen und nicht anders abwendbaren Gefahr für etwa das Leben, die Gesundheit oder das Eigentum gerechtfertigt ist. Man spricht dann von einem sogenannten rechtfertigenden Notstand nach § 34 StGB.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs kann der unerlaubte Anbau von Cannabis im Rahmen der Eigenbehandlung als Medikament allerdings nicht gerechtfertigt sein, wenn die Möglichkeit einer Ausnahmeerlaubnis im Sinne des § 3 Abs. 2 BtMG besteht.

Dies liegt daran, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nach § 3 Absatz 2 Satz 1 BtMG eine Erlaubnis für Betäubungsmittel ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen kann. Ein solcher im öffentlichen Interesse liegender Zweck kann etwa in der Sicherstellung der notwendigen medizinischen Versorgung der Bevölkerung liegen. Eine Erlaubnis zur Anwendung von Cannabis im Rahmen einer medizinisch betreuten und begleiteten Eigentherapie kann für einzelne Patienten erteilt werden, wenn die Behandlung mit Betäubungsmitteln in Hinblick auf das Krankheitsbild und der Beschwerden erforderlich ist. Hierbei richtet sich die Erforderlichkeit der Selbsttherapie mit Cannabis danach, ob vergleichbar geeignete oder verfügbare Therapiealternativen vorliegen. 

Mangels geeigneter und verfügbarer Therapiealternativen kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte dann zu dem Ergebnis kommen, dass eine Eigentherapie mit Cannabis erforderlich ist.

Die Möglichkeit einer solchen Genehmigung ist der Grund dafür, dass der unerlaubte Umgang mit Betäubungsmitteln zum Zweck der Eigenbehandlung nicht erforderlich im Sinne des rechtfertigenden Notstandes gemäß § 34 StGB sein kann. Es fehlt in Fällen des unerlaubten Umgangs mit Cannabis an der gegenwärtigen und nicht anders abwendbaren Gefahr für etwa die Gesundheit.

Der Fall zum Drogenstrafrecht

Das Landgericht hatte in der dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.09.2017 – 2 StR 238/16 vorausgehenden Entscheidung eine gegenwärtige Gefahr für die Gesundheit des Beschuldigten angenommen.

Dieser litt bereits seit seiner Kindheit unter einer schmerzhaften Erkrankung der Haut. Der Betroffene hatte deshalb bereits jegliche schulmedizinisch zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft und schließlich die schmerzlindernde Wirkung von Cannabis für sich entdeckt. Er hatte sich daher entschlossen, das Cannabis zur Eigenbehandlung seiner Beschwerden anzubauen. Der Beschuldigte in diesem Verfahren hatte deshalb insgesamt Cannabis mit einem THC-Gehalt von 78,46 g zum ausschließlichen Eigenkonsum als Medikament in seiner Wohnung vorrätig. 

Weiterhin ist jedoch zur Rechtfertigung gemäß § 34 StGB auch erforderlich, dass die Gefahr nicht anders abwendbar ist, die Begehung der Tat daher also geeignet und erforderlich ist. Der unerlaubte Anbau von Cannabis zur Selbstmedikation ist in der Regel nicht erforderlich, wenn die Lösung für die Konfliktlage, in diesem Fall die Gefahr der Gesundheit, innerhalb des Betäubungsmittelrechts gefunden werden kann. Eine solche Lösung ist etwa denkbar durch die Erlaubnis des Einsatzes zur Selbstmedikation gemäß § 3 Abs. 2 BtMG.

Tatsächlich hätte bei dem Beschuldigten in dem zugrundeliegenden Sachverhalt sogar die konkrete Möglichkeit bestanden, zur Therapie der Erkrankung Cannabis auf legalem Weg zu erhalten oder die Erlaubnis zum Anbau von Marihuana zu erlangen.

Allerdings kommt es nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht darauf an, ob die Voraussetzungen zur Erteilung der Erlaubnis gemäß § 3 Abs. 2 BtMG tatsächlich vorliegen oder zu welchem Ergebnis ein Genehmigungsverfahren geführt hätte. Die Möglichkeit der Erteilung einer Erlaubnis zum Umgang mit Cannabis zur Selbstmedikation bewirkt, dass ein Rückgriff auf den rechtfertigenden Notstand nicht möglich ist.

Entscheidend war in diesem Verfahren jedoch die Feststellung des Bundesgerichtshofs, dass die Rechtfertigung des unerlaubten Anbaus von Cannabis zur Eigenbehandlung schon aufgrund der festgestellten Menge des Betäubungsmittels ausscheidet. Der Beschuldigte hatte eine Menge an Cannabis vorrätig, die seinen Bedarf für mehr als zwei Jahre gedeckt hätte. Angesichts der abstrakten Gefahr der Weitergabe an Dritte kann der Besitz von Cannabis nur in dem Umfang gerechtfertigt sein, der für den Konsum zur Linderung der Beschwerden erforderlich ist.

Eine Rechtfertigung scheidet hier schon unabhängig von der Möglichkeit der Erteilung einer Erlaubnis aus. Die Betäubungsmittelmenge spielt daher auch im Rahmen einer eventuellen Rechtfertigung im Sinne des § 34 StGB eine entscheidende Rolle.

Sollte man also den Anbau von Cannabis zur Linderung von Beschwerden einer Krankheit beabsichtigen, empfiehlt es sich, dass man sich zunächst auch über die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung und die Übernahme der Kosten durch die Krankenversicherung informiert. So wäre auch dem Beschuldigten des zugrundeliegenden Sachverhalts eine sechsmonatige Bewährungsstrafe erspart geblieben.

Hilfe durch Fachanwalt für Strafrecht

Der Beitrag wurde mitgeteilt von Rechtsanwalt Dietrich. Rechtsanwalt Dietrich verteidigt bereits seit vielen Jahren deutschlandweit in Drogenverfahren. Sollte gegen Sie wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ermittelt werden, können Sie unter den angegebenen Kontaktdaten einen Besprechungstermin mit Rechtsanwalt Dietrich vereinbaren.

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