Das Singen sog. „U-Bahn Lied“ erfüllt den Tatbestand der Volksverhetzung

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„Im Jahr 2014 unmittelbar nach einem Fußballspiel (Borussia Dortmund gegen FSV Mainz) gegen sangen die Täter, beide Fußballanhänger des BVB, Borussia Dortmund Arm in Arm im Bereich des Vorplatzes am Nordausgang des Stadions in Dortmund in der Nähe einer Gruppe Mainzer Fussballanhänger das so genannte „U-Bahn Lied“ mit dem Text „Eine U-Bahn, eine U-Bahn, eine U-Bahn bauen wir, von Jerusalem bis nach Auschwitz, eine U-Bahn bauen wir!“. Das Singen dieses Liedes war für die umstehenden Personen deutlich hörbar.“

Aufgrund dieser Tat verurteilte sie das Amtsgericht Dortmund wegen Volksverhetzung jeweils zu einer Geldstrafe von 5.400 Euro (90 Tagessätze zu je 60 Euro).

Hiergegen wendeten sich die Angeklagten mit der sogenannten „Sprungrevision“ zum Oberlandesgericht (OLG) Hamm. Das OLG hat das Urteil des Amtsgerichts bestätigt, es sei ohne Weiteres davon auszugehen, dass der gesungene Text „Eine U-Bahn, eine U-Bahn, eine U-Bahn bauen wir, von Jerusalem bis nach Auschwitz, eine U-Bahn bauen wir!“ sich auf unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlungen der in § 6 Abs. 1 VStGB bezeichneten Art beziehen. Dafür steht schon das Synonym „Auschwitz“ (vgl. hierzu auch: BGH, Urteil vom 20. Dezember 2004 – 2 StR 365/04, BeckRS 2005, 01227; LG Traunstein, Urteil vom 30. August 2006 – 7 Ns 110 Js 43293/04, BeckRS 2007, 04556).

Wegen Volksverhetzung wird gemäß § 130 Abs. 3 StGB bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

Sowohl bei dem Billigen, als auch bei dem Verharmlosen und dem Leugnen handelt es sich um Äußerungsdelikte. Der Gesetzgeber wollte damit einen Beitrag zur Verhinderung rechtsextremistischer Propaganda leisten. Wegen deren gefährlicher Auswirkungen auf das politische Klima sollte die Anwendung des § 130 StGB in der Praxis erleichtert und die generalpräventive Wirkung der Strafvorschrift der Volksverhetzung erhöht werden, namentlich im Blick auf die Diffamierung und Diskriminierung jüdischer Mitbürger und Mitbürgerinnen.

Billigen bedeutet dabei das ausdrückliche oder konkludente Gutheißen der betreffenden Handlung. Ein Verharmlosen ist gegeben, wenn der Täter das betreffende Geschehen in tatsächlicher Hinsicht herunterspielt, beschönigt, in seinem wahren Gewicht verschleiert oder in seinem Unwertgehalt (quantitativ oder qualitativ) bagatellisiert bzw. relativiert. Für die rechtliche Würdigung des Äußerungsdeliktes kommt es mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 GG auf den inhaltlichen Gesamtaussagewert der Äußerung an.

Hierbei bestätigt das OLG die Sicht des Amtsgerichts, dass die Angeklagten das NS-Gewalt- und Massenvernichtungsunrecht im Konzentrationslager Auschwitz, das eine geschichtliche Tatsache ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2004, a.a.O.), gebilligt haben. Der im Lied gesungene Startort Jerusalem kann aus Sicht eines verständigen Zuhörers angesichts der offenkundigen Bezugnahme auf die massenhafte Vernichtung von Juden durch Nazi-Deutschland nur als Synonym für die Juden selbst verstanden werden. Die „Verbildlichung“ der Juden wird dem verständigen Zuhörer gerade auch durch die Verbindung von „Jerusalem“ und „Auschwitz“ durch ein „direktes“ Transportmittel – einer „U-Bahn“ – verdeutlicht, indem eine direkte Bezugnahme zu den Transporten der Opfer des Holocaust nach Auschwitz hergestellt wird. Da die „U-Bahn“ erst noch gebaut werden soll, und zwar von den Sängern („bauen wir“), wird auch deutlich, dass die Bezüge aus der Vergangenheit in einen Kontext zu einem zukünftigen Geschehen gestellt werden, auf das der Sänger nach dem Inhalt des gesungenen Textes hinwirken will oder dieses allerdings zweifelsfrei eher symbolisch geschilderte Unterfangen zumindest unterstützt.

Das Absingen, das nach den Urteilsfeststellungen zudem „Arm in Arm“, und damit in gelockerter bzw. „beschwingter“ Atmosphäre erfolgt ist, konnte und kann mithin aus Sicht eines verständigen Zuhörers offenkundig nur als Akt der Identifikation bzw. Zustimmung zu den Transporten der Juden in die Vernichtungslager und damit auch zu den dort begangenen NS-Verbrechen aufgefasst werden.

Eine alternative Verständnisweise des Liedes lehnte das OLG zu Recht ab.

(OLG Hamm, Beschluss vom 01.10.2015 - 1 RVs 66/15)


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