Und wieder grüßt die Schriftformfalle!

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I. Hintergrund

Seit Jahrzehnten zählt die gesetzlich vorgegebene Schriftform gem. § 550 BGB zu den wichtigsten Themen im Gewerbemietrecht. Mietverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr müssen schriftlich geschlossen werden. Dies bedingt, dass alle wesentlichen Vertragsinhalte in derselben Urkunde widerspruchsfrei und vollständig erfasst werden. Zu diesen zählen insbesondere die Angaben zu den Vertragsparteien, dem Mietobjekt, der Vertragsdauer und der Miete. Ändern die Parteien Vertragsinhalte im Laufe des Mietverhältnisses, müssen sie hierzu förmliche Nachträge erstellen und dabei eine Reihe von Formalien beachten. Unterbleibt eine schriftformgemäße Beurkundung, ist der Mietvertrag zwar nicht etwa nichtig; er kann jedoch ohne Angaben von Gründen von beiden Seiten mit gesetzlicher Frist gekündigt werden – ungeachtet der getroffenen Laufzeitvereinbarung!

Die Schriftform beschäftigt die Gerichte unentwegt. So auch jüngst:

II. Die Entscheidung des OLG Dresden vom 25.01.2023

Das OLG Dresden (5 U 1239/22) hatte über folgenden Sachverhalt zu befinden:

Die Parteien schlossen einen Mietvertrag über Flächen, in denen der Mieter eine Metzgerei betrieb. Die Mietzeit begann am 01.04.2017 und sollte am 31.03.2022 enden. Die Miete betrug monatlich € 1.200,00 zzgl. einer Vorauszahlung auf die Betriebskosten von € 368,00 sowie die gesetzliche Umsatzsteuer.

Mit der ersten Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2017 bot der Vermieter dem Mieter an, die monatlichen Vorauszahlungen auf € 210,00 netto zu senken, da die tatsächlichen Kosten hinter den erwarteten zurückblieben. Er formulierte auch einen 1. Nachtrag zum Mietvertrag, den die Parteien zwar sodann umsetzten, jedoch nicht unterzeichneten.

In der Folgezeit entstand zwischen den Parteien Streit über die Geeignetheit der vorhandenen Elektroinstallation. Insbesondere aber hegte der Mieter den (berechtigten) Verdacht, dass über seinen Stromzähler auch der Verbrauch des benachbarten Tattoo-Studios erfasst wurde. Der Vermieter bestritt dies und reagierte zunächst nicht. Das nahm der Mieter nach Ablauf einer gesetzten Abhilfefrist im April 2020 zum Anlass, die außerordentliche Kündigung des Mietvertrages zu erklären, über deren Wirksamkeit die Parteien prozessieren.

Sowohl das erstinstanzliche LG Leipzig als auch der Senat folgten der Ansicht des Mieters: Dessen Kündigung habe das Mietverhältnis vorzeitig beendet. Die auf Zahlung weiterer Mieten bis zum regulären Vertragsende gerichtete Klage des Vermieters wurde abgewiesen. Ohne Not befasste sich das OLG hierbei auch mit dem nur hilfsweise vorgebrachten Argument des Mieters, dass seine Kündigung jedenfalls als ordentliche Kündigung auszulegen sei, weil die gesetzliche Schriftform verletzt worden sei. Auch dieser Ansicht folgt das Gericht. Der Mietvertrag unterliege der Schriftform. Indem sich die Parteien nur formlos auf eine Senkung der Nebenkostenvorauszahlungen verständigten, sei diese Form verletzt worden. Jede Änderung der Miete, auch jene der Nebenkostenvorauszahlungen, sei schriftformrelevant. Eine förmliche schriftliche Regelung sei aber mangels Unterzeichnung des 1. Nachtrags nicht vereinbart worden. Deshalb wäre der Mietvertrag – bei einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung –  jedenfalls zum Ablauf der Kündigungsfrist, mithin am 31.12.2020, beendet worden.

III. Folgen für die Praxis

Die Entscheidung zeigt, wie gefährlich formlose Abreden für den Bestand des Mietvertrages sind. In der Tat sind schon geringfügige Änderungen der Miethöhe beurkundungspflichtig, wie bereits der BGH feststellte (Urt. v. 25.11.2015 - XII ZR 114/14, NJW 2016, 311). Allerdings überzeugen die Hilfserwägungen des Senats gleichwohl nicht: Zu den – seltenen – Fällen, in denen sich eine Vertragspartei auf einen Schriftformverstoß und somit auf eine vorzeitige Kündbarkeit des Mietverhältnisses nicht berufen kann, zählen jene, in denen die formwidrige Vereinbarung für den Kündigenden lediglich vorteilhaft ist. Zumindest dann sei, so die ständige BGH-Rechtsprechung (vgl. u. a. BGH, Urt. v. 27.09.2017 - XII ZR 114/16), die Kündigung rechtsmissbräuchlich und treuwidrig, mithin unbeachtlich. Vorliegend wurde die monatliche Mietschuld durch Senkung der BK-Vorauszahlungen verringert. Auch wenn bei höheren Jahresgesamtkosten hieraus letztlich eine höhere Nachforderung resultieren kann, wird durch die Senkung der Vorschusshöhe allein der Mieter begünstigt. Dieser muss weniger Liquidität vorhalten, um seine monatlichen Zahlungen zu erbringen. Vor diesem Hintergrund erscheint es doch recht zweifelhaft, ihm dennoch einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Vertrag mit einer solchen Begründung zu ermöglichen (a. A. aber auch: OLG Brandenburg, Urt. v. 07.07.2020 - 3 U 82/19, ZMR 2021, 381).

Eine besondere Schriftformfalle kann auch die Vereinbarung sog. automatischer Wertsicherungsklauseln darstellen: Nach solchen in der Praxis häufig anzutreffenden Regelungen passt sich die Miete automatisch dem Verbraucherpreisindex an. Zwar ist hierfür keine Vereinbarung und mithin auch kein Nachtrag erforderlich, doch Vorsicht: Berechnen die Parteien die indexbasierte Veränderung der Miete falsch, kann sich hieraus eine Änderung des Vertragsinhalts ergeben, die dann aber nur formlos erfolgte und der Vertragsreue zeigenden Mietpartei den Weg in die vorzeitige Kündigung ebnet!


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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