Verspätete Fertigstellung - Ist eine Vertragsstrafe ohne Obergrenze wirksam?

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Häufig werden Mietobjekte für namhafte Mieter – etwa Hotelketten oder Warenhäuser – vom Vermieter nach den Vorstellungen des Mieters errichtet. Der Mietvertrag wird dann bereits vor der Herstellung (oder Sanierung) des Mietobjekts geschlossen. Man spricht hier von einer „Vermietung vom Reißbrett.“ Nachfolgend soll behandelt werden, wie Fälle zu behandeln sind, in denen sich die Fertigstellung verzögert.


Zum Sachverhalt:

Eine Textilhauskette mietete im Januar 2017 drei Etagen eines Geschäftshauses, um dort Einzelhandel zu betreiben. Die monatliche Netto-Miete betrug € 46.400,00. Der Vermieter hatte vor Mietbeginn erhebliche Umbauarbeiten durchzuführen. Die Fertigstellung und Übergabe des Objekts an den Mieter sollte spätestens am 30.08.2017 erfolgen. Für den Fall des Verzugs mit der Übergabe wurde eine Vertragsstrafe von € 4.500,00 pro Kalendertag vereinbart. Über diese vertragliche Regelung hatten die Parteien vor Vertragsschluss viel diskutiert. Im Ergebnis einigte man sich auf einen späteren, nämlich den genannten Übergabetermin, hob aber dafür den ursprünglich vorgesehenen Betrag für jeden Tag des Verzugs zu zahlenden Strafe von € 3.500,00 auf € 4.500,00 an.

Die Übergabe erfolgte, u. a. wegen Problemen mit dem Brandschutz, erst am 22.11.2017. Der Mieter fordert im Hinblick auf diese Verzögerung vom Vermieter eine Vertragsstrafe von insgesamt € 378.000,00. Dieser wehrt sich mit der Behauptung, die vertragliche Regelung sei unwirksam, jedenfalls aber zu hoch.


Die Entscheidung des OLG Bremen v. 09.12.2022 – 4 U 20/21

Das OLG bestätigt die erstinstanzliche Entscheidung des LG Bremen, das den Vermieter antragsgemäß verurteilt hatte. Hierzu führte der Senat Folgendes aus:

Zunächst sei keine AGB-rechtliche Prüfung der Wirksamkeit erforderlich, da es sich bei der vorliegenden Vertragsstrafenregelung nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) des Mieters handele. Aus dem Umstand, dass die Parteien über die Modalitäten der Vertragsstrafe intensiv verhandelten, sei vielmehr eine Individualvereinbarung zu folgern.

Als solche aber sei die Vereinbarung nicht zu beanstanden, insbesondere sei sie nicht unangemessen hoch. Eine mit den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unvereinbare Höhe liege vor, wenn die vorgesehene Sanktion im Verhältnis zur Schwere des Vertragsverstoßes unangemessen ist. Auf die vereinbarte Miethöhe, die hier pro Tag etwa einem Viertel der täglichen Vertragsstrafe entsprach, komme es nicht an. Maßgeblich sei hingegen der potenziell mögliche Schaden für den Mieter infolge einer verspäteten Übergabe. Dessen Umsatz habe nach den Vorstellungen der Parteien bei Vertragsschluss mindestens 3 Mio EUR pro Jahr betragen. Im Rahmen ihrer Verhandlungen hätten die Vertragsparteien überdies die Höhe auf eine im unternehmerischen Rechtsverkehr nicht zu beanstandende Weise als Pauschale festgelegt.

Es begegne überdies keinen rechtlichen Bedenken, dass die Klausel nicht auf einen Maximalbetrag begrenzt ist. Die unterbleibende Fertigstellung der Mietsache sei bereits der gröbste denkbare Pflichtverstoß, der einem Vermieter vorgeworfen werden könne. Bis zur Erfüllung dieser „Kardinalpflicht“ dürfe das Fehlverhalten mit einer fortwährenden Sanktion belegt werden.

Schließlich bestehe auch kein Anspruch des Vermieters, die Höhe der Vertragsstrafe gem. § 343 Abs. 1 BGB herabzusetzen. Denn insoweit komme es ebenfalls auf die Verhältnismäßigkeit der Höhe der Strafe im Hinblick auf Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung sowie den Grad des Verschuldens an. Ob dem Mieter tatsächlich ein Schaden entstanden ist, sei hingegen nicht von Bedeutung. Erhebliche Gründe für eine Anpassung der Vertragsstrafenhöhe sieht das Gericht nicht.

Die Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Das OLG Bremen orientierte sich an der hierzu bereits ergangenen Rechtsprechung des BGH, der selbst als AGB vereinbarte Vertragsstrafenregelungen ohne Obergrenze für wirksam hielt (BGH v. 12.03.2003 – XII ZR 18/00). Im dort entschiedenen Fall beanstandete der XII. Zivilsenat nicht einmal eine für 478 Tage angefallene Vertragsstrafe.

Vermieter sollten bei einer Pönalisierung der Überschreitung des Übergabetermins vorsichtig sein. Sie müssen sich das Verschulden der am Bau Beteiligten im Verhältnis zum Mieter zurechnen lassen. Diesem gegenüber werden sie sich in aller Regel nicht auf eine Unwirksamkeit der Vereinbarung berufen können.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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