Corona-Lockdown Wann darf die Miete gekürzt werden?

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Im Frühjahr 2020 und im Winter 2020/2021 wurde insbesondere der Einzelhandel mit staatlichen Öffnungsverboten belegt, um die grassierende Pandemie zu bekämpfen. Viele gewerbliche Mieter – vom Kleinbetrieb bis zum großen Filialisten – reduzierten aufgrund dessen ihre Mietzahlungen. Seitdem beschäftigen sich die Gerichte vornehmlich mit der Frage, ob dies rechtens ist.

Der Bundesgerichtshof hat am 23.11.2022 (Az. XII ZR 96/21) einer weitere, nunmehr die vierte (!) Entscheidung zu solchen „Corona-Fällen“ verkündet.

Zum Sachverhalt:

Nach Inkrafttreten des ersten Lockdowns leistete der Mieter, ein Frisörsalon, die Mieten für insgesamt drei Monate nicht und wurde von seinem Vermieter auf Zahlung dieser Beträge verklagt. Im Prozess wandte der Mieter u. a. ein, er habe einen Anspruch auf Vertragsanpassung, nämlich auf Reduzierung der Miete, weil er sein Gewerbe während der Schließungsphase nicht oder nur eingeschränkt betreiben durfte.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der BGH bestätigte die Vorinstanzen (LG Frankfurt v. 17.02.2021 – 2-23 O 174/20 – und OLG Frankfurt v. 19.10.2021 – 2 U 45/21), in denen der Mieter antragsgemäß verurteilt wurde. Hierzu führte der Senat Folgendes aus:

Zunächst stellte der BGH – wie schon in seinen früheren Entscheidungen – klar, dass die Auswirkungen der Pandemiemaßnahmen nicht allein dem mietertypischen Verwendungsrisiko unterfielen. Vielmehr habe sich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht, das eine Störung der „großen Geschäftsgrundlage“ zur Folge habe. Demnach sei ein Anpassungsanspruch des Mieters gem. § 313 Abs. 1 BGB denkbar, wenn diesem ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist. Ob aber das der Fall ist, sei anhand sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Der Mieter habe insbesondere zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der pandemiebedingten Beschränkungen auf seinen Betrieb vorzutragen. Mit Verweis auf seine vorangegangene Entscheidung vom 13.07.2022 (Az. XII ZR 75/21) sei dabei eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Situation erforderlich, die es dem Gericht erlaube, eine Zumutbarkeitsprüfung vorzunehmen. Nur dann, wenn ein Festhalten an der vertraglichen Regelung, somit der vereinbarten Miethöhe, zu einem für den Mieter nicht mehr tragbaren Ergebnis führt, komme eine Anpassung in Betracht.

Da der Mieter aber für die von ihm behauptete Unzumutbarkeit die volle Beweislast trägt, stellt der BGH hohe Hürden für einen Anpassungsanspruch auf:

Allein der Vortrag des Mieters, sein Umsatz sei in der Zeit der Beschränkungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um über 26 Prozent eingebrochen, ohne hierfür staatliche Kompensationen erhalten zu haben, genügte dem XII. Zivilsenat nicht. Vielmehr hätte der Mieter dazu vortragen müssen, ob und in welchem Umfang Einsparungen während der Pandemiebekämpfungsmaßnahmen erzielt wurden und wie sich der Umsatzrückgang auf das Geschäftsergebnis ausgewirkt hat. Hierzu fehlte es aber bereits an einer ausreichenden Darstellung.

Bedeutung für die Rechtspraxis:

Der BGH bleibt seiner Linie treu und vertieft nach seinen Entscheidungen vom 12.01.2022 (Az. XII ZR 8/21), vom 16.02.2022 (Az. XII ZR 17/21) und vom 13.07.2022 (Az. XII ZR 75/21) die bereits formulierten Grundsätze. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen:

-     Die „Lockdown“-Maßnahmen begründen keinen Mangel der Mietsache.

-     Die staatlichen Schließungsanordnungen stellen eine Störung der Geschäftsgrundlage dar.

-     Eine solche Störung führt (nur) dann zu einem Anpassungsanspruch des Mieters, wenn diesem das Festhalten am unveränderten Vertrag unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unzumutbar ist.

-     Erforderlich ist eine für den Mieter ansonsten untragbare Situation, jedoch keine Existenzgefährdung.

-     Der Mieter trägt die Beweislast für alle den Anspruch begründenden Umstände.

-     Der Umsatzverlust allein stellt dabei keine ausreichende Entscheidungsgrundlage dar. Vielmehr ist ein Vortrag zu

a) den Auswirkungen der Umsatzausfälle auf das Betriebsergebnis des Mieters,

b) den Einsparungen während der Betriebsbeschränkungen,

c) alternativen Einkünften (Untervermietung, Sortimentsumstellung, Onlinehandel etc.) und

d) staatlichen Kompensationen (Kurzarbeitergeld, Soforthilfe, Überbrückungshilfe etc.)

erforderlich.

In der Praxis ist der Weg des Mieters zur Mietreduzierung steinig. Nach zutreffender Ansicht stellt eine Kürzung der Grundmiete im „harten“ Lockdown um 50 Prozent die Maximalposition des Mieters dar. Und das auch nur dann, wenn jedwede Kompensation unterblieb und auch nicht hätte erfolgen können. Von den Maßnahmen betroffene Gewerbemieter sind gut beraten, umfassend zur Entwicklung ihres Geschäftsbetriebs und ihren Bemühungen zur Reduzierung der Einbußen vorzutragen. Gerade während des zweiten „Lockdowns“ erhielten betroffene Betriebe neben dem Kurzarbeitergeld in aller Regel üppige staatliche Unterstützungsleistungen. Spätestens hierdurch vermindert sich die Chance, eine Vertragsanpassung durchzusetzen, erheblich.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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