Corona und „Kreditpause“ – die Regelung des Art. 240 § 3 EGBGB

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Der Gesetzgeber gesteht Verbrauchern mit Gesetz vom 27.03.2020 das Recht zu, aufgrund der Corona-Pandemie die Zahlung der Leistungsraten bei Verbraucherkrediten auszusetzen. Das Gesetz sieht in Art. 240 § 3 EGBGB die Stundung der Raten vor, die seit dem 01.04.2020 bis zum 30.04.2020 fällig werden. Zuvor fällige Raten (bis Ende März 2020) werden damit nicht erfasst. Die Leistungsraten werden für einen Zeitraum von drei Monaten ausgesetzt und damit jeweils erst drei Monate später fällig (die April-Rate im Juli, die Mai-Rate im August und die Juni-Rate im September). Die Kreditlaufzeit verlängert sich um drei Monate, weil auch die Folgeraten ab Juli 2020 jeweils drei Monate später fällig werden, wenn man mit der Bank keine andere einverständliche Regelung für den Kredit ab Juli 2020 findet.     

Voraussetzungen der Aussetzung

Das Recht ist für diese „Kreditpause“ ist an besondere Voraussetzungen geknüpft.

1. Das Recht besteht für Verbraucherkredite, die vor dem 15.03.2020 abgeschlossen worden sind. Verbraucherkredite sind solche, bei denen mit den verzinsten Kreditmitteln überwiegend private Zwecke finanziert werden. Dazu zählen auch nicht gewerbliche Immobilienkredite ohne öffentliche Förderung sowie Existenzgründerkredite mit einem Nettokreditvertrag bis zu EUR 75.000,00. Oft ist aus den Kreditunterlagen unschwer erkennbar, ob ein Verbraucherkredit vorliegt.

2. Weiterhin ist für die „Kreditpause“ erforderlich, dass der Verbraucher aufgrund der Corona-Pandemie Einnahmeausfälle hat. Diese müssen derart umfangreich sein, dass die weitere Zahlung der Kreditraten nicht mehr zumutbar ist. Nicht mehr zumutbar ist die weitere Zahlung insbesondere dann, wenn ein angemessener Lebensunterhalt infolge der Einnahmeausfälle gefährdet ist. Wann dies der Fall ist, ist eine Frage des Einzelfalls und vom Verbraucher nachzuweisen. Der Verbraucher wird im Zweifel Zahlungsschwierigkeiten belegen müssen, die auf die Pandemie und nicht zumutbare Einsparungen zurückzuführen sind. Vermögensgegenstände, die man zum Ausgleich der Kreditmittel veräußern könnte, bleiben unberücksichtigt. Der Verbraucher muss also keine Vermögensgegenstände zu Geld machen, um die Kreditpause in Anspruch zu nehmen. Im Ergebnis verbleibt eine gewisse Rechtsunsicherheit, was die Bank bzw. im Streitfall das Gericht als unzumutbar akzeptiert. Ein Rückgriff auf sozialversicherungsrechtliche Maßstäbe ist ebenso zu weit gesprungen, da die Vorgabe des Gesetzgebers auf den Einzelfall abzustellen, dann sinnwidrig wäre. Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat mit seinem Beschluss vom 08.04.2020 (Az.: 32 C 1631/20(89)) ausreichen lassen, dass der Verbraucher als Arbeitnehmer infolge angeordneter Kurzarbeit Einnahmeausfälle hatte. Im Fall der Immobilienfinanzierung kann die Aussetzung der Miete durch die Mieter nach Art. 240 § 2 EGBGB ein berechtigter Grund für die Aussetzung der Kreditraten sein.

3. Die Bank hat das Recht, die Aussetzung der Ratenzahlung zurückzuweisen, wenn die Aussetzung des Kredits für die Bank unzumutbar ist. Die Gesetzesbegründung geht aber davon aus, dass die Aussetzung der Raten für die Bank im Regelfall zumutbar ist. Der Einwand der Bank ist also nur ausnahmsweise gerechtfertigt. Die Gesetzesbegründung verweist als Beispiele hierfür auf Fälle grob vertragswidrigen Verhaltens wie betrügerische Angaben des Verbrauchers bei Vertragsabschluss oder den Verkauf von Gegenständen, die der Bank als Sicherheit gewährt wurden.

Wie geht man vor?

Derjenige, der von dem Recht auf Aussetzung der Kreditraten Gebrauch machen will, sollte dies der Bank aktiv kommunizieren und zudem die entsprechenden Nachweise über die Einnahmeausfälle vorlegen. Grundsätzlich ist zu bedenken, dass der Kredit mit der Aussetzung um drei Monate verlängert wird. Es tritt lediglich eine „Kreditpause“ ein. Im Ergebnis wird der Kredit aber teurer, da die Bank für die längere Laufzeit auch mehr Zinsen verlangen kann. Dass sollte man vorher bedenken und einkalkulieren.

Was ist noch zu bedenken?

Aufwendig wird es dann, wenn die Bank die Aussetzung der Raten nicht akzeptiert und wegen der ausgesetzten Raten die Kündigung des Kredites androht. Dann wird eine gerichtliche Klärung der Aussetzung im Eilverfahren unvermeidbar, wenn man sich nicht doch noch mit der Bank einigt. Kosten und Nutzen können dann außer Verhältnis geraten. Ohnehin ist es im Zweifel vorzugswürdig, im Fall von pandemiebedingten Zahlungsschwierigkeiten mit der Bank in Kontakt zu treten und eine für beide Vertragspartner akzeptable Lösung zu verhandeln. Sollte eine solche Lösung nicht gefunden werden, sollte erst im zweiten Schritt vom Recht auf Aussetzung der Kreditraten Gebrauch gemacht werden. Dies gilt erst recht dann, wenn die Bank allein die Einnahmeausfälle zum Anlass nehmen will, den Kredit wegen Vermögensverschlechterung zu kündigen, ohne dass die Raten bereits ausgesetzt worden sind.

Fazit

Im Ergebnis ist die Regelung sinnvoll, um Liquiditätsschwierigkeiten zu überbrücken. Die Zinskosten steigen hingegen. Ob sich die Regelung als pragmatisch umsetzbar erweist, werden die kommenden Monate zeigen. Dadurch, dass der Gesetzgeber mit unbestimmten Rechtsbegriffen wie der Unzumutbarkeit der Zahlungen operiert, eröffnet die Regelung Rechtsunsicherheiten, die die „Kreditpause“ im „Worst Case“ zum Bumerang werden lassen können. Damit bleibt die Regelung für eindeutige Fälle sicher sinnvoll. Sofern Auseinandersetzungen mit der Bank bereits im Ansatz drohen, ob der „angemessene Lebensunterhalt“ durch die Einnahmeausfälle bedroht ist, sollte das Vorgehen gut durchdacht sein. Dasselbe gilt, wenn man sich allgemein auf die Unzumutbarkeit der Zahlungen beruft. Dann sollte man dies auch belastbar begründen können.

Für den Fall von Fragen steht Ihnen Rechtsanwalt Philipp Neumann (Kanzlei 2vier2 in Frankfurt am Main) unter der angegebenen Telefonnummer bzw. per Mail zur Verfügung. Rechtsanwalt Philipp Neumann ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und seit über 13 Jahren in der Prozessführung tätig.  

Der Beitrag gibt den Sachstand zum 23.04.2020 wieder. Spätere Entwicklungen und damit einhergehende Änderungen der Rechtsprechung oder Rechtslage bleiben folglich unberücksichtigt und können zu einer anderen Einschätzung führen, wie hier dargelegt.  


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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