Cannabiskonsum und Straßenverkehr: Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bei 1,1 ng/ml THC?

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Ein kühler Spätsommermorgen an einem Wochenende irgendwann Ende August 2014. Frau O. steuerte ihren Wagen über die Landstraßen von Brandenburg. Die Fahrerlaubnis besitzt Frau O seit 10 Jahren. Bislang war sie immer unfallfrei gefahren. Eintragungen im Fahreignungsregister hat Frau O. keine. Auch ihren Führerschein musste sie noch nie an die Polizei abgeben. Sie vermied es stets, sich nach vorangegangenem Alkoholkonsum hinter das Steuer zu setzen. Die Gefahren, die Alkohol und andere Rauschmittel wie z.B. Cannabis bzw. THC für die Verkehrssicherheit bedeuten könne, waren ihr wohl bekannt und bislang immer eine eindringliche Mahnung gewesen.

Bis zu diesem verflixten Sonntag. Noch am Freitag zuvor hatte sie mit Freunden eine fröhliche Geburtstagsparty im Prenzlauer Berg in Berlin gefeiert. Es war etwas später geworden. Jetzt war sie mit ihrem nagelneuen VW Polo auf der Bundesstraße 1 in Potsdam unterwegs. An der Kreuzung Breite Straße / Zeppelinstraße in Potsdam beabsichtigte Frau O. nach links auf die Zeppelinstraße einzubiegen, um zu ihren Eltern nach Werder (Havel) zu gelangen.

Verkehrsbedingt musst sie halten, um mehrere in Kolonne fahrende Fahrzeuge passieren zu lassen. Dann unterlief Frau O. mit ihrem VW Polo folgendes Missgeschick: Nach einer Wartezeit von nahezu 45 Sekunden orientierte sich Frau O. im Rahmen des Abbiegemanövers ausschließlich nach rechts und aus dieser Richtung sich nähernden Fahrzeuge, so dass sie, als sie wieder beschleunigte, nicht bemerkte, dass sich aus ihrer Sicht von links kommend ein Taxi dem Kreuzungsbereich näherte. Es kam zur Kollision, infolge dessen die Insassen beider unfallbeteiligter Fahrzeuge leicht verletzt wurden.

Mit Zustimmung des zuständigen Ermittlungsrichters des Amtsgerichts Potsdam ordnete die herbeigerufene Polizei eine Blutuntersuchung bei Frau O. an. In der entnommenen Blutprobe konnte eine Konzentration von 1,1 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) nachgewiesen werden. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft entzog das Amtsgericht Potsdam Frau O. wegen des Tatverdachts der Gefährdung des Straßenverkehrs und der Trunkenheit im Verkehr vorläufig die Fahrerlaubnis. Die Polizei Potsdam beschlagnahmte den Führerschein.

Frau O. war aufgrund einer Beschäftigung bei einem ambulanten Pflegedienst in Berlin beruflich dringend auf ihre Fahrerlaubnis angewiesen.

Was soll sie bloß tun?

Nach einem Anruf bei ihrer Rechtsschutzversicherung war klar: Sie benötigte hier anwaltlichen Beistand, am besten den eines Fachanwalts!

Frau O. beauftragte den auf Verkehrsrecht und Strafrecht spezialisierten Rechtsanwalt M. aus Berlin mit ihrer anwaltlichen Vertretung. Dieser teilte Frau O. im Rahmen eines Beratungsgesprächs mit: Der ermittelte Wirkstoffgehalt von 1,1 ng/ml THC allein reiche grundsätzlich nicht aus, um eine Entziehung der Fahrerlaubnis zu rechtfertigen, wenn keine weiteren rauschmittelbedingten Ausfallerscheinungen hinzutreten. Dies entspräche der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs (BGH). Auch durch Rauschmittel nicht beeinflusste Fahrzeugführer würden sich häufig zu riskantem Fahrverhalten hinreißen lassen, um längeren Verzögerungen zu entgehen. Zudem habe Frau O. den Querverkehr, wenn auch nur einseitig, durchaus beachtet.

Nach Auffassung des Rechtsanwalts stellte das Fehlverhalten von Frau O. eine typische Ursache von Kollisionen im Querverkehr dar und unterliefe im Sinne eines Augenblicksversagens häufig auch nüchternen Fahrzeugführern. Zudem würden sich den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft auch ansonsten keinerlei Hinweise auf typische rauschmittelbedingte Ausfallerscheinungen entnehmen lassen.

Absprachegemäß erhob Rechtsanwalt M. deshalb sofort Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Potsdam.

Zu einer Entscheidung des Landgerichts Potsdam kam es aber nicht mehr: Denn die Staatsanwaltschaft hatte sich zwischenzeitlich der Argumentation des Verteidigers angeschlossen und sah die Tatbestände der Gefährdung des Straßenverkehrs und der Trunkenheit im Verkehr nicht mehr als gegeben an.

Noch vor den Herbstferien ist die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben und der Führerschein an Frau O. zurückgegeben worden.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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