Das "Berliner Testament" als Erklärung in einem gemeinschaftlichen Testament

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Trotz der unklaren Bedeutung des Begriffs "Berliner Testament" kann die Erklärung in einem gemeinschaftlichen Testament, dass das "übrige Vermögen durch ein Berliner Testament" vererbt wird, dahingehend ausgelegt werden, dass sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben und ihre Kinder zu Schlusserben einsetzen, die nach dem Tod des überlebenden Ehegatten jeweils zu gleichen Teilen berechtigt sind. Diese Auslegung gilt, wenn die Ehegatten zuvor rechtlich beraten wurden und ein Notar ihnen einen Entwurf vorgelegt hat, der die gegenseitige Einsetzung und die Einsetzung ihrer Kinder als Schlusserben enthält (OLG Celle, Beschl. v. 7.7.2022 - 6 W 77/22)

Was hat das Gericht entschieden bezüglich des Berliner Testaments?

Das Gericht stellte fest, dass das Testament, entgegen der Ansicht des Amtsgerichts, wirksam ist und der Erblasser deshalb von seiner Ehefrau beerbt worden ist.

Der verstorbene Erblasser war seit 1971 mit seiner Ehefrau verheiratet. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor.

Im August 2020 besprachen der Erblasser und seine Ehefrau die Errichtung eines Testaments mit einem Notar, der ihnen im Januar 2021 einen Entwurf einer Urkunde zusandte. Dieser Entwurf sah vor, dass sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben des erstverstorbenen Ehegatten einsetzen und ihre drei Söhne als Schlusserben zu gleichen Teilen einsetzen. Die getroffenen Verfügungen sollten "verbindlich" sein, wobei der länger lebende Ehegatte berechtigt war, die Schlusserbeneinsetzung innerhalb der gemeinsamen Nachkommenschaft (Kinder und Enkelkinder) vollständig zu ändern.

Mit handschriftlicher und unterschriebener Erklärung vom Februar 2021, die auch die Ehefrau mitunterzeichnete, setzte der Erblasser ein:

"H.W.H.H. und K. geb. E. wollen unser restliches Vermögen durch ein Berliner Testament vererben.

Hochachtungsvoll."

Der Erblasser ist im März 2021 verstorben.

Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments – Berliner Testament

Die Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments ergibt, dass der Wille der Eheleute bei Unterzeichnung darauf gerichtet war, dass sie sich gegenseitig zu alleinigen Vollerben eingesetzt haben und die drei gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen als Schlusserben beim Tod des überlebenden Ehegatten bestimmt haben.

Obwohl die Eheleute den Begriff "Berliner Testament" verwendet haben, haben sie nicht die Einzelheiten ihrer gewünschten Erbfolge angegeben. Daher liegt ohne weitere Umstände keine wirksame Erbeinsetzung vor. Im vorliegenden Fall können jedoch solche Umstände festgestellt werden. Für die erläuternde Testamentsauslegung gelten folgende Grundsätze:

Das gemeinschaftliche Testament von Eheleuten muss den gemeinsamen Willen beider widerspiegeln, damit es gültig ist. Bei der Auslegung des Testaments geht es darum, den tatsächlichen Willen der Eheleute zu ermitteln, indem man den Wortlaut der verwendeten Ausdrücke sowie den Kontext des Testaments betrachtet. Der Wille der Testierenden zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung ist entscheidend. Wenn der tatsächliche Wille der Eheleute nicht festgestellt werden kann, muss das Gericht den mutmaßlichen Willen ermitteln. Um eine letztwillige Zuwendung wirksam zu machen, reicht es aus, wenn die Person, die bedacht werden soll, eindeutig aus dem Testament in Verbindung mit Umständen außerhalb des Testaments ermittelt werden kann. Es gibt auch bestimmte Anforderungen an die Bestimmtheit der letztwilligen Verfügung, um sicherzustellen, dass der Empfänger und der Gegenstand des Vermächtnisses eindeutig aus dem Testament abgeleitet werden können.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Vorinstanz den gegenseitigen Willen der Ehegatten überzeugend festgestellt.

Zudem wurde im vorliegenden Fall der Inhalt der notariellen Beratung der Eheleute vom August 2020 durch den Entwurf verdeutlicht, den Notar A. den Eheleuten im Januar 2021 übersandte und in dem er das Ergebnis der Beratung festhielt. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ehegatten diese Beratung als Berliner Testament missverstanden haben oder dass sie ihre Entscheidung, sich gegenseitig zu vermachen und anschließend ihre drei Kinder als Nacherben einzusetzen, bis zur Testamentserrichtung im Februar 2021 geändert haben.

Die Ehegatten haben also eindeutig und wirksam die von ihnen beabsichtigte Erbfolge angeordnet. Aufgrund der vorgenannten Begleitumstände ist der Begriff "Berliner Testament" als Indiz im Sinne der oben genannten Rechtsprechung ausreichend.

Es steht außer Frage, dass die Eheleute in diesem Fall alle drei Kinder gleichbedacht haben wollten, obwohl bei einem Berliner Testament gemäß § 2269 Abs. 1 BGB jede Person als Dritter gelten kann und es nicht erforderlich ist, alle Abkömmlinge gleich zu bedenken. Die Erbeinsetzung der drei Söhne ergibt sich jedoch aus der entsprechenden Anwendung von § 2104 Satz 1 BGB, wonach die gesetzlichen Erben als "Nacherben" berufen sind, wenn der überlebende Ehegatte stirbt.

Das Amtsgericht hat zu Recht entschieden, dass der überlebende Ehegatte nicht nur Vorerbe, sondern alleiniger Vollerbe sein sollte. Dies ergibt sich ausdrücklich aus dem notariellen Entwurf und im Übrigen aus der Auslegungsregel des § 2269 Abs. 1 BGB, wonach im Falle eines gemeinschaftlichen Testaments, in dem sich die Ehegatten gegenseitig als Erben einsetzen und bestimmen, dass nach dem Tod des Überlebenden der Nachlass an einen Dritten fallen soll, im Zweifel anzunehmen ist, dass der Dritte für den gesamten Nachlass als Erbe des zuletzt verstorbenen Ehegatten eingesetzt ist.

Fazit aus der Entscheidung

Sollten Sie ein Testament errichten wollen, so überlegen Sie sich genau, ob Sie dies selbst errichten wollen und gegebenenfalls später Auslegungsschwierigkeiten auftreten oder Sie sich von einem Experten hierzu beraten lassen möchten.

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Ihr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht

Christian Keßler

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